Da ist dieses Foto, schwarzweiß natürlich, es war schließlich eine ganz andere Zeit. Jochen Rindt mag 18, 19 Jahre alt sein, er sitzt am Steuer eines weißen PKW, auf der Fahrertür prangt übergroß die Startnummer 109. Rindts Haar ist zerzaust, er trägt einen Norweger-Pullover, einen schwarzen Schal und Lederhandschuhe, der linke Arm hängt lässig aus dem Fenster.
Ein Champion über den Tod hinaus
Es muss ein Bild aus jenen Tagen sein, in denen der Junge aus Graz seinen Berufswunsch in Stein meißelt: „I werd a Rennfoara.“ Am 18. April wäre Jochen Rindt 82 Jahre alt geworden, sein Tod ist inzwischen 54 Jahre her.
Jochen wächst bei den Großeltern auf, nachdem seine Eltern Karl und Ilse im Juli 1943 bei einem Luftangriff auf Hamburg ums Leben gekommen sind. Großvater Hugo Martinowitz, ein bekannter Rechtsanwalt, möchte seinen Enkel eigentlich in der Juristerei sehen. Er stimmt aber zu, als es darum geht, dem rebellischen Jungen zum 16. Geburtstag das heißersehnte Moped zu schenken.
1961 fahren Rindt und sein Kumpel Helmut Marko zum Nürburgring, dort sieht der junge Wilde mit dem markanten Gesicht die Formel 1 zum ersten Mal live. Kurzerhand beschließt er, mit dem gediegenen Auto der Großmutter, einem Simca Monthlery, beim Flugplatzrennen in Innsbruck zu starten. Natürlich verpasst Rindt den Nennungsschluss und wird erst nach prominenter Fürsprache eines hohen österreichischen Funktionärs zugelassen.
Rindt landet 1964 in der Formel 1
Einen Namen macht sich Rindt bei seinem ersten Rennen wahrlich nicht, doch er hat in Innsbruck etwas gespürt: Die Formel Junior ist ebenfalls dabei, und die Faszination der offenen Monoposti katapultiert ihn aus der Beschaulichkeit des Simca Monthlery mitten hinein in eine Welt, die ihm neun Jahre später zum Verhängnis werden soll.
Über Touren- und Sportwagen-Rennen, über die Formel Junior und die Formel 2 landet Jochen Rindt 1964 in der Formel 1. Beim Großen Preis von Österreich in Zeltweg steuert er einen Brabham-BRM, den er allen technischen Widrigkeiten zum Trotz 58 Runden lang auf Kurs hält, ehe die Lenkung versagt.
Das Ziel sieht Rindt nicht, doch die Renn-Szene hat ihn gesehen, diesen wilden, unerschrockenen Jungen, der so gar keine Angst vor den großen Namen hat. Für die Saison 1965 bekommt Rindt einen Vertrag als Werksfahrer im Cooper-Team. Der Rest ist Geschichte.
Lotus zerschellt an der Leitplanke
Zwei weitere Schwarzweiß-Fotos erzählen die Geschichte zu Ende. Auf dem ersten sieht man, wie die Nase von Rindts Lotus beim Anbremsen auf die Parabolica in Monza fast den Asphalt berührt.
Das letzte Foto ist an derselben Stelle entstanden, eine Runde später. Rindt hat den Kopf nach rechts gedreht, er weiß, dass sich das rechte Vorderrad nicht mehr einbremsen lässt. Sekundenbruchteile später bricht die Bremswelle, der Lotus wird zum unkontrollierbaren Geschoss, das an der linken Leitplanke zerschellt.
Es ist der 5. September 1970, um genau 15.25 Uhr steht die Formel-1-Welt still. Als sie sich langsam weiterdreht, fehlt einer.
Jochen Rindt, der Draufgänger, der Waghalsige, der Mutige, der Begnadete, der Lässige, der Coole, der Charmeur, der Publikumsliebling, der Ehemann, der Vater, der erste Popstar der Formel 1. Und zwei Monate nach seinem Tod ihr Weltmeister. Der einzige, der posthum geehrt wurde.