Der GP von Miami übernächsten Sonntag wird nicht wegen seiner Show-Effekte in die Annalen der Formel-1-Geschichte eingehen. SPORT1 erfuhr: Der Glitzer-GP, der in Europa zu nächtlicher Stunde (ab 22 Uhr im LIVETICKER) übertragen wird, könnte auch das letzte Rennen sein, bei dem der heftig in der Kritik stehende Red-Bull-Teamchef Christian Horner sich sicher sein kann, seinen Superstar Max Verstappen im Team halten zu können.
Verstappen? Das braucht es für Wechsel
Hintergrund: In den 14 Tagen zwischen dem Event in Florida und dem Europa-Auftakt in Imola soll es konkrete Verhandlungen zwischen Mercedes und dem Verstappen-Team geben – bestehend aus dem Fahrer selbst, seinem Vater Jos und Manager Raymond Vermeulen. Wie SPORT1 erfuhr, wollen sich die Mercedes-F1-Team-Anteilseigner Toto Wolff, Konzernchef Ola Källenius und Sir James Ratcliffe (Ineos) mit dem Verstappen-Clan treffen.
Der Niederländer wird danach entscheiden, ob er schon nächstes Jahr zu Mercedes wechseln will. Möglich wird ein Wechsel durch eine Ausstiegsklausel in seinem eigentlich bis 2028 laufenden Vertrag, die besagt: Wenn sein Mentor und Vertrauter Helmut Marko (Red-Bull-Motorsportberater) nicht mehr an Bord ist, kann der siegende Holländer das Red-Bull-Schiff vorzeitig verlassen. Marko, das ist sicher, wird Verstappen, wenn notwendig nicht im Wege stehen.
Formel 1: Kommt Mercedes Verstappen entgegen?
Allein: Verstappen will bei den Gesprächen zunächst sehen, wie ernst Mercedes es meint; wie sehr der im Moment in der Formel-1 schwächelnde Automobilkonzern bereit ist, Verstappen Zugeständnisse machen. Dabei geht es dem dreifachen Weltmeister nicht nur ums Geld. Viel wichtiger für ihn, so erfuhr SPORT1: Er will eine Garantie haben, dass der Silberpfeil 2025 besser ist als diese Saison. Deshalb wünscht er sich, dass Mercedes neben ihm auch wichtige Techniker von Red Bull übernimmt.
Was durchsickerte: Mercedes will Verstappen unbedingt als Nachfolger für den zu Ferrari wechselnden Lewis Hamilton verpflichten und ist dafür zu sehr vielem bereit. Das Interesse spiegelt sich allein darin wider, dass nicht nur Teamchef Wolff, sondern auch Konzernchef Kaellenius und der britische Multimilliardär Sir Ratcliffe beim Meeting anwesend sind.
Verstappen-Gehalt: Geld ist kein Problem für Mercedes
Dabei spielt Geld keine große Rolle. Das Trio soll bereit sein, für ihren Wunschpiloten den womöglich größten Deal in der Motorsportgeschichte vorzubereiten. Dazu muss man sich in Stuttgart noch nicht einmal extrem strecken. Grund: Das Hamilton-Gehalt von mehr als 50 Millionen Euro im Jahr steht 2025 genauso zur Verfügung wie ein Re-Investment der 104 Millionen Dollar Gewinn, den das deutsch-britische Team im Geschäftsjahr 2023 verbuchen konnte.
Dazu kommt: Mercedes will Verstappen einen gut dotierten, langfristigen Markenbotschafter-Vertrag anbieten, der den dreimaligen Weltmeister auch nach seiner aktiven Karriere an den Stern binden soll. Auch INEOS-Besitzer und Sportfan Sir James Ratcliffe (ihm gehört seit vergangenem Jahr Manchester United) will Millionen locker machen, um Verstappen zu bekommen. Ratcliffe gilt als einer der fünf reichsten Briten. Sein Vermögen wird laut der letzten Forbes-Studie auf 16,1 Milliarden Dollar geschätzt. Mit Prämien und Sonderzahlungen könnte Verstappen dann etwa 150 Millionen Euro im Jahr verdienen.
Wichtig dabei auch: Von den Mitarbeitern des Konzerns ist kein Gegenwind zu erwarten. Über 90 Prozent der rennsportinteressierten Angestellten wünschen sich Aussagen im Mercedes-Intranet zufolge den fließend Deutsch sprechenden Seriensieger aus den Niederlanden als zukünftigen Formel-1-Piloten im Namen des Sterns.
Für Verstappen würde Mercedes sogar Marko holen
Auch auf den anderen Ebenen soll Mercedes willens ein, Verstappen den roten Teppich auszurollen. Man sei sogar bereit, so hört man, Helmut Marko zu integrieren. Vor zwei Jahren wäre eine solche Konstellation angesichts der Dauerfehde zwischen dem Grazer Juristen und dem Wiener Wolff nicht möglich gewesen. Doch der Red-Bull-interne Machtkampf der thailändischen Mehranteilseigner mit Horner gegen die österreichische Fraktion rund um Marko haben alles geändert.
Fest steht: Die Chancen auf einen Wechsel stehen besser als erwartet. Emotional ist für den Niederländer die Entscheidung sogar schon gefallen. Der gesamte Verstappen-Clan hat sich klar gegen Horner und zu Marko bekannt. Die Atmosphäre sei vergiftet, berichten Insider. Der Niederländer muss jetzt abwägen, ob die sportliche Seite, die 2025 eher bei Red Bull einen weiteren WM-Titel garantiert, wichtiger ist als die Stimmung im Team.
SPORT1 weiß aber, dass man im Verstappen-Lager längst selbstbewusste Analysen anstellt, die besagen: Red Bull wäre ohne das Wunderkind aus den Niederlanden längst nicht mehr so gut, und ein Verstappen könnte, wenn das Auto nur ein wenig besser wird, auch schon 2025 im Mercedes um Siege mitfahren.
Verstappen zu Mercedes? Neues Reglement spricht dafür
Ein weiteres Argument pro Mercedes: 2026 kommt ein neues Motor- und Chassisreglement. Spätestens dann traut man Mercedes den nächsten Vorsprung durch Technik zu. So wie es 2014 war, als es die letzte große Motorrevolution den Stuttgarter Konzern zum Dauersieger machte.
Für die Experten jedenfalls bestehen keine Zweifel, dass man Verstappen haben muss, um auf Fahrerseite perfekt aufgestellt zu sein. „Wir erleben gerade eine besondere Phase, auf die man stolz sein muss, sie miterleben zu dürfen“, sagt zum Beispiel Nico Rosberg. (38). Der Weltmeister von 2016 glaubt sogar: „Max zählt schon jetzt zu den Größten aller Zeiten in unserem Sport. Es ist unglaublich, was er Wochenende für Wochenende abliefert.“
Am bedeutendsten ist womöglich die Analyse von Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug (71): Der Pforzheimer, der nach seiner Laufbahn als Journalist von 1990 bis 2012 die Rennsportaktivitäten von Mercedes leitete, ist eigentlich nicht bekannt dafür, Fahrer zu vergleichen. Gegenüber SPORT1 überrascht er deswegen mit seinem persönlichen Fazit. Haug: „Ich beschäftige mich jetzt schon fast 50 Jahre mit der Formel 1 und habe die Ära eines Niki Lauda, Alain Prost, Ayrton Senna, Michael Schumacher und Lewis Hamilton erlebt. Aber so dominant wie Max Verstappen war keiner von ihnen.“
Ex-GP-Sieger Ralf Schumacher (46) sieht noch zwei weitere Gründe, warum Mercedes sich unbedingt um Verstappen bemühen muss. Der heutige Sky-Experte zu SPORT1: „Max macht den Unterschied. Dass es nicht nur am Red Bull liegt, sieht man ja an den Leistungen seines Teamkollegen. Dazu kommt: Wenn man Verstappen nimmt, schwächt man damit auch einen der Hauptgegner.“ Und das sei schließlich nicht nur in der Formel 1 immer ein wichtiges Argument.