So verkommt der Kampf um den Vizetitel in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft der Formel 1 tatsächlich noch zum Schneckenrennen: Ferrari lieferte am Samstag im Abu-Dhabi-Qualifying die Steilvorlage, Mercedes aber nützte sie nicht.
„Habe die Schnauze voll“: Wolff wütet
Trotz des frühen Aus für Carlos Sainz in Q1 verpassten es die Schwarzpfeile, mit einem starken Qualifying-Ergebnis schon vorab die Weichen in Richtung Rang zwei in der Team-WM zu stellen.
Am Ende der Qualifikation für den Flutlicht-GP in Abu Dhabi stand ein zweiter Platz für Charles Leclerc zu Buche, ein vierter für George Russell und nur ein elfter für Lewis Hamilton. Heißt übersetzt: Geht es am Sonntag so ins Ziel, wäre Ferrari um zwei Punkte vorbeigezogen an Mercedes.
Dabei sah nach den Trainings in Abu Dhabi mit gleich zwei Bestzeiten für Russell noch alles vielversprechend aus für die Stuttgarter. „Nach dem dritten Training dachte ich, wir kämpfen hier um die Pole. Da haben wir uns wohl überschätzt“, räumte Russell nach dem Qualifying zähneknirschend ein.
Formel 1: Russell zieht mit Hamilton gleich
Wenigstens über ein kleines persönliches Highlight durfte sich Russell zum Abschluss „einer der schlechtesten Saisons meiner Karriere“ dennoch freuen: Mit dem Resultat am Samstag egalisierte er die Qualifying-Bilanz gegen Rekordweltmeister Lewis Hamilton. 11:11 steht es nach 22 Rennen zwischen den beiden Briten.
Russell lachte über seine späte Leistungssteigerung: „Ich bin schon seit zwei Wochen ziemlich krank und schlafe kaum mehr als drei Stunden pro Nacht. Seitdem bin ich richtig schnell. Vielleicht ist das das Geheimnis.“
Hamilton hingegen stinkt der späte Ausgleich im internen Duell gegen Russell, der Superstar war nach dem Qualifying in Abu Dhabi sichtlich schlecht gelaunt. „Zweimal hintereinander Elfter“, kommentierte Hamilton mit ironischem Nicken das Ergebnis, während er sich eine kühle Wasserflasche in den Nacken hielt. Wie schon eine Woche zuvor in Las Vegas scheiterte der Brite denkbar knapp am Top-10-Einzug - erstmals seit 2014 passiert ihm das zweimal in Folge.
Offenbar Grund genug, um an seinem Material zu zweifeln. „Unsere Autos sind gleich abgestimmt, aber sie sind hier nicht gleich. Ich bin mir sicher, dass irgendetwas auf unserer Seite nicht stimmt“, bekräftigte Hamilton seine Aussage, die er zuvor auch schon am Funk in Richtung Team geschickt hatte: „Irgendetwas passt bei diesem Auto nicht.“
Stallkollege Russell gab Hamilton mit seiner Vermutung dann sogar recht. „Statistisch steht es jetzt Unentschieden zwischen uns am Ende der Saison. Aber wir hatten im Qualifying nie dieselbe Pace. Entweder war er ein paar Zehntel vorne oder ich. Es ist sehr komisch, das zu verstehen“, sagte Russell und vermutete: „Das Auto ist offensichtlich einfach sehr schwer ins Arbeitsfenster (der Reifen; d. Red.) zu bringen.“
Hoffnung auf neuen Mercedes
Mercedes-Boss Toto Wolff steht Superstar Hamilton zur Seite. „Lewis hatte heute anders als George keinen Grip“, sagt der Wiener. Der Mercedes-Teamchef war entsprechend bedient: „Ich habe die Schnauze voll von den Erklärungen, warum es nicht lief. Ich bin einfach nur glücklich, dass es das letzte Qualifying dieser Saison war und wir dann mit einem neuen Auto kommen.“
Doch wie neu wird das wirklich? „Wir ändern viele kleine Dinge am Auto, das habe ich im Windkanal schon sehen können und damit machen wir zweifelsohne Fortschritte“, glaubt Russell.
Allein: Der Brite weiß wie alle bei Mercedes, dass auch die Konkurrenz nicht schläft: „Red Bull ist so weit vorne und sie haben die Entwicklung (des aktuellen Autos; d. Red.) schon vor Monaten eingestellt. Die machen also mit Sicherheit auch einen großen Schritt.“
Ein rasches Ende der Leidenszeit für das einstige Erfolgsteam scheint folglich nicht in Sicht - egal, ob es am Ende nur der zweite oder dritte Platz in der Konstrukteurs-WM wird.