Als „schnellster Briefträger der Welt“ wurde er zu einem der größten Sport-Idole der deutschen Nachkriegsgeschichte.
Spektakuläre DDR-Flucht ohne Happy End
Am 22. Februar 1960 schockte Georg Thoma in Squaw Valley als 22-Jähriger die Welt mit einem völlig überraschenden Olympia-Gold in der Nordischen Kombination, die damals als Königsdisziplin des Winters galt.
Es war ein märchenhafter Aufstieg eines einfachen jungen Mannes aus schwierigen Verhältnissen - schon mit zehn Jahren musste Thoma als Hirtenjunge arbeiten, weil sein Vater nicht alle sieben Kinder ernähren konnte: Thoma wurde 1960 zum Sportler des Jahres gewählt - vor 100-Meter-Weltrekordler Armin Hary.
Der Onkel des späteren Vierschanzentourneesiegers Dieter Thoma wird heute 85 und blickt auf ein bewegtes Leben zurück, nicht nur sportlich: Thoma spielte auch eine Hauptrolle in einem spektakulären Fluchtkrimi um einen DDR-Spitzensportler - auf den er heute mit gemischten Gefühlen zurückblickt.
Thoma verhalf DDR-Star zur Flucht - und bereut es
Im Jahr 1968 half Thoma dem DDR-Spitzenkombinierer Ralph Pöhland, als dieser inmitten des Kalten Kriegs in den Westen floh - „wegen der Liebe, dem Abenteuer und weil ich mich im Osten enorm erdrückt und gegängelt fühlte“, wie dieser später erklärte.
Pöhland setzte sich kurz vor Olympia 1968 in Grenoble - wo er eine große Medaillenhoffnung war - von seinen Betreuern ab, bei einem Vorbereitungswettkampf in der Schweiz. Der in den Plan eingeweihte Thoma empfing ihn, gewährte ihm Unterschlupf und vermittelte ihn einen Job im heimischen Hinterzarten, worauf er jahrelang von der Stasi bespitzelt wurde. (Lutz Eigendorf: Der mysteriöse Tod des aus der DDR geflüchteten Fußball-Stars)
Als Held möchte sich Thoma für seine Rolle in dem spektakulären Krimi nicht feiern lassen, im Gegenteil. „Es hat mir leidgetan für die vielen Menschen in der damaligen DDR, die enttäuscht waren, weil ich da die Finger im Spiel hatte“, gestand er 2020 der Welt - und sprach gar vom „größten Fehler meines Lebens“.
Der als Landesverräter gebrandmarkte Pohland durfte letztlich gar nicht bei Olympia 1968 antreten, weil die DDR und vor allem der Bruderstaat Sowjetunion politischen Druck machten. In der DDR erlebten Pöhlands Familie und seine Freunde Repressalien: Seine Eltern verloren ihre Arbeit, der an Pöhlands Stelle als Held gefeierte Bronzegewinner Andreas Kunz bekam 1970 Berufsverbot, weil er mit Pöhland befreundet blieb.
Pöhland erging es im Westen nicht gut
Thoma, der ein von ZDF-Reporter Bruno Moravetz gefilmtes Video von Pöhlands Flucht nie senden ließ, kam zum Schluss: „Es wäre für ihn zehnmal besser gewesen als hier im Westen.“ Pöhland erging es in der BRD sportlich und privat nicht gut, er konnte nicht an die DDR-Erfolge anknüpfen, auch ein späteres Engagement als Bundestrainer endete vorzeitig.
Pöhlands Ehe mit der Norwegerin Marit Myrhe - bei der Thoma Trauzeuge war - ging in die Brüche. 2011 starb er mit 64 Jahren an Krebs, der Kontakt zu Thoma war lange abgebrochen.
Thoma selbst ging es vor und nach der Wende gut, auch nach der sportlichen Karriere: Er quittierte 1971 den Postdienst, war 20 Jahre Tennislehrer und lebt glücklich mit seiner Annemarie in Hinterzarten. Trauzeuge war Fußball-Idol Fritz Walter, Spielführer der deutschen Weltmeister-Elf von 1954.
Im Skimuseum Hinterzarten ist dem berühmtesten Sohn ein eigener Raum gewidmet, die Georg-Thoma-Stube.
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Mit Sportinformationsdienst (SID)