„Du bist Müll! Du und er - ihr seid Müll! Das ist unglaublich“, polterte Italiens Fecht-Coach Stefano Cerioni in Richtung der beiden Kampfrichter. Das kontroverse Florett-Finale der Männer bei den Olympischen Spielen in Paris hat für reichlich Aufregung gesorgt.
„Du bist Müll“: Fecht-Eklat im Finale
Das ging sogar so weit, dass der italienische Fechtverband und das italienische Olympische Komitee (CONI) einen formellen Protest beim IOC einlegten, wenngleich dies am Ausgang - Gold für Cheung Ka Long aus Hongkong und Silber für den Italiener Filippo Macchi - nichts mehr ändern wird.
Doch was war eigentlich vorgefallen? Macchi fehlte beim Stand von 14:12 nur noch ein Treffer zu Gold, ehe sein Gegner doch noch mit 14:14 ausgleichen konnte. Dann wurde es richtig dramatisch - und vor allem emotional.
Anzeige-Fehler verwirrt auch Kommentator
Beim ersten Aufeinandertreffen der Kontrahenten zeigte es in der Einblendung zunächst lediglich einen Treffer von Macchi an, doch Cheung war es, der lautstark jubelte. ZDF-Kommentator Julius Hilfenhaus verwirrte dies zunächst ebenfalls. „Was ist denn hier los?“, rief er.
Schließlich wurde klar, dass beide Lampen geleuchtet hatten, aber die Anzeige fehlerhaft war. Dennoch musste der Videobeweis her, um zu entscheiden, ob der Treffer nicht doch einem Athleten zugesprochen werden sollte.
Die Kampfrichter verneinten dies nach Betrachten der Bilder und beließen es bei der ursprünglichen Entscheidung, was Macchis Coach Cerioni bereits auf die Palme brachte.
Olympia 2024: Kontroverses Fecht-Finale in Paris
Doch es wurde noch wilder, denn kurz darauf kam es erneut zur Situation, dass beide Lampen leuchteten. Beide Sportler jubelten erneut - und wieder entschieden die Kampfrichter nach dem Videobeweis, dass beide getroffen hatten und es damit weitergehen muss.
Italiens Coach wurde noch wütender, gestikulierte wild und zeigte mit den Fingern an, dass dies seiner Meinung nach das zweite Mal war, dass seinem Schützling der Punkt zugesprochen hätte werden müssen.
Kurz darauf wiederholte sich das Schauspiel - erneut leuchteten beide Lampen, Macchi riss darauf die Arme in die Höhe, während Cheung völlig überzeugt vom Sieg sogar seinen Helm bereits vor Freude durch die Gegend warf.
Gold nach Hongkong - Italien-Coach verliert Fassung
Wieder schauten sich die Kampfrichter die Szene an - und hoben dann zum Entsetzen von Macchi, der zu Boden ging, den Arm zugunsten von Cheung, der bereits drei Jahre zuvor gegen Macchis italienischen Landsmann Daniele Garozzo bei Olympia triumphiert hatte.
Macchi zeigte sofort geschockt an, dass dies niemals die richtige Entscheidung sein könnte und diskutierte mit dem Schiedsrichter. Er schien sich dabei jedoch besser in Griff zu haben als sein Coach, der nach dem Handshake mit Cheung nochmal wütend in Richtung der Kampfrichter ging und die oben erwähnten Wortsalven losließ.
Im Interview mit Rai legte Cerioni dann noch einmal nach: „So etwas habe ich noch nie gesehen, weder als Athlet noch als Trainer“. Weiter unterstellte er den Kampfrichtern „Inkompetenz“, da sein Schützling eigentlich gleich dreimal gewonnen habe.
Kritik an Kampfrichtern
Die Herkunft der Kampfrichter war dem ehemaligen erfolgreichen Olympia-Fechter ebenfalls ein Dorn im Auge, er sah sogar die Glaubwürdigkeit des Sports in Gefahr: „In welcher Sportart gibt es zwei Kampfrichter vom selben Kontinent wie einer der Finalisten?“
Auch sonst war man in Italien erzürnt über die Entscheidung. So schrieb die Seite des italienischen Fechtverbands von „Silber für Filippo Macchi im Florett! Trotz inakzeptabler Kampfrichterleistung“. Weiter heißt es, dass Macchi „(mindestens) zwei Treffer verweigert“ worden waren.
Italiens Presse wütete ebenfalls, il Dolomiti schreibt zum Beispiel: „Eine Silbermedaille, die für Filippo Macchi einem absoluten Hohn gleichkommt.“ Es sei unglaublich, dass der Schiedsrichter zweimal keinen Punkt einem Fechter zuspricht, aber bei der gleichen Situation dies beim dritten Mal für Cheung doch tut.
Macchi: „Fühlte mich nie betrogen“
Die beiden Sportler selbst verhielten sich nach der ersten Aufregung übrigens vorbildlich. So sagte Macchi: „Fechten ist ein Sport, der im Ermessen des Schiedsrichters liegt. Ich habe 14:12 geführt und es nicht zu Ende gekriegt. Zu Hause werde ich mir die Treffer noch einmal anschauen.“
Zwar hatte er zu dem Zeitpunkt das Gefühl, dass er richtig liegen würde mit seinem Jubel, aber „nie fühlte ich mich betrogen. Vielleicht lagen sie (die Kampfrichter, Anm. d. Red.) falsch, aber ich denke nicht, dass sie es mit Absicht tun würden.“
Auch Chung gab zu: „An einem anderen Ort oder mit einem anderen Schiedsrichter wäre es vielleicht anders ausgegangen, aber jeder Fechter denkt, dass der Punkt ihm gehört“. Daher sei auch er sich absolut sicher, dass der dritte Treffer seiner war - und auch die ersten beiden.