War es eine Entlassung oder ein freiwilliger Rücktritt? Fest steht: Die Ablösung des Deutschen Nils Wittich als Rennleiter der Formel 1 wirft Fragen auf.
Rennleiter-Abgang wirft Fragen auf
Hintergrund: Der Weltverband FIA hatte am Dienstag in einer Erklärung mitgeteilt: „Die FIA kann bestätigen, dass Niels Wittich von seiner Position als F1-Renndirektor zurückgetreten ist, um sich neuen Möglichkeiten zu widmen. Niels Wittich hat seine zahlreichen Aufgaben als Renndirektor mit Professionalität und Hingabe erfüllt. Wir danken ihm für sein Engagement und wünschen ihm das Beste für die Zukunft.“
„Bin nicht zurückgetreten“
Kurios: Wenig später schimpfte Wittich beim Motorsport-Magazin: „Ich bin nicht zurückgetreten“. Demnach soll er erst kurz vor der Presseaussendung der FIA von seinem Abgang erfahren haben.
SPORT1 erfuhr aus FIA-Kreisen: Der Weltverband besteht weiterhin auf seine Aussagen. Was Wittich erzähle, sei ganz alleine seine Sache. Hinter vorgehaltener Hand wird ihm nicht nur beim Automobilweltverband vorgeworfen, er hätte sich selbst wichtiger genommen als seine Arbeit als Rennleiter und zu sehr den Kontakt mit der Presse gesucht.
Dazu passt, dass RTL-Kommentator Christian Danner beim Motorsport-Magazin nun Partei für Wittich ergreift. Danner bezeichnet die Entlassung als „skandalös“ und behauptet, FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem hätte ihn geopfert, um von eigenen Problemen abzulenken.
Sao Paulo brachte Fass zum Überlaufen
SPORT1 erfuhr indes aus Formel-1-Teamkreisen: Man war in letzter Zeit nicht immer einverstanden mit den Entscheidungen von Wittich, der 2022 das Amt vom umstrittenen Australier Michael Masi übernommen hatte. Das Fass lief über, als er beim verregneten Qualifying in Sao Paulo bei drei roten Flaggen zu unterschiedlich reagierte.
Nach dem Unfall von Ferrari-Pilot Carlos Sainz dauerte es nur sieben Sekunden bis zum Abbruch. Beim Crash von Franco Colapinto vergingen 22 Sekunden bis zur roten Flagge. Als Aston-Martin-Pilot Lance Stroll mit abgeknickten Hinterrad an der Streckenbegrenzung parkte, brauchte die Rennleitung sogar 51 Sekunden bis zum Abbruch. Dadurch schied Red-Bull-WM Anwärter Max Verstappen in Q2 aus und Titelkonkurrent Lando Norris (McLaren) war der große Gewinner. Viele sprachen von Willkür und sahen dabei eine klare Bevorteilung von McLaren.
Fest steht: Wittich hat sich mit seiner bisweilen intoleranten Art auch in der DTM keine Freunde gemacht. Dort war der gebürtige Erlenseer bis 2021 als Rennleiter tätig. DTM-Chef Gerhard Berger war aus ähnlichen Gründen mit ihm unzufrieden, die jetzt hinter vorgehaltener Hand von der FIA genannt werden.
Marko lobt FIA-Entscheidung
Mit Wittich-Nachfolger Rui Marquez hofft die FIA jetzt wieder einen Rennleiter gefunden zu haben, der für Ruhe und Akzeptanz sowohl bei Fahrern als auch bei Teams sorgt. Die Vorzeichen stehen gut. Grund: Der Portugiese, der in den letzten beiden Jahren als Rennleiter der Nachwuchsklassen Formel 2 und Formel 3 fungierte, hat dort mit seiner sachlichen unaufgeregten Art Lob von allen Seiten bekommen.
„Er hat einen sehr guten Job gemacht“, sagt beispielsweise Red-Bull-Chefberater und Nachwuchskoordinator Helmut Marko zu SPORT1. Marko: „Ich denke, die FIA hat eine gute Entscheidung getroffen, ihn jetzt als Nachfolger von Wittich zu präsentieren.“