Denkwürdige Szenen im Hochsprung bei Olympia - in mehrerlei Hinsicht: Erstmals gibt es in der klassischen Disziplin zwei Olympiasieger. Und einer der beiden sorgte danach für das emotionale Highlight des Tages.
Vor Gold-Ekstase: Kampfrichter führt irren Dialog
Der Italiener Gianmarco Tamberi und Weltmeister Mutaz Essa Barshim aus Katar übersprangen in Tokio beide 2,37 m und scheiterten dann jeweils an 2,39 m. Da beide die gleiche Anzahl an Fehlversuchen hatten, ereignete sich ein außergewöhnlicher Dialog mit dem Kampfrichter. “Ihr könnt weiterspringen”, erklärte der Offizielle. “Können wir zweimal Gold haben”, fragte daraufhin Katari Barshim. “Das ist möglich”, bestätigte der Kampfrichter.
Barshim nickte in der Folge nur noch, Tamberi konnte sein Glück kaum fassen. Erst gaben sich beide noch fair die Hand, dann brachen sich die Emotionen Bahn.
Gianmarco Tamberi: Happy End nach Albtraum
Tamberi sorgte nach Verkündung des Doppel-Golds für Szenen, die sich in wohl jedem Olympia-Rückblick wiederfinden werden. Der 29-Jährige geriet in völlige Ekstase, ließ seinen Emotionen freien Lauf - und schien immer noch voller Glückshormone, als er später erster Gratulant seines Landsmanns Lamont Marcell Jacobs nach dessen Sensationssieg über 100 Meter war.
Für Tamberi war sein geteilter Sieg das Happy End fünf Jahre, nachdem er einen Olympia-Albtraum erlebt hatte: Vor den Spielen in Rio 2016 war er in Hochform und Favorit - ehe ihn kurz vor Olympia-Start eine Bänderverletzung schachmatt setzte.
“Ich würde gerne sagen, ich werde noch stärker zurückkommen. Aber im Moment kann ich nur weinen”, äußerte der frustrierte Tamberi damals. Er ist tatsächlich stärker zurückgekommen - und weinte nun Tränen der Freude.
Zweites Gold für Katar
Der 30 Jahre alte Barshim, der 2012 Bronze und 2012 Silber geholt hatte, sicherte Katar derweil die zweite olympische Goldmedaille in der Landesgeschichte. Einen Tag zuvor hatte Gewichtheber Fares El-Bakh triumphiert. Ex-Europameister Tamberi (29) hatte nie zuvor eine Olympia-Medaille gewonnen.
“Es ist unwirklich, es ist verrückt, ich bin so glücklich”, sagte Barshim, “diese Medaille fehlte mir noch, jetzt bin ich komplett. Es ist ein großartiges Gefühl, das Gold mit Marco zu teilen.”
Die Bronzemedaille sicherte sich derweil der Belarusse Maxim Nedasekau, der ebenfalls auf 2,37 m kam.
JuVaughn Harrison (USA), mit dem Ziel angetreten, als erster Leichtathlet seit 1896 Gold sowohl im Hoch- wie im Weitsprung zu holen, kam mit 2,33 m auf Rang sieben. Am Montag (10.20 Uhr MESZ) hat er im Weitsprung-Finale seine zweite Medaillenchance.
Rio-Olympiasieger Derek Drouin (Kanada) hatte es nach langwierigen Verletzungsproblemen nicht nach Tokio geschafft. Der formschwache Europameister Mateusz Przybylko (Leverkusen) war in der Qualifikation am Freitag klar gescheitert. Seit dem Olympiasieg von Dietmar Mögenburg 1984 in Los Angeles hat kein deutscher Hochspringer eine Medaille geholt.