Hallo F1-Fans,
Ein Triumph gegen die Langeweile
es gibt sie noch, die bunte Formel-1-Welt! Erfrischend, mal einen Sieger feiern zu können, der nicht Verstappen heißt und das aus eigener Kraft geschafft hat. Miami war das Zuschauen wert, liebe F1-Fans. Der besondere Asphalt mit einer ganz eigenen Betonmischung auf dem Parkplatzgelände vor dem Hard Rock Stadium hat dafür gesorgt, dass Max Verstappen und Sergio Pérez das gesamte Wochenende Eisparkett-Feeling hatten. NO GRIP, HORRIBLE, das Auto lässt sich nicht in die Kurven lenken wie gewohnt – so hörte man den Niederländer permanent über Funk klagen. Dank eines großen Updates bei McLaren, das komplett nur Sieger Lando Norris, in Teilen Teamkollege Oscar Piastri zur Verfügung stand, geben im Sonntagsrennen die Papaya-Orangen den Ton an.
Piastri kassiert Leclerc für Platz zwei, geht später sogar in Führung. Dumm für den Australier, dass er von Sainz später rausgekegelt wird und ans Ende des Feldes zurückfällt. Sainz bekommt im Nachgang dafür eine Strafe und verliert Platz vier. Dabei wäre ohne das ungestüme Vorgehen gegen Piastri für ihn sogar ein Sieg drin gewesen. Ebenso auch ein Doppel-Podium für McLaren. Das alleine zeigt, was in diesem Grand Prix alles drinsteckt.
Viele Autoberührungen in Miami
Schon beim Start heißt es Ohren anlegen beim Harakiri-Manöver von Pérez, der wie eine Kanonenkugel die erste Kurve überschießt, den Diffusor von Teamkollege Verstappen um Millimeter verpasst und gerade so an Leclerc und Sainz vorbeifliegt. Der Mexikaner hätte beinahe für ein Grande Casino gleich auf den ersten Metern gesorgt. Die Zeitlupen lassen einem die Haare zu Berge stehen.
Die Charakteristik des Kurses gibt es her, dass es immer wieder enge, packende Überholversuche und -manöver gibt. Vor allem in der Anfangsphase, weil auch völlig unterschiedliche Reifenstrategien weiter hinten im Feld angewendet werden. So oft, wie sich Konkurrenten bei diesem Rennen berühren mit ihren Boliden, sieht man echt selten. Allerdings ist das Maß für Kevin Magnussen derweil übervoll.
Magnussen droht eine Rennstrafe
Der Däne hat ein Risiko-Management, das dem Auftritt eines Bulldozers nahe kommt. Er schafft es, in Miami an einem Wochenende fünf Strafpunkte zu sammeln. Drei im Sprintrennen am Samstag durch permanentes Abkürzen mit Vorteilsnahme, am Sonntag kommen zwei hinzu für das Abschießen von Logan Sargent im Rennen. Insgesamt hat er jetzt 10 auf dem Konto, alle im Jahr 2024 gesammelt. Die ersten verfallen frühestens im März 2025. Kommen zwei weitere hinzu im Verlaufe der Saison, wird er ein Rennwochenende zuschauen müssen.
Die Sperre liegt nahe, denn was Hänschen nicht lernt, lernt Hans erst recht nicht mehr. Magnussen wirkt unverbesserlich. Wo gehobelt wird, fallen Späne. Und die fliegen in seiner Nähe reichlich. Aggressiv in den Duellen auf Krawall gebürstet, gerne hartnäckige Blockaden fahrend, führt dazu, dass die Kollegen auf der Strecke derweil eine Hassbrille aufhaben, wenn sie ihn vor ihrer Nase sehen. Einige Team-Manager fordern derweil öffentlich ein härteres Vorgehen der Rennleitung gegen den Dänen.
Alpine-Piloten liefern sich Rad-an-Rad-Duell
Wer es positiv sehen will, behauptet, dass Magnussen ein wichtiger Leibwächter für Nico Hülkenberg ist, ihm den Rücken immer wieder freihält, damit der Emmericher Punkte holen kann. Ich stehe auf der Seite derer, die sagen, dass das alles Grenzen hat. Magnussen bewegt sich zu oft im Bereich der Unfairness. Das gilt es einzudämmen. Mit welchen Maßnahmen auch immer.
Was in Miami auffällig ist, durch Weiterentwicklungen der Fahrzeuge rückt das Mittelfeld immer enger zusammen. Durch Updates und vor allem Fahrzeugerleichterung hin zum erlaubten Minimalgewicht ist Alpine plötzlich wieder mittendrin und konkurrenzfähig! Und die beiden Alpine-Jockeys, die sich gegenseitig alles andere als grün sind, liefern sich auf der Strecke für eine Zeit lang auch noch ein überaus unterhaltsames Rad-an-Rad-Duell.
Hülkenberg verpasst nächsten WM-Punkt
Yuki Tsunoda fährt bislang eine überzeugende Saison im Racing Bull, belohnt sich in der Sonne Floridas mit Platz sieben und entzaubert einmal mehr den wesentlich höher gehandelten Daniel Ricciardo, der auf Rang 15 auf ganzer Linie enttäuscht. Der Honigdachs verbrennt gerade die ihm Ende der vergangenen Saison nahegelegte Chance, wieder ins Red-Bull-Cockpit als Pérez-Nachfolger aufzusteigen.
Hülkenberg verpasst hauchdünn einen WM-Punkt. In einem Rennen, das ihn von Platz sieben bis nach ganz hinten trägt und final zurück auf elf. Der kommende Audi-Aufsteiger hat Pech, dass für ihn die Safety-Car-Phase mega unglücklich vom Timing her fällt.
Norris‘ erster Sieg im 110. Rennen
Das genaue Gegenteil ist für Norris der Fall. Der Engländer bleibt am längsten der vorne fahrenden Piloten draußen, hat das Glück, dass Bernd Mayländer im Safety Car sich aus Versehen vor den Zweiten Verstappen setzt. Norris verpasst zwar das direkte Abbiegen in die Box, kann aber in der Runde drauf allein an der Spitze fahrend in Ruhe wechseln und als Führender auf die Strecke zurückkehren. Vor dem Safety Car, das in der Folge alle anderen erstmal passieren lassen muss, um sich dann vor Norris zu setzen. Ohne Safety Car hätte er die beiden Ferrari, die beiden Red Bull und Teamkollege Piastri auf der Strecke kassieren müssen. Eher unwahrscheinlich, dass das geklappt hätte. So werden die Kontrahenten durch das Safety Car hinter Norris gespült, der den Restart dann gegen Verstappen überragend kontrolliert und gekonnt sämtliche Attacken unterbindet, um sich in der Folge abzusetzen.
Norris holt sich im seinem 110. GP seinen ersten Sieg, für McLaren ist es erst der zweite Sieg in einem Sonntagsrennen in den letzten zwölf Jahren! Was einem unfassbar lange vorkommt, einst war McLaren Abonnement-Meister und -Sieger.
Für Mercedes ist der Norris-Sieg ein Trostpflaster und Hoffnungsschimmer. Lewis Hamilton ist zwar nicht podiumsfähig, der Altmeister zeigt aber ein engagiertes Rennen und ist klar besser als Teamkollege George Russell. Immerhin gewinnt Norris für das Mercedes-Kundenteam - erstmals seit Brasilien vor drei Jahren - mit einem Mercedes-Motor einen Grand Prix. Die Silbernen können mitnehmen, dass ihre Kraftquelle funktioniert. Jetzt müssen die eigenen Chassis-Bauer und Aerodynamiker endlich auf den Punkt kommen, damit auch die Silberpfeile mal wieder ihrem Namen gerecht werden.
Ist Norris‘ Sieg in Miami ein One-Hit-Wonder?
Ist Miami aufgrund des erwähnten besonderen Asphalts ein One-Hit-Wonder? Oder wird die Formel 1 wieder offener, spannender, mitreißender im Kampf um Laufsiege? Die kommenden Rennen werden Antworten darauf geben. Fakt ist: sechs Fahrzeuge sind auf der Parkplatzpiste in Florida siegfähig. Ferrari ist Verlierer Nummer eins der Safety-Car-Phase, so bleiben die Plätze drei und fünf für Leclerc und Sainz.
Die Gefahr, dass Red Bull weiter stark unter der Horner-Affäre leidet, ist nicht wegzudiskutieren. Von vielen Konkurrenten ist zu hören, dass sich massiv Red-Bull–Mitarbeiter bewerben. Adrian Newey ist seit Miami Teamgeschichte. Der Mastermind der zahllosen Erfolge verlässt das Schiff. Ob das zum Sinken führt? Jede Ära hat ein Ende. Auch das von Red Bull als Seriensieger wird kommen.
Vielleicht schon diese Saison, Miami könnte ein Indikator dafür sein. Ich wünsche mir für Imola ein ähnlich abwechslungsreiches und aufregendes Rennen. Die Strecke ist dafür jedenfalls prädestiniert.
Bis dahin, bleiben Sie gesund und PEDAL TO THE METAL,
Ihr Peter Kohl