Als Anna-Maria Wagner die Nachricht per Telefon erhielt, flossen die Tränen. Sie, die Judoka, darf am Freitag die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Paris tragen. Ihre Reaktion darauf, festgehalten per Video und auf Instagram veröffentlicht, hat Sport-Deutschland gerührt.
Eine bewegende deutsche Geschichte
„Ich war überwältigt“, sagte sie später bei der Pressekonferenz von Team Deutschland, nachdem sie bei der Abstimmung mehr Stimmen bekam als Fußballerin Alexandra Popp und Dressurreiterin Jessica von Bredow-Werndl.
Wer ihre Geschichte kennt, der nimmt ihr diesen öffentlichen Gefühlausbruch ab.
Denn Wagner, mittlerweile 28 Jahre alt, war nach den vergangenen Olympischen Spielen vor drei Jahren in Tokio in ein tiefes Loch gefallen. Gerade noch hatte sie sich mit jeweils Bronze im Einzel und mit der Mannschaft ihren großen sportlichen Traum erfüllt. Und dennoch - oder gerade deswegen - fehlte ihr danach auf einmal der Antrieb, sie kam kaum aus dem Bett.
Wagner: „Ich habe viel geweint in der Zeit“
„Ich hab‘ wirklich überlegt auch aufzuhören, weil ich gedacht habe: Wenn das jetzt das Ergebnis von dem Erfolg ist, den ich hatte, dann möchte ich den nicht“, gestand sie Anfang des vergangenen Jahres in einem Videopodcast der Deutschen Sporthilfe.
Viele Jahre ihres Lebens hatte sie für ihren Traum gekämpft. Und nun, als sie am Ziel war, verlor sie die Freude am Leben. „Ich habe viel geweint in der Zeit“, erinnerte sie sich in dem Podcast.
Am schlimmsten wurde es, so verriet sie einmal dem SWR in einem Interview, als sie sich Anfang 2022 auch noch mit Corona infizierte. „Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagte die Frau aus Ravensburg: „Die Depression hat mich sehr lange begleitet, aber gerade ist sie weit weg. Es war ein langer Kampf zurück.“
Wagner nimmt Kampf an - und ist bei Olympa nun Fahnenträgerin
Ein Kampf, den sie zusammen mit ihren besten Freundinnen und mit ihrem Sportpsychologen annahm. „Von diesen Menschen weiß ich, dass sie mir guttun. Sie hören mir zu, verstehen mich und helfen mir, durch diese Zeit zu kommen“, sagte sie.
Geholfen hat ihr dabei auch, dass sie ihre Gefühle und Gedanken in Worte fasste und sie nach Rücksprache mit ihrem Psychologen über Social Media veröffentlichte.
Mittlerweile geht es ihr wieder so gut, dass sie auch anderen helfen kann. Im vergangenen Jahr bereitete Wagner zum Beispiel einige Judoka auf die Special Olympics vor.
Nun aber steht für sie die eigene Vorbereitung auf Olympia im Vordergrund. Bei den Spielen wird sie am Freitag zusammen mit Dennis Schröder die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier tragen, ehe es für sie am 1. August in der Klasse bis 78 Kilogramm um Gold geht.
Ihr Motto: „Erst die Feier genießen und alles aufsaugen. Dann einen Cut machen und mich auf meinen Wettkampf fokussieren.“
Ihren schwersten Kampf hat sie zum Glück bereits gewonnen.