Kaum gewinnt Lando Norris in Miami seinen ersten Grand Prix, kriegt er davon schon gar nicht mehr genug. Nach dem Qualifying in Imola ärgert er sich jedenfalls über die verpasste Pole-Position: „Immer, wenn du nicht mal ein Zehntel langsamer bist, fragst du dich, wo das letzte Quäntchen lag. Ich bin mir sicher, die Pole war drin.“
Kann er Verstappen stoppen?
Seinem Teamkollegen Oscar Piastri fehlen auf Red-Bull-Star Max Verstappen gerade mal 73 Tausendstelsekunden, Lando Norris 91 Tausendstel. Das ist nicht einmal ein Wimpernschlag. Mehr noch: Am Freitag drehte McLaren die schnellsten Longrun-Zeiten. „Für mich ist McLaren daher der Favorit auf den Sieg“, lehnt sich Sky-Experte Timo Glock aus dem Fenster.
Auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff gibt ohne Umschweife zu: „McLaren scheint hier das schnellste Auto zu haben. Aber es gibt halt auch noch den Verstappen-Faktor.“
Ist McLaren siegfähig?
Und der hat voll zugeschlagen: Achte Pole-Position in Folge – das gelang nur Ayrton Senna 1988/1989. Damals übrigens für McLaren. Und Verstappen startete jetzt bei den ersten sieben Saisonrennen von der Pole – das gelang sonst nur Alain Prost 1993 im Williams-Renault.
Bleibt die Frage, wie lange Verstappen noch Rekorde niederreißt - und ob er mit McLaren einen echten Gegner bekommt.
Norris stapelt zunächst mal tief: „Hier ist das Überholen extrem schwierig. Vor allem, wenn die Zeitunterschiede so gering sind.“ Verstappen kontert: „Die Longrun-Zeiten von McLaren waren gut. Jetzt haben wir eine bessere Fahrzeugbalance, mal schauen, ob wir näher dran sind.“
Umfassendes McLaren-Update
Piastri bringt es auf den Punkt: „Normalerweise würden wir auf die Frage, ob wir Chancen auf den Sieg haben, immer mit ‚Nein‘ antworten. Jetzt können wir immer öfter auch ‚Ja‘ sagen.“ Für Piastri, der im Qualifying schneller als Norris war, wird es aber noch schwieriger. Weil er im ersten Quali-Abschnitt Kevin Magnussen behindert hat, muss er nach einer Strafe von Platz fünf statt zwei starten.
Selbst eine Attacke auf Red Bull in der WM ist nicht unrealistisch: Norris‘ Rückstand auf den Niederländer beträgt 53 Punkte. Bei noch 14 Rennen ist theoretisch alles drin.
Fest steht: McLaren hat die Lücke zu Red Bull verkleinert - dank eines Updates, das Norris schon in Miami zum Sieg getragen hat. Das Update umfasst nicht nur eine neue Aerodynamik wie einen neuen Frontflügel, Seitenkästen, Unterboden und Bremsbelüftungen.
McLaren hat auch das Konzept unter der Haube verändert: Die Kühler wurden versetzt und die vordere Aufhängung neu gestaltet. Der neue Windkanal liefert wie schon mit dem Mega-Update 2023 Ergebnisse, die auch in der Realität stimmen.
Teamchef lernt von Schumacher
Dazu kommt: Das Team spielt sich nach der jahrelangen Aufbauarbeit immer besser ein. McLaren-Chef Zak Brown lobt Teamchef Andrea Stella: „Ich könnte mir keinen besseren Teamchef vorstellen als Andrea“, schwärmt Brown. „Seine Führungsqualitäten, er hört zu, er kommuniziert, er denkt nach und er arbeitet hart. Und fordert auch eine hohe Performance. Das strahlt auf alle in der Fabrik ab.“
Stella hat von den Besten gelernt. Der 53-Jährige startete seine Formel-1-Karriere 2000 bei Ferrari, arbeitete sich dort nach oben. Schon 2002 war er Performance-Ingenieur von Michael Schumacher – in einer Phase, als dieser die WM dominierte. Der Italiener arbeitete danach auch mit Kimi Räikkönen und Fernando Alonso zusammen, mit dem er 2015 zu McLaren gewechselt ist.
Seit Andreas Seidl vor der Saison 2023 das Team Richtung Audi verlassen hat, ist Stella aufgerückt. Und baut das Team weiter auf: 850 Leute arbeiten schon in der Fabrik in Woking.
McLaren will so an alte Erfolge anknüpfen – unter anderem aus der Zeit mit Ayrton Senna im Auto. Dessen Rekorde werden gerade von Verstappen niedergerissen. Jetzt liegt es an McLaren, diese Rekordjagd zu stoppen.