Da stand er bei der Siegerehrung. 1,92 Meter groß, knapp 90 Kilogramm schwer, ein Modellathlet. Sebastian Brendel hatte seine Goldmedaille um den Hals und lauschte andächtig der Nationalhymne.
Kanu-König widmet Gold totem Trainer
Er hatte schon ein paar Mal schlucken und kurz eine Träne wegwischen müssen. Kurz vor dem Ende der Hymne konnte Brendel aber nichts mehr zurückhalten. Auf dem Siegerpodest weinte er.
"Da kam irgendwie alles zusammen: Die Freude, die Emotionen und natürlich auch die Nachricht gestern", so Brendel nach seinem Rennen auf SPORT1-Nachfrage. "Das kann man einfach nicht ausblenden."
Dann zeigte er auf seine Gold-Medaille und sagte: "Natürlich habe ich die hier auch ein Stück weit für Stefan Henze gewonnen. Das geht uns allen sehr nah!" Wieder musste er schlucken, wieder wurden die Augen feucht.
Gold von Henze-Schock überschattet
Was für ein emotionaler Tag für die deutsche Kanu-Mannschaft. Wohl selten lagen Freude und Trauer in einem olympischen Rennen so nah beieinander. Wie ein schwarzer Schatten lag die Nachricht vom Tod von Kanu-Trainer Stefan Henze über dem ersten Kanu-Renntag.
Henze war am Freitag auf dem Weg ins Olympische Dorf bei einem tragischen Autounfall verunglückt. Das Taxi, in dem der 35-Jährige saß, prallte gegen einen Mast, Henze wurde durch die Scheibe auf die Straße geschleudert.
Am Montag erlag der Kanu-Trainer nach tagelangem Kampf seinen schweren Kopfverletzungen. Seine Eltern und sein Bruder waren noch aus Deutschland angereist und verabschiedeten sich von Henze. Seine Freundin sei, so der DOSB, "in Gedanken bei ihm gewesen".
Schwierige Situation für Brendel und Co.
Besonders tragisch: Keine 24 Stunden nach der Todesnachricht mussten die Kanuten in ihren olympischen Wettkampf starten. Zwar betreute Henze die Slalom-Spezialistin Melanie Pfeifer aus Augsburg und nicht die Kajak oder Canadier-Fahrer. Die Kanuten verstehen sich aber als große Familie. Entsprechend groß die Betroffenheit bei Athleten und Funktionären.
Umso beachtlicher, dass die Mannschaft gewohnt souverän Medaillen sammelte.
Bestes Beispiel: Sebastian Brendel. Der 28-Jährige war über 1000 Meter im Canadier Einer souverän zu Gold gepaddelt und hatte seinen Olympiasieg von 2012 verteidigt. Nach dem Rennen ballte Brendel zwar die Faust und stieß einen Jubelschrei aus. Schon kurze Zeit später erinnerte er aber an das verstorbene Team-Mitglied Henze.
"Für Stefan"
Auch Verbandspräsident Thomas Konietzko, im dunklen Anzug an der Strecke, sagte unmittelbar nach Brendels Gold-Rennen: "Wir haben uns vorgenommen, für Stefan zu fahren und das hat geklappt. Das macht die Situation etwas erträglicher. Die letzten Tage waren schrecklich."
Konietzko hatte Brendel in der Mixed Zone zuvor innig umarmt und zu ihm gesagt: "Überragend, was du hier geleistet hast. Ich bin so stolz auf Dich!"
Weber/Dietze holen Silber
Nur eine halbe Stunde später konnte Konietzko die nächsten Athleten in den Arm schließen. Da paddelten auch Franziska Weber und Tina Dietze zu einer Medaille. Sie musste sich im Kajak Zweier nur um Haaresbreite den Ungarinnen geschlagen geben und holten Silber. Nach kurzer Enttäuschung über Platz zwei überwog auch bei den beiden die Freude.
Anschließend äußerte sich aber auch Weber zum toten Henze: "Das ist ein wahnsinniger Schock für uns. Wir haben bis zuletzt gehofft, dass Stefan es doch schafft", sagte sie zu SPORT1.
"Das sind Dinge zwischen Erde und Himmel, die kann keiner beschreiben. Dass so etwas ausgerechnet hier passiert, wo eigentlich der Sport und die Freude im Vordergrund stehen sollten, ist so tragisch."
Trauerfeier für Henze in Rio
Sicher trübe die Nachricht ein wenig die Freude über die Medaillen, so Weber weiter. "Das geht an keinem spurlos vorbei. Natürlich werden wir mit allen Athleten und mit unserer Mannschaft Abschied nehmen."
Das wird schon in Rio passieren. Am Dienstagnachmittag (16 Uhr Ortszeit) veranstaltet der DOSB gemeinsam mit dem Kanu-Verband eine kleine Gedenkfeier. "Das ist ein würdiger Rahmen, um mit der Trauer umzugehen", so der sichtlich ergriffene Kanu-Chef Konietzko.
Weitere Pläne seien noch nicht spruchreif. Konietzko stellte aber klar: "Wir werden aber auch in Deutschland mit der gesamten Kanu-Familie noch die Möglichkeit finden, zu trauern."