Als der Bolero erklang und Kamila Walijewa zum Sprung ansetzte, war das russische Wunderkind dem olympischen Justizkrimi mit seinen Anwälten, Sportrichtern und Dopingjägern vorerst entkommen. (News: Alle aktuellen Infos zu Olympia 2022)
Der Olympia-Skandal ist perfekt
Beim Abschlusstraining vor dem bislang wichtigsten Wettkampf ihrer Karriere glitt Walijewa über das Eis, als hätte es die nächtliche Anhörung und die Angst vor dem Olympia-Ausschluss nicht gegeben. Als wäre ihr „Fall“ gelöst und die Hängepartie beendet.
Die Wahrheit jedoch ist: Wenn die 15 Jahre alte Eiskunstläuferin am Dienstag (21.52 Uhr OZ/14.52 MEZ) trotz eines positiven Dopingtests zum Kurzprogramm im Capitol Indoor Stadium antritt, läuft sie unter Vorbehalt und unvorstellbarem Druck auf ihren schmalen Schultern. (DATEN: Der Zeitplan von Olympia 2022)
Augen nach CAS-Urteil auf Walijewa gerichtet
Nach dem aufsehenerregenden CAS-Urteil vom Montagmittag werden noch mehr Augen auf sie gerichtet sein. Ihre Geschichte ist der Aufreger der Winterspiele in Peking, sie überschattet das sportliche Geschehen und reißt Gräben auf.
Während die russische Delegation nach dem Schiedsspruch des Sportgerichtshofs „die beste Nachricht des Tages“ feierte, grummelte Sarah Hirshland. Die Präsidentin des Olympischen Komitees der USA warf Russland vor, „den sauberen Sport“ weiterhin systematisch zu missachten.
„Wir sind enttäuscht von der Botschaft, die von dieser Entscheidung ausgeht“, sagte sie nach dem Urteil und fügte an: „Wir wissen, dass dieser Fall noch nicht geschlossen ist.“
Keine Ehrung im Medaillen-Fall in Peking
Eigentlich fängt er jetzt erst an. Hält Walijewa der gewaltigen Last in der Frauenkonkurrenz am Dienstag stand, steht sie ihre einmaligen Vierfachsprünge auch in der Bolero-Kür am Donnerstag, hat das IOC ein doppeltes Problem. Denn ob Walijewa, die bereits mit dem russischen Team Gold gewonnen hatte, ihre Medaille(n) bekommen darf, wird Gegenstand eines späteren Verfahrens sein. In Peking werde es jedenfalls keine Ehrung mit Walijewa geben, teilte das IOC mit.
„Das ist ein Dilemma, in dem wir alle stecken“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams, ein Dilemma, in das die olympische Bewegung durch die RUSADA gelangt ist, behauptet zumindest die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA.
Die Dopingkontrolleure aus Russland hätten Walijewas Probe vom 25. Dezember nicht priorisiert, das WADA-Labor in Stockholm habe deshalb die Dringlichkeit nicht erkannt und das alarmierende Resultat erst am 8. Februar gemeldet. Der Skandal war perfekt. (DATEN: Alle Ergebnisse bei Olympia 2022)
RUSADA hebt Suspendierung vorläufig auf
Plötzlich war Walijewa kein Wunderkind mehr, sondern eine Dopingsünderin, in deren Blut die verbotene Substanz Trimetazidin für zusätzlichen Antrieb sorgt. Die RUSADA hatte ihre Suspendierung jedoch vorläufig aufgehoben, das IOC, die WADA und der Eislauf-Weltverband ISU zogen deswegen vor den CAS.
Der entschied nun zugunsten der Europameisterin, um „irreparablen Schaden“ abzuwenden - als wäre dieser nicht schon längst entstanden.
Für Eiskunstlauf-Legende Katarina Witt sind „die olympischen Wolken nochmal eine Schattierung dunkler geworden“, für viele Sportlerinnen und Sportler - auch im Deutschen Olympischen Sportbund - haben die Sanktionen gegen Russland nach den Dopingspielen 2014 in Sotschi wenig bis nichts bewirkt. Der Betrug blüht, das deutet der „Fall“ Walijewa an, auch wenn die B-Probe noch aussteht. (SERVICE: Der Medaillenspiegel)
Diese Personen stecken hinter Fall Walijewa
Kamila Walijewa dürfte in diesem System mehr Opfer als Täterin sein, im Fokus der Ermittlungen, die später über ihre Strafe entscheiden werden, steht bereits ihr Umfeld: Trainerin Eteri Tutberidse und Teamarzt Filipp Schwezki.
Tutberidse hat zahlreiche Athletinnen verschlissen, mental oder körperlich ausgezehrt haben sie ihre vielversprechenden Karrieren viel zu früh beendet. Ein Schicksal, das auch Walijewa droht.