Das olympische Reitdrama im Modernen Fünfkampf um Annika Schleu erhitzt immer noch die Gemüter.
Schleu: So geht es dem Pferd “Saint Boy”
Während die Bundestrainerin Kim Raisner ausgeschlossen wurde, erhielt Schleu zahlreiche Haas-Nachrichten im Netz. Nun hat sie im ZDF ausführlich über die aufwühlenden Geschehnisse gesprochen.
“Ich denke, man sieht auch, dass ich es erst versucht hab, mit der Stimme, mit der Hand, die Hand vorzugeben, mit den Beinen zu reiten, weil auch wir eigentlich nicht als allererstes die Gerte zücken. Dann noch eine Aufforderung an der Schulter” sagte die 31-Jährige.
Sie wehrt sich deshalb auch weiter entscheiden gegen den Vorwurf der Tierquälerei: “Erst nach einer Weile des Ungehorsams des Pferdes habe ich es dann doch mal mit der Gerte auf dem Hintern des Pferdes probiert, es dazu zu überreden, mit mir doch in den Parcours zu gehen.”
Schleu: “War mir keiner Tierquälerei bewusst”
In der Fünfkampf-Entscheidung in Tokio war Schleu als Führende in die dritte Teildisziplin Reiten gestartet. Auf dem ihr zugelosten “Saint Boy” hatte zuvor schon eine russische Reiterin mit drei Verweigerungen große Probleme gehabt.
Noch bevor Sportsoldatin Schleu in den Parcours reiten konnte, blockte das Tier allerdings ab. Unter Tränen versuchte Schleu das offensichtlich heftig verschreckte Pferd mit Gerte und Sporen unter Kontrolle zu bringen - ohne Erfolg.
Für Schleu war “es schwierig, in der Situation damit umzugehen”, aber: “Ich war mir eigentlich keiner Tierquälerei bewusst.” Dennoch hat sie laut eigener Aussage auch etwas falsch gemacht: “Mein Fehler war, ich hätte etwas besonnener und ruhiger reagieren können, was in der Situation natürlich schwierig war.”
Ähnlich angespannt war laut Schleu auch Bundestrainerin Raisner, die ebenfalls wenig besonnen reagiert hatte und “Hau drauf! Hau richtig drauf!” gerufen sowie einen verbotenen Fausthieb auf das Pferd versucht hatte. Dafür wurde sie mittlerweile von den Spielen ausgeschlossen.
Pferd “Saint Boy” nicht im Männer-Wettkampf
Doch wie geht es eigentlich dem Pferd “Saint Boy”? Schleu dazu: “Ich denke, es geht ihm gut. Er wurde bewusst nicht den Wettkampf der Männer mitgenommen, weil es für das Pferd emotional eine schwierige Situation war. Der hat heute Ruhe bekommen.”
Schleu bekam in den Sozialen Netzwerken alles andere als Ruhe seit dem Vorfall und sah sich deshalb sogar gezwungen, aufgrund der zahlreichen Beleidigungen und Hass-Nachrichten ihren Instagram-Account zu deaktivieren. Sogar ihr Freund und ihre Mutter mussten selbiges tun.
“Ich hoffe, dass es sich irgendwann wieder beruhigt und dass die Menschen mich auch verstehen können und mir glauben können, dass ich nie erwartet hätte, jemals in meinem Leben als Tierquälerin beschimpft zu werden”, sagte Schleu dazu.
Moderner Fünfkampf: Mountainbike statt Reiten?
Eines hat die Situation auf alle Fälle gezeigt - und zwar, dass im Modernen Fünfkampf etwas passieren muss. Die Vorschläge reichen davon von “eigenes Pferd im Wettkampf verwenden dürfen” bis zu “Reiten komplett streichen und durch etwas anderes wie Mountainbike zu ersetzen”.
Schleu dazu: “Ich bin absolut der Meinung, dass sich etwas ändern muss, weil wir reden zum einen vom Tierwohl, wir reden auch gleichzeitig davon, dass wir Athleten natürlich es auch gerne so hätten, dass es immer verlässlich ist, dass man seine Leistung auch präsentieren kann.”
Allerdings würde ihr “das Herz brechen, wenn das Reiten beim Fünfkampf gestrichen wird, weil ich wirklich sehr, sehr gerne reite”. Und weiter: “Ich reite tausendmal lieber, als dass ich Rad fahre. Aber wenn man sagt, das ist nicht mehr zeitgemäß, dann muss der Fünfkampf auch für Alternativen offen sein.”
Springreiter fordern Änderungen nach Medaille
Aber nicht nur im Modernen Fünfkampf werden Regeländerungen gefordert. Beim Mannschaftswettbewerb Springreiten haben sich sowohl Olympiasieger Schweden als auch Silbermedaillengewinner USA für eine Änderung ausgesprochen, obwohl sie von einer neuen Regel profitiert hatten.
“Es war mit Streichresultat besser”, sagte der Schwede Henrik von Eckerman und erhielt Unterstützung vom US-Amerikaner McLain Ward: “Kein Streichresultat zu haben, wenn es um lebende Tiere geht, erhöht den Druck auf die Situation zu sehr.”
Ward weiter: “Ich hoffe, sie ändern es wieder, denn es verursacht zu viel Stress für die Pferde. Ich will, dass sie zurückgehen oder einen Kompromiss finden, bei dem sie die Interessen der Olympischen Spiele und der TV-Rechteinhaber, aber auch die unseres Sports und vor allem das Wohl der Pferde berücksichtigen.”