Viel war im Vorfeld geschrieben worden über die mitten in der Stadt geplante Eröffnungsfeier für Olympia 2024 in Paris. Zum ersten Mal überhaupt sollten Olympische Spiele nicht in einem Stadion eröffnet werden, stattdessen konnten rund 600.000 Menschen entlang der Seine an der Bootsparade teilnehmen.
Ein Spektakel mit nur einem Makel
Für manche bedeutete das einen Traditionsbruch, hinzu kamen teils massive Sicherheitsbedenken. Diese sorgten auch dafür, dass in den Stunden vor der großen Parade längst nicht alles rund lief: Lange Schlangen an den Eingängen und unzählige Straßensperren sorgten für Frust bei Besuchern und Anwohnern gleichermaßen.
Als es aber einmal losging, wirkte die olympische Magie ihre Wunder: Hunderttausende Menschen hatten die Chance, Teil von etwas zu sein, das sonst einem sehr ausgewählten Kreis vorbehalten geblieben war. Die Athleten auf den Schiffen lachten, sangen, filmten und winkten in die Menge - bis sich der große Spielverderber des Abends meldete: der Wettergott.
Der mal mehr, mal weniger strömende Regen sollte allerdings der einzige echte Makel bleiben. Von den Wetterkapriolen unbeirrt, steuerte der Abend auf seinen Höhepunkt zu - oder vielmehr: seine Höhepunkte.
Als die französische Fußball-Ikone Zinédine Zidane im Stadion am Fuße des Eiffelturms erschien, um die finale Etappe des Fackellaufs einzuläuten, ging ein Raunen durch die Menge, ehe „Zizou“ nicht nur von den französischen Athleten mit Sprechchören gefeiert wurde. Auch der Auftritt von Rafael Nadal, der in Paris zum letzten Mal als Athlet bei Olympischen Spielen dabei sein wird, war ein spezieller Moment. Eine Schande, dass viele Zuschauer und vor allem Athleten, die - natürlich auch mit Blick auf ihre Gesundheit vor den anstehenden Wettbewerben - vor den anhaltenden Regenfällen geflüchtet waren, das nicht mehr miterlebten.
Frankreich lässt sich beim Fackellauf etwas einfallen
Und auch beim Grande Finale des Fackellaufs hatte sich die Grande Nation etwas einfallen lassen: Es passte zu den erstmals überhaupt paritätisch besetzten Spielen, dass sich Männer und Frauen auf den letzten Metern durch den Jardin des Tuileries abwechselten. Und es passte zum olympischen Geist, dass zum einen auch drei Para-Athleten die Ehre hatten, die Fackel auf den letzten Metern zu tragen, zum anderen, dass die Läufer gemeinsam als Gruppe auf einen weiteren rührenden Höhepunkt zusteuerten.
Charles Coste, 100 Jahre alt und damit ältester noch lebender französischer Olympiasieger, sorgte im Rollstuhl sitzend mit der Fackel in der Hand für ein denkwürdiges Bild. Er gab die Flamme weiter an Leichtathletik-Legende Marie-José Pérec und Judo-Gigant Teddy Riner, die gemeinsam das olympische Feuer entzündeten, ehe dieses in einem Ballon in den Pariser Nachthimmel emporstieg.
Das Fernsehbild mit dem hell erleuchteten Ball über der Pariser Skyline, im Hintergrund der Eiffelturm, hätte zum perfekten Schlussbild jeder Übertragung getaugt - einen letzten großen emotionalen Moment hatten die Organisatoren aber noch in petto: Céline Dion, an einer seltenen neurologischen Erkrankung (Stiff-Person-Syndrom) erkrankt, trat erstmals seit vier Jahren wieder als Sängerin auf - vom Klavier begleitet auf der Aussichtsplattform des Eiffelturms.
Nein, diese Form des Gigantismus, diese Aneinanderreihung von Wow-Momenten muss nicht jedem gefallen. Dasselbe gilt für die wirtschaftlichen Begleiterscheinungen und infrastrukturellen Einschränkungen, die mit dem Mega-Event Olympia inzwischen einhergehen. Und es stellt sich durchaus die Frage, wo das im Sinne des ständigen Strebens nach „Höher, schneller, weiter“ nicht nur bei den Eröffnungsfeiern der Spiele 2028 in Los Angeles oder 2032 in Brisbane noch hinführen soll.
Paris aber hat zum Auftakt seiner Spiele geliefert und dabei nicht nur bei den großen Gesten, sondern auch bei den kleinen Details vieles richtig gemacht: Allen, die dabei sein durften, wird das Spektakel an der Seine als ein Abend der Gänsehautmomente in Erinnerung bleiben.