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Milliardengrab für deutschen Gold-Boom? Streckenplaner kontert

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Milliardengrab für deutschen Gold-Boom? Streckenplaner kontert

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„Dann ist es auf einmal 500 Mio. teuer“

Der olympische Eiskanal hat Deutschland nun schon sechsmal Gold beschert. Thomas Schwab hat ihn mitgeplant - im SPORT1-Interview spricht er über einen besonderen Nebenjob.
Die deutschen Rodler sind bei Olympia erneut eine Macht. Keine andere Nation sammelt im Rodeln so viele Medaillen wie die Deutschen. Dennoch fällt die Sportart immer wieder unter den Tisch.
Der olympische Eiskanal hat Deutschland nun schon sechsmal Gold beschert. Thomas Schwab hat ihn mitgeplant - im SPORT1-Interview spricht er über einen besonderen Nebenjob.

Die deutsche Olympia-Bilanz sähe deutlich trüber aus ohne das Yanqing National Sliding Center.

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Johannes Ludwig. Natalie Geisenberger, Tobias Wendl und Tobias Arlt sowie die Teamstaffel im Rodeln, Christopher Grotheer und Hannah Neise im Skeleton: Sechs von acht der bisherigen Goldmedaillen hat das DOSB-Team im olympischen Eiskanal geholt.

Bei all diesen Coups spielte der 59 Jahre alte Thomas Schwab aus Berchtesgaden eine wesentliche Rolle - nicht nur in seinem Hauptjob als Vorstandschef des Bob- und Schlittenverbandes von Deutschland.

Schwab war auch Mitplaner des Kanals, der Ende 2020 eröffnet wurde und nach eigenen Angaben 500 Millionen Euro gekostet hat (Berichte, dass es 2,5 Milliarden waren, weist er als Unsinn zurück). Der Bronzemedaillen-Gewinner von Olympia 1988 in Calgary ist seit Jahren ein international gefragter Experte für Planung solcher Projekte.

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Im SPORT1-Interview spricht Ex-Bundestrainer Schwab über diesen Job, das Geheimnis hinter dem deutschen Erfolg und über die Frage, ob die gigantischen Bauten tatsächlich wert sind, was in sie investiert ist - finanziell und gesellschaftlich.

SPORT1: Herr Schwab, wie sind Sie aktuell während der Spiele im Einsatz?

Thomas Schwab: „Wir haben viele An- und Abreisen mit vielen Hotelwechseln und Akkreditierungswechseln. Im Moment ist hier die größte Hektik. Es ist rein organisatorisch viel zu tun. Und dann brauchen wir 35 Minuten zu der Sportstätte. Da schauen wir zu den Trainingseinheiten mit hoch. Abends sind die Wettkämpfe. Abends ist man nicht vor halb zwölf oder zwölf hier. Dann gibt es noch ein, zwei Bier und am nächsten Morgen geht es ab halb sieben wieder rund. Es ist schon sehr anstrengend. Die Trainer können sogar kaum eine Besprechung machen mit ihren Athleten, weil es so eng getaktet ist. Als Mitgestalter der Strecke ist die Arbeit aber getan. Wir kontrollieren nur noch, in welcher Beschaffenheit das Eis ist. Olympia ist eigentlich immer der am schlechtesten organisierte Wettkampf alle vier Jahre (lacht). (News: Alle aktuellen Infos zu Olympia 2022)

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SPORT1: Wie haben Sie die deutschen Erfolge erlebt?

Schwab: Ich habe die Erfolge genossen. Natürlich habe ich mich zum Beispiel sehr für Natalie Geisenberger gefreut. Allerdings habe ich auch richtig mit Julia Taubitz mitgelitten bei ihrem Sturz. Sie ist eine Vorzeigeathletin, Goldfavoritin gewesen und immer so freundlich. Ich war lange genug selbst Sportler, um zu wissen, wie weh das tut. Ich bin zum Beispiel rein nach dem Wettkampf zu ihr in die Umkleide und habe den Teamärzten, die sie gerade versorgten, gesagt, dass sie statt Salben einen Schnaps braucht. Da konnte sie wieder ein bisschen lachen. (DATEN: Alle Ergebnisse bei Olympia 2022)

SPORT1: Weshalb ist Deutschland im Rodeln und beim Bob weiter so dominant wie in keiner anderen Sportart?

Schwab: Einer der großen Vorteile ist, dass wir Kunsteisbahnen haben und entsprechende Möglichkeiten: Schon ein 10-Jähriger fährt bei uns alle vier Bahnen in Altenberg, Königssee, Oberhof und Winterberg. Wir haben die vielseitigste Ausbildung. Das muss man so sagen. Wir haben ein hervorragendes Stützpunktsystem mit den vier Bahnen und werden vom Bund und der Polizei sowie der Bundeswehr hervorragend gefördert. Zudem unterstützen uns unsere Sponsoren im Verband. Wir leben in einem guten Sportfördersystem.

„... dann ist es auf einmal so teuer“

SPORT1: Wie viel Sinn hat es, teure Rodelstrecken in wintersportferne Länder zu pflanzen? Die Bahn hat rund 500 Millionen Euro gekostet …

Schwab: Wir haben von den internationalen Verbänden einen Anforderungskatalog für die Wettkampfstätten. Damit gehen wir rein. Wenn man den einhält, baut man eine Bahn für 80 bis 100 Millionen Euro. Dann kommen aber die Wünsche des Bauherren dazu. Wenn da ein Hotel dabei ist, ein Antidopingkontrollraum mit 250 Quadratmetern statt 75 Quadratmetern und jeder Raum so ausgedehnt wird, eine Straße gebaut wird und dreifaches Licht angefordert wird, dann ist es auf einmal so teuer. Da haben wir keinen Einfluss drauf. Der Bauherr möchte natürlich mit den besten Architekten der Welt zeigen, was sie für tolle Anlagen haben. Bei der Bobbahn war der Wunsch explizit, dass es eine Vorzeigeanlage wird. Sie versprechen sich eine Nachnutzung nicht nur durch den Spitzensport sondern auch für den Tourismus. Es soll ein Ski-Freizeitzentrum entstehen, weil die Chinesische Mauer in der Nähe ist. In Sotschi waren wir auch sehr kritisch und es funktioniert dort hervorragend. Bei den Weltcups finden wir kaum Hotels, weil dort alles belegt ist. Von den Olympischen Spielen der vergangenen 20 Jahre sind wir meiner Meinung nach die einzige Sportart, die mindestens 80 Prozent der Sportanlagen noch in Betrieb hat. Von daher kann man die Kosten noch rechtfertigen.

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SPORT1: Wie sind Sie eigentlich zum Planer der Strecke in China geworden?

Schwab: Ich bin bekannt für den Eisausbau und die Profilierung des Eises. Das wussten die vom Internationalen Bobverband und sind auf mich zugekommen. Ich habe zugestimmt und habe sehr gute Kollegen. Es ist ein Nebenjob, der mir sehr viel Spaß macht. Ich baue zu Hause auch viel selbst und bin gelernter Maurer. Das ist ein schöner Ausgleich für meinen Bürojob.

„Der wahre Drache sitzt in Kurve 13″

SPORT1: Wie sieht die Arbeit aus? Wie plant man eine Bobstrecke?

Schwab: Die Bahn habe ich ja im Auftrag des Internationalen Bobverbands nur mitgestaltet und bin nicht alleiniger Architekt, wir beraten aber die Architekten. Wir haben geschaut, dass die Planungen bei der Baumaßnahme von der Sicherheit und der Schwierigkeit passt. Das ist schwer am Papier und PC zu beurteilen, aber wir versuchen uns da einzubringen. Der Designer gibt uns meistens für die Kurven und Streckenabschnitte Möglichkeiten vor - in leicht, mittel und schwer. Wir schauen dann nach Gefühl, dass nach zwei schweren Hämmern etwas kommt, wo man etwas durchatmen kann. Die Bahn sieht ja aus wie ein Drache. Der wahre Drache sitzt aber in Kurve 13, scherzen wir oft. Es ist ein interessanter Teil, den es so auf der Welt noch nicht gibt. Wir sind zudem dafür verantwortlich, dass erhöhte Banden gebaut werden an den Stellen, wo man aus der Bahn geworfen werden könnte. An der letzten Olympiabahn haben wir noch sehr viel nachgebessert. In Peking waren wir sehr vorsichtig und haben es schon gut getroffen von vorne herein.

SPORT1: Wie schwer ist die Bahn im Vergleich?

Schwab: Die Strecke ist schon eine sehr anspruchsvolle Strecke. Bei den Damen hatten wir eine hohe Fehler- und Ausfallquote. Es ist aber nicht gefährlich. Das ist okay, wenn eine Bahn ihre Tücken hat. Nur, sie soll beherrschbar und nicht gefährlich sein.

SPORT1: Wie viel Zeit haben Sie für die Gestaltung der Strecke in Kauf genommen? Wie oft waren Sie seit dem Start der Planungen 2016 vor Olympia bereits vor Ort?

Schwab: Ich mache das ehrenamtlich und bekomme eine kleine Entschädigung dafür. Ich bin seit 2016 vielleicht zwölfmal in Peking gewesen - immer für vier Tage. Es gab einige Sitzungen in München mit dem Designer. Es war also ein gewisser Aufwand, aber nicht zu viel für mich. (SERVICE: Der Medaillenspiegel)

Schwab: Cortina-Bahn „zeitlich knapp dran“

SPORT1: Wie fanden die Athleten ihr „Baby“?

Schwab: Vorher waren sie alle ein wenig kritisch. Aber jetzt, wo sie alle ihre Medaillen geholt und die guten Leistungen gebracht haben, waren sie doch einverstanden (lacht). Wir hatten auch schon eine Feedback-Runde mit dem Designer, den Sportlern vom Bob, Rodeln und Skeleton. Der Designer hat das alles aufgenommen und wir versuchen nun, die Ansätze für das nächste Projekt zu integrieren.

SPORT1: Wie hat der tödliche Unfall des georgischen Rennrodlers Nodar Kumaritaschwili in Whistler 2010 die Planungen neuer Strecken beeinflusst? Was wurde seitdem verändert oder verboten?

Schwab: Es wurde nichts verboten, aber wir haben dadurch viele Erfahrungswerte bekommen und lassen diese natürlich einfließen. Es gab einen guten Grund, weshalb der Athlet an der Stelle aus der Bahn geflogen ist. Diese Stellen, wo man dann abheben kann, versuchen wir nun schon immer beim Design zu vermeiden. Zum Schluss kann man es aber leider nicht 100 Prozent sicher planen. Beim Königssee haben wir zum Beispiel zuletzt eine Bandenerhöhung gemacht, weil jemand an dieser Stelle fast aus der Bahn geflogen wäre. Diesen Eiskanal gibt es mehr als 45 Jahre. Da sieht man, wie unberechenbar das oft wird, wenn einer von der Fahrlinie abkommt. Man lernt nie aus. (DATEN: Der Zeitplan von Olympia 2022)

SPORT1: Für Olympia 2026 in in Mailand und Cortina d‘Ampezzo planen Sie auch die Bobstrecken. Wann starten dort die Arbeiten?

Schwab: Wir sind schon dabei und haben erste Sitzungen gehabt. Wir haben ein konkretes Vorgehen beschlossen. Langsam soll dann mit Erdbewegungen begonnen werden. Es muss auch losgehen, weil man es sonst nicht schafft. Fast zwei Jahre vor den Wettkämpfen muss ja alles offiziell abgenommen und auch gefahren werden. Wir sind zeitlich knapp dran.

Alles zu den Olympischen Spielen 2022: