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Olympia 2021: Doping-Experte Fritz Sörgel über Marcell Jacobs

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Olympia 2021: Doping-Experte Fritz Sörgel über Marcell Jacobs

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Supersprinter Jacobs: Doping-Experte prangert an

Bei Olympia in Tokio überrascht Italiens Sprinter Lamont Marcell Jacobs mit zwei Goldmedaillen. Zwielichte Personen hinter Jacobs lassen aufhorchen. Bei Doping-Experte Professor Fritz Sörgel schrillen die Alarmglocken.
Der italienische Sprinter Lamont Marcell Jacobs ist nach seinem sensationellen Olympiasieg über 100 Meter wegen zweifelhafter Kontakte ins Zwielicht geraten.
Bei Olympia in Tokio überrascht Italiens Sprinter Lamont Marcell Jacobs mit zwei Goldmedaillen. Zwielichte Personen hinter Jacobs lassen aufhorchen. Bei Doping-Experte Professor Fritz Sörgel schrillen die Alarmglocken.

Zu den größten Überraschungen der Olympischen Spiele in Tokio zählen die Erfolge der italienischen Leichtathleten.

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Während sich das deutsche Team mit drei Medaillen (Malaika Mihambo, Kristin Pudenz und Jonathan Hilbert) begnügen musste, feierte Italien im Olympiastadion fünfmal Gold.

Besonders erstaunlich waren die Leistungen der Sprinter. Während das US-Team ein historisches Debakel erlebte, sorgte Lamont Marcell Jacobs mit seinem Sieg über die 100 Meter und mit der 4x100-Meter-Staffel für ungläubiges Staunen.

Prompt wurde über die Leistungssprünge des in den USA geborenen 26-Jährigen, der 2018 bei der EM in Berlin noch mit 10,28 Sekunden im Halbfinale scheiterte, gerätselt.

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Am Samstag kamen über einen Bericht der englischen Times Details ans Tageslicht, die einige Doping-Experten hellhörig machen - unter anderem Fritz Sörgel.

Beim Professor für Pharmakologie klingeln sofort alle Alarmglocken, wie er im Gespräch mit SPORT1 verrät.

SPORT1: Herr Sörgel, die Leistungssprünge in der Leichtathletik sind schon sehr augenscheinlich. Kann man das alles auf die Schuhe und die schnelle Bahn schieben?

Sörgel: Die Frage, die im Raum steht: Wie sind die vergangenen 15 Monate verbracht worden, was das Training und das Stimulieren mit chemischer Hilfe betrifft? Das ist etwas, bei dem man niemand Speziellen verdächtigen kann. Von den Zahlen her haben wir aber zuverlässige Daten, die besagen, dass Dopingtests im vergangenen Jahr bis auf zehn Prozent oder noch weniger zurückgegangen sind. Wenn die Zahlen bei uns schon so weit zurückgehen, wo Dopingtests unter einer starken medialen Kontrolle sind, darf man davon ausgehen, dass es in anderen Ländern, bei denen wir wissen, dass sie etwas oberflächlicher testen - wie Italien, Spanien oder Slowenien - erst recht so ist. An so eine Leistungsexplosion der Italiener kann ich mich bei den vergangenen fünf, sechs Olympischen Spielen nicht erinnern.

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SPORT1: Bei den Spielen 2016 in Rio hatte Italien keine einzige Medaille in der Leichtathletik gewonnen …

Sörgel: Es ist auch vor dem Hintergrund passiert, dass die US-Amerikaner, was die Sprintdisziplinen betrifft, einen Totalschaden hingelegt haben. Dass dann ein anderes Land gewinnt, ist nicht verwunderlich. Aber man würde dann an andere Länder denken als an Italien.

“Dieser Herr Spazzini ist ein Krimineller”

SPORT1: Erstaunlich ist vor allem die Entwicklung des 100-Meter-Siegers Marcell Jacobs, der sich innerhalb eines Jahres um mehrere Zehntelsekunden verbessert hat. Klingeln bei ihnen die Alarmglocken, wenn Sie solche Leistungssprünge bei einem 26-Jährigen sehen?

Sörgel: Auf jeden Fall. Mit zunehmendem Alter versucht man den Abbau in Griff zu bekommen. Wenn man eine Grundversorgung mit Dopingmitteln macht, kann es unter bestimmten Bedingungen zu einer Leistungsexplosion kommen. Es war überraschend, aber es könnten einfach mehrere Dinge zusammengekommen sein.

SPORT1: Am Samstag berichtete die englische Times, dass sich Jacobs im März von seinem Ernährungsberater trennen musste, weil gegen diesen in Italien wegen des betrügerischen illegalen Handels mit Steroiden ermittelt wird. Das stärkt nicht unbedingt das Vertrauen in Jacobs, oder?

Sörgel: Keineswegs. Zunächst muss man sich wundern, dass solch ein System von den Sport-Verantwortlichen in Italien nicht früher beobachtet wurde und Konsequenzen gezogen wurden. Immerhin war Jacobs bis März Kunde bei den so genannten “Ernährungsberatern”. Es ist ja ein sehr geschicktes Modell, dass in einem Fitnesscenter, wo normalerweise Anabolika eine Rolle spielen, solche “Ernährungsberater” zugegen sind. Die haben auch noch ein paar andere Dinge parat, als nur Empfehlungen für die Ernährung. Aufgedeckt wurde die Sache durch einen Apotheker.

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SPORT1: In diesem Fall handelt es sich bei dem “Ernährungsberater” um Giacomo Spazzini, einem Profi-Bodybuilder und Fitnesstrainer, der mit gefälschten Rezepten schwunghaften Handel mit leistungssteigernden Präparaten betrieben haben soll …

Sörgel: Dieser Herr Spazzini ist ein Krimineller, der an Betrug und Diebstahlverfahren beteiligt war. Dass Jacobs auch in diesem Schuppen war, sagt einiges aus. Dort gab es Rezeptfälschungen, um an bestimmte Medikamente zu kommen. Natürlich erinnert dies auch an die Geschichte in Freiburg, wo solche Dinge auch schon passiert sind. Es ist also im Prinzip nichts wirklich Neues - einfach nur ein italienisches Modell.

“Das erinnert fast an Giorgio Chiellini”

SPORT1: Um welche verbotenen Substanzen ging es dabei?

Sörgel: Um Anabolika und Wachstumshormone. Die Drecksarbeit ließ dieser Herr Spazzini natürlich andere Leute machen, so ist anzunehmen, dass er selbst aus der Geschichte herauskommt. Wie gesagt, sind die Kontrollen in Italien vor den Olympischen Spielen sicher nicht adäquat gewesen - und jetzt erfahren wir auch, dass es geschickt gemacht war.

SPORT1: Wie ist die Sache dann ins Rollen gekommen?

Sörgel: Spazzini hat natürlich behauptet, er hätte mit der Sache nichts zu tun, weil er gar kein Ernährungsberater sei. Zunächst hatte er sich allerdings als Ernährungsberater verkauft, denn gerade durch seine Interviews nach dem Sieg von Jacobs ist ja die Sache erst richtig ins Rollen gekommen. Bekannt war dieses Geschäft von Herrn Spazzini schon mindestens zwei Jahre, weil es einen Bericht von Sky dazu gab. Außerdem versucht man Jacobs als sehr sympathischen Sportler darzustellen, er sei ein Kumpeltyp. Das erinnert dann fast an den Fußballer Giorgio Chiellini, der bei der EM ja auch viel für die Sympathie der Mannschaft tat.

SPORT1: Insgesamt gab es während der Spiele kaum positive Dopingtests. Ist das ein Anzeichen dafür, dass tatsächlich weniger gedopt wird?

Sörgel: Nein, wirklich nicht. Das hatten wir auch bei den vergangenen Olympischen Spiele so. In Rio war es auch nur der kasachische Gewichtheber Isat Artykow, der ein altmodisches Dopingmittel, nämlich Strychnin, genommen hatte. Während der Spiele werden nur blutige Amateure erwischt, die sich wirklich mit Doping nicht auskennen und auch nicht die entsprechende Beratung haben. Spektakuläre Fälle hat es da nicht gegeben, obwohl von London noch die eine oder andere Medaille aberkannt wurde. Aber ich denke auch, das wird bei den Spielen weniger der Fall sein, obwohl Mario Thevis im ZDF zurecht den immer besser werdenden Nachtests eine besondere Rolle zuspricht. Die Nachtests und immer feiner werdenden Methoden machen es schwerer, da unentdeckt zu bleiben.

SPORT1: Im Schwimmen gab es den US-Amerikaner Ryan Murphy, der seinem russischen Konkurrenten Jewgeni Rylow offen Doping vorgeworfen hat, da er zwar nicht unter russischer Flagge gestartet ist, aber doch irgendwie Teil des russischen Systems sei. Gibt es immer noch einen Generalverdacht gegen die russischen Starter?

Sörgel: Der Generalverdacht wird auf lange Zeit bleiben. Die Dinge hängen auch mit dem politischen System zusammen, man traut dem Land und der politischen Führung nicht. Insofern war der Vorwurf nicht überraschend. Wenn er keine persönliche Aversion gegen seinen Konkurrenten hat, kann es ein Sportler, der seinen Konkurrenten neben sich schwimmen sieht, eigentlich am besten beurteilen, ob hier unsaubere Dinge gelaufen sind.

Alles zu den Olympischen Spielen 2021 bei SPORT1: