„The pommel horse guy“, also auf Deutsch: der „Pauschenpferd-Typ“. Diese Bezeichnung für einen Olympia-Turner aus den USA geht zurzeit viral. Gemeint ist damit Stephen Nedoroscik.
Bild eines Olympia-Starters geht viral
Doch warum dieser Spitzname? Nun im Gegensatz zum Rest des US-Teams ist Nedoroscik nur an einem Gerät gut genug, um bei den Spielen in Paris zum Einsatz zu kommen - dem Pauschenpferd.
Das ist die Disziplin, bei der die Turnerinnen und Turner auf ein 160 cm langes und 30 cm breites Gerät mit zwei Griffen an der Spitze steigen, das eine dem Pferd ähnliche Form besitzt.
Nedoroscik beherrscht das extrem gut - doch das ist nicht der Grund, warum es nicht nur bei den Olympia-begeisterten Zuschauern in den USA gerade kaum ein anderes Thema gibt.
Auswahl des Pauschenpferd-Spezialisten umstritten
Der 25-Jährige wurde zunächst zur Überraschung vieler in das fünfköpfige US-Team berufen, obwohl er nur bei dieser einen Sache, die gerade einmal 45 Sekunden dauert, richtig gut war. Nicht wenige hinterfragten, ob es nicht zu riskant sei, einen reinen Spezialisten für ein Teamevent zu nominieren.
Schließlich würde dieser stundenlang nur zuschauen und müsste anders als viele seiner Konkurrenten, die bereits zuvor immer wieder im Einsatz waren, aus dem Nichts abliefern müssen. Und was passiert, wenn sich ein Teamkollege verletzt? Nedoroscik könnte diesen kaum ersetzen.
Doch die USA setzten alles auf eine Karte - und so saß Nedoroscik stundenlang an der Seite, lehnte den Kopf an die Wand und schloss zwischendurch auch einmal die Augen, während seine Kollegen alles gaben, um das Team in den Bereich einer Medaille zu bringen.
Olympia 2024: Nedoroscik verwandelt sich in Superman
Doch dann kam sein großer Moment. Das Pauschenpferd war am Schluss dran und so lag es ausgerechnet an Nedoroscik, eine Medaille für seine Mannschaft einzufahren.
Also streifte er seine Brille ab - was ihn viele Vergleiche mit Superman einbrachten, dessen Alter Ego „Clark Kent“ eine ähnliche Brille trägt - und schritt zur Tat. Beim Pauschenpferd müsse er nicht sehen, erklärte der US-Amerikaner später.
Und trotz der elend langen Wartezeit wuchs Nedoroscik über sich hinaus, zeigte eine grandiose Leistung und stellte sicher, dass die Turn-Männer der USA erstmals seit 2008 wieder eine Olympia-Medaille gewannen.
Danach zeigte der zuvor auf der Bank fast in Trance gewirkte Nedoroscik, dass ihn ihm doch reichlich Emotionen stecken. Noch emotionaler waren aber seine Teamkollegen, die ihn die Luft haben und ihren Helden feierten.
US-Sender blendet sogar einen Extra-Timer ein
Natürlich war er beileibe nicht der einzige US-Athlet, der zur Bronzemedaille beigetragen hatte - doch im Internet galt der Fokus dennoch Nedoroscik. Dafür hatten auch die übertragenden Sender gesorgt.
NBC hatte sogar einen Timer eingeblendet, wie lange es noch dauern würde, bis Nedoroscik am Pauschenpferd zum Einsatz kommt.
Die Zuschauer waren fasziniert, wie entspannt - und teilweise fast gelangweilt wirkend - der US-Turner aus Massachusetts die Geräte zuvor verfolgte, während er wusste, dass der wohl mit Abstand wichtigste Moment seiner Sportler-Karriere immer naher rückte.
„Das ist nur ein weiterer Tag, an dem wir turnen“, sagte Nedoroscik und lachte: „Klar, es ist die größte Bühne der Welt. Das passiert nur einmal alle vier Jahre - aber wenn ich gleichzeitig Kreide auf meine Hände schmiere und das Pauschenpferd für die Mannschaft turne, ist das nichts anderes.“
Freundin des Turners nennt sich „Ms. Pauschenpferd“
Am Morgen hatte er noch einen Zauberwürfel in 9,321 Sekunden gelöst und dies auf Instagram gepostet. Dazu schrieb er: „Gutes Omen.“
Seine Freundin gefällt der Spitzname für Nedoroscik offenbar, sie nennt sich selbst „Ms. Pauschenpferd“ auf X und postete unter anderem ein gemeinsames Bild mit dem neuen US-Helden, wie dieser stolz seine Bronzemedaille in die Kamera hält.
Übrigens: Nur wenige Sekunden nach seiner Turn-Übung und noch mitten im Jubeltrubel der USA ließ sich Nedoroscik schnell wieder seine Brille reichen - Superman hatte seine Aufgabe schließlich erledigt.