Der tödliche Crash von Ayrton Senna 1994 in Imola. Der Ski-Unfall, der Rekordweltmeister Michael Schumacher 2013 zum Pflegefall machte: Wer nachvollziehen will, was der 7. April 1968 mit der Motorsport-Welt machte, kann sich diese beiden Ereignisse vor Augen halten.
Das tragische Ende einer Ikone
Heute vor 56 Jahren kam Jim Clark bei einem schweren Unfall auf dem Hockenheimring ums Leben. Wie Senna und Schumacher war er der wohl beste Rennfahrer seiner Generation. Wie Senna und Schumacher hatte den zweimaligen Formel-1-Weltmeister eine Aura der Unverwundbarkeit umweht - die sein Schicksal umso schockierender für Fans und Weggefährten machte.
„Wir dachten alle das Gleiche: Wenn es selbst Jimmy erwischen kann, welche Chance haben dann wir anderen, lebend davon zu kommen?“, brachte der Neuseeländer Chris Amon auf den Punkt, was damals viele Racer-Kollegen dachten.
Jim Clark prägte den Formel-1-Mythos Lotus
James Clark, wie der am 4. März 1936 geborene Schotte eigentlich hieß, hatte die Königsklasse in den sechziger Jahren im Sturm erobert.
Der privat schüchterne Farmersohn Clark war ein Instinktfahrer, schnell, geschickt und mit großem Gespür für den Wagen. Er erwies sich als größtmöglicher Glücksfall für das mythische Lotus-Team um den legendären Teamchef Colin Chapman.
1963 und 1965 führte Clark Lotus zum WM-Titel in der Formel 1, im Jahr seines zweiten Titels schrieb er nebenbei noch Geschichte als erster europäischer Sieger des 500-Meilen-Rennens in Indianapolis.
Mit 25 Siegen in 72 Rennen stellte Clark einen neuen Rekord auf und übertrumpfte den fünfmaligen Weltmeister Juan Manuel Fangio. Für die damalige Zeit, mit deutlich weniger Rennen und vor allem auch weit höherer Ausfallquote aufgrund der weniger berechenbaren Gefährte, war Clarks Quote gigantisch.
ZDF-Moderator wünschte Stunden vor dem Crash: „Hals- und Beinbruch!“
Im Jahr 1968 nahm Clark seinen dritten WM-Titel in Angriff, machte im April aber – auch das eine Eigenheit der damaligen Zeit – einen Abstecher in eine andere Rennklasse, die Deutschland-Trophy im Rahmen der Formel-2-EM.
Tragische Ironie: Clark hatte eigentlich stattdessen lieber ein Sportwagenrennen im englischen Brands Hatch bestritten und war dafür auch schon offiziell gemeldet. Arbeitgeber Lotus hatte unter dem Druck seines Tabak-Sponsors aber kurzfristig den Wunsch angemeldet, dass Clark stattdessen zu Werbezwecken in Hockenheim an den Start gehen sollte.
Teil der Promo-Tour war auch ein Auftritt Clarks im deutschen Fernsehen, noch am Abend des 6. April 1968 - wenige Stunden vor seinem Tod - war er zu Gast im ZDF-Sportstudio. Moderator Werner Schneider verabschiedete ihn mit der Floskel „Hals- und Beinbruch!“
Die Ursache von Jim Clarks Unfall? Bis heute ungeklärt
Am Tag danach stand das Hockenheim-Rennen auf dem Programm, unter schwierigen Bedingungen in mehrfacher Hinsicht: Das Wetter war kalt und regnerisch, Clarks Lotus schon im Qualifying - bei dem er nur auf Rang 7 gelandet war - von Materialproblemen geplagt.
„Das Auto hat kaum Grip, erwartet nicht zu viel von mir“, zitierte Mechaniker Dave Simms Clarks letzte Worte vor dem Start. In der vierten Runde des Rennens nahm das Unheil seinen Lauf: Bei einem Tempo von etwa 250 km/h kam Clark um 12.39 Uhr von der Strecke ab und krachte in die Bäume.
Clark war tot, ehe die Ersthelfer eintrafen. Keiner der Konkurrenten - unter ihnen der spätere, 2021 verstorbene FIA-Chef Max Mosley - sah, was passiert war. Nur zwei Streckenposten waren Augenzeugen des nicht von TV-Kameras aufgezeichneten Unfalls.
Die Ursache für den Unfall ist bis heute ungeklärt, die örtliche Staatsanwaltschaft ermittelte zwischenzeitlich wegen Behauptungen, dass zwei Kinder über die Strecke gelaufen wären. Es erwies sich als Falschmeldung. Mechaniker Simms geht davon aus, dass Luftverlust im Reifen der unmittelbare Auslöser waren. Der exakte Hergang ist aber bis heute ein Mysterium.
Der Tod fuhr in der Formel 1 von damals immer mit
Die Tragödie um Clark war kein Einzelfall in einer Zeit, in der die Fahrsicherheit im Rennsport nicht weit fortgeschritten war: Am 7. Mai 1968, exakt einen Monat nach Clark verunglückte auch Mike Spence, der Fahrer, der ihn bei Lotus ersetzte, beim Training in Indianapolis tödlich. Nochmal genau zwei Monate darauf kam der Franzose Jo Schlesser beim Großen Preis von Frankreich ums Leben.
Zwei Jahre nach dem Tod von Clark wurde die Formel 1 dann vom Todescrash des posthum zum Weltmeister gekürten Lotus-Piloten Jochen Rindt erschüttert. Ein tragisches Schicksal ereilte fünf Jahre später auch Graham Hill, der 1968 anstelle von Clark im Lotus Weltmeister geworden war: Er starb bei einem Flugzeugabsturz.
Der Tod war ein ständiger Wegbegleiter der Fahrer von damals. Dass er auch Clark im Alter von nur 32 Jahren erwischte, war dennoch - siehe oben - ein besonderes Trauma für die damalige Racergeneration.
Der mit Clark befreundete 1969er-Weltmeister Jackie Stewart, der die dunklen Jahre überlebte, vermochte die Wucht der Nachricht sogar nur mit einem Rückgriff auf eine besonders heftige Metapher zu erklären. „Der Tod von Jimmy“, sagte sein schottischer Landsmann einmal, „war für den Motorsport das Pendant zum Abwurf der Atombombe.“