„Es war der größte Spaß, den ich jemals auf einem Basketball-Court hatte.“
Das beste Spiel, das nie jemand sah
Große Worte, die noch erheblich an Bedeutung gewinnen, wenn man weiß, von wem sie kamen: Michael Jordan, den für viele immer noch besten Spieler der Basketball-Geschichte.
„Air Jordan“ dachte bei seiner Aussage im Gespräch mit Sports Illustrated aber nicht an eine seiner heroischen Playoff-Partien mit den Chicago Bulls, sondern an ein Training in Monte Carlo.
„Wir reden hier über Training! Training!“ („We talkin‘ about Practice! Practice!“), würde NBA-Ikone Allen Iverson im Stile seiner legendären Pressekonferenz jetzt wohl erst einmal entsetzt reagieren.
Doch nie in seiner Karriere hatte Jordan so viele hochklassige Mitspieler und Gegner gehabt, die die Partie anders als in einem All-Star Game auch noch ernst nahmen, wie in diesem Trainingsspiel.
Team USA dominiert Olympia 1992 nach Belieben
Dieses fand drei Tage vor den Olympischen Spielen am 22. Juli 1992 statt - und damit ist auch klar, dass die Rede vom „Dream Team“ ist, der wohl größten Ansammlung individueller Talente in der Basketball-Geschichte.
Jordan, Earvin „Magic“ Johnson, Larry Bird, Charles Barkley, Scottie Pippen, Karl Malone, Patrick Ewing, David Robinson, John Stockton, Chris Mullin, Clyde Drexler sowie Christian Laettner, damaliger College-Spieler des Jahres.
Das Team USA dominierte mit dieser Auswahl wenig verwunderlich die Olympia-Partien nach Belieben und führte beispielsweise im Halbfinale gegen Litauen bereits zur Halbzeit mit 51(!) Punkten.
Für Jordan, der bereits 1984 Gold mit den USA geholt hatte, war dies daher eine tolle Erfahrung - doch herausgefordert fühlte sich der Mann mit dem unbändigen Ehrgeiz nur in jenem Trainingsspiel.
Legendäres Trainingsspiel ohne Presse und Fans
Für Basketball-Fans gab es nur ein Problem: Sie konnten das Spiel nicht sehen. Abseits von Spielern und Trainern war die Halle leer. Bis heute gibt es einzig Videomaterial von einem der Video-Leute von Coach Chuck Daly.
Durch Erzählungen von Spielern und Trainern ist aber weitgehend bekannt geworden, wie es damals ungefähr abgelaufen war. Im Buch „Dream Team“ von Jack McCallum wird sogar fast jede Aktion des Trainings beschrieben.
Für das „blaue Team“ spielten Johnson, Mullin, Laettner, Barkley und Robinson, für das „weiße Team“ liefen Bird, Malone, Ewing und die beiden Bulls-Stars Jordan und Pippen auf, die kurz zuvor ihren zweiten NBA-Titel geholt hatten.
Stockton und Drexler fehlten angeschlagen. Gut für Drexler, denn Jordan soll es bereits in den Trainingseinheiten zuvor auf ihn abgesehen haben.
Jordan-Team startet schlecht - Magic dominiert
Drexler war bei der MVP-Wahl Zweiter hinter Jordan geworden und hatte seine Portland Trail Blazers ins Finale geführt. Jordan war es daher ein wichtiges Anliegen, seine Dominanz zu unterstreichen.
Ohne einen Rivalen, dem er unbedingt etwas beweisen wollte, ließ es Jordan im Trainingsspiel für seine Verhältnisse zunächst ruhiger angehen und sein Team lag schnell mit 0:7 zurück.
Das wollte der sechsmalige NBA-Champion aber dann doch nicht auf sich sitzen lassen und begann deutliche Kommandos an seine Mitspieler zu geben. Das führte zu ersten Punkten, doch der Rückstand wuchs weiter auf 7:16 an.
Auf der Gegenseite dirigierte NBA-Ikone Magic Johnson, der nach seiner HIV-Diagnose 1991 zurückgetreten war, für das All-Star Game 1992 und Olympia in Barcelona jedoch noch einmal zurückkehrte.
Magic: „Wenn du nicht bald zu Air Jordan wirst ...“
Doch Magic machte in diesem Trainingsspiel einen großen Fehler, wie er später selbst einräumte - er provozierte Michael Jordan: „Wenn du nicht bald zu Air Jordan wirst, schießen wir euch heute aus der Halle.“
„Seine Augen wurden groß“, erzählte Johnson in der Late-Night-Show Jimmy Kimmel Live. Direkt danach habe Jordan einen Dreier geworfen und ihn mit herausgestreckter Zunge angeschaut.
Bereits zuvor hatte Magic nach einem Korberfolg verkündet: „Die Jordanaires liegen am Boden.“ Und nach einem Foulpfiff für sein Team rief er in Anspielung auf Jordans angebliche Schiedsrichter-Sonderbehandlung in der NBA: „Ich liebe es. Wir sind hier nicht mehr im Chicago Stadium.“
Der Meister des Trashtalks war jedoch stets Jordan. „Wenn ein Mann müde ist, verfehlt er oft Freiwürfe“, sagte er kurz vor einem vergebenen Freiwurf in Richtung von Barkley und signalisierte danach, dass er ihn jetzt 1-gegen-1 stoppen wird.
Wie Michael Jordan den Referee beeinflusste
Jordan verstand es aber nicht nur, seine Gegenspieler aus dem Konzept zu bringen. Der heute 61-Jährige hatte auch ein Gespür dafür, wie er den Schiedsrichter auf seine Seite ziehen konnte.
So bekam sein Team zunächst viele Foulpfiffe gegen sich, was seinen Teamkollegen Malone ärgerte. Beim Stand von 31:26 für Team MJ schrie dieser sogar: „Hör auf, diesen verdammten Mist zu pfeifen.“
Jordan erkannte die Situation und lief zwischen Malone und dem italienischen Mann, dessen Name später keiner mehr nennen konnte: „Vergiss es, Karl. Mach ihm keine Angst. Wir brauchen ihn womöglich noch.“
Wenig später pfiff der Italiener ein Foul gegen Magic, was Jordan zwei Freiwürfe bescherte. Magic kochte - vor allem, als der Referee auf der anderen Seite auch noch umstritten auf Blocking Foul gegen Robinson entschied.
„Chicago Stadium. Sie haben nur das Bulls Stadium hierher verlegt“, brüllte Magic, während Jordan begeistert in die Hände klatschte und den Italiener feierte: „Mein Mann. Mein Mann. Mein Mann.“
Jordan macht Magic Johnson immer wütender
Jordan hatte erreicht, was er mit seinen Worten bezwecken wollte. Beim Stand von 38:36 dribbelte er - in einem Trainingsspiel(!) - dann die Uhr runter, was Magic nur noch wütender machte.
Schließlich zog Jordan doch noch zum Korb und bekam ein weiteres Foul. Vor dem zweiten Freiwurf klopfte er dem Referee nochmal einmal anerkennend auf den Rücken und sagte: „Guter Mann.“
Bevor das Spiel komplett eskalieren konnte, nachdem Magic kurz zuvor schon einige böse Worte in Richtung Jordan abgegeben haben soll, war zum Glück Schluss.
Jordans Team siegte mit 40:36 und MJ war mit 17 Punkten der mit Abstand erfolgreichste Scorer beider Teams.
„Be Like Mike“: MJ provoziert auch nach dem Spiel
Der Trashtalk für Jordan war aber mit Ende der Partie nicht vorbei: „Ihr habt noch viel Arbeit vor euch, weißes Team.“ Magic entgegnete wütend: „Es drehte sich wieder einmal alles nur um Michael Jordan.“
Jordan konterte mit einem eigenen Werbe-Song über ihn. Selbst auf der Busfahrt zurück zum Hotel soll er noch provozierend „Be Like Mike ... Be Like Mike ...“ gesungen haben.
Magic sagte viele Jahre später über das Spiel: „Es wäre für alle schlimmer gewesen, wenn er verloren hätte. Ich kann nach einer Weile loslassen. Aber Michael? Er hätte es nie auf sich beruhen lassen.“
Durch den Sieg hat Jordan das Trainingsspiel dagegen noch heute in bester Erinnerung: „Es war das beste Spiel, in dem ich jemals mitgespielt habe. All die schönen Dinge des Basketballspiels wurden in diesem einen Spiel veranschaulicht.“