Wenn die Formel 1 sportlich durch die Dominanz von Red-Bull-Superstar Max Verstappen zu einer faden Angelegenheit geworden ist, sorgen die Macher der automobilen Königsklasse wenigstens durch Machtkämpfe hinter den Kulissen für ordentlich Spannung.
Formel 1 droht Mega-Zoff
„Stefano Domenicali (CEO von Rechteinhaber Liberty; Anm. d. Red.) und FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem sind wie Hund und Katz“, analysiert ein Formel-1-Insider bei SPORT1 die aktuelle Situation. „Der Streit um einen möglichen Einstieg des Andretti-Teams könnte jetzt den Funken zur Explosion bringen.“
Hintergrund: Am Montag gab der Automobilweltverband FIA grünes Licht für den geplanten Einstieg der amerikanischen Rennsport-Familiendynastie Andretti als elftes Team in die Formel 1.
FIA-Boss verweist auf EU-Recht
„Andretti Formula Racing LLC war das einzige Unternehmen, das die festgelegten Auswahlkriterien in allen wesentlichen Aspekten erfüllt hat“, erklärte FIA-Präsident Bin Sulayem. Und er betonte bewusst, dass Andretti „einen Mehrwert für den Sport darstellen würde. Mit dieser Entscheidung handelt die FIA im Einklang mit den EU-Richtlinien über die Teilnahme und Entwicklung des Motorsports“.
Der FIA-Präsident will mit dem Hinweis auf das EU-Wettbewerbsrecht dem Rechteinhaber Liberty Media und den zehn aktuellen Teams den argumentativen Wind aus den Segeln nehmen. Die nämlich wehren sich mit aller Macht gegen ein neues Team.
Abschreckung durch horrende Geldsumme?
Selbst eigentlich feindlich gesinnte Teamverantwortliche wie Mercedes-Boss Toto Wolff und Red-Bull-Teamchef Christian Horner ziehen bei dieser Sache ausnahmsweise an einem Strang. Entscheidend ist: Sie müssen Formel-1-Chefvermarkter Liberty Media beeinflussen, in ihrem Sinne zu handeln. Denn in der Hand der Promoter aus den USA liegt es nun, die kommerziellen Rahmenbedingungen zu schaffen, unter denen Andretti in die elitäre Formel-1-Gemeinschaft aufgenommen wird. Fix ist dabei eine Eintrittsgebühr von 200 Millionen Dollar, die als Kompensation unter den bisherigen Mannschaften verteilt wird.
Doch die sagen: Das Geld reicht nicht mehr in Zeiten einer boomenden Königsklasse. Im Raum steht deshalb ein neuer Betrag von 600 Millionen Dollar, der den potenziellen Neueinsteiger vor allem abschrecken soll.
Red-Bull-Chefberater Helmut Marko (80) erklärt bei SPORT1 die Situation: „Ein elftes Team bedeutet, dass nicht nur jedes Team vom Geldkuchen mehr abgeben muss, sondern auch, dass der Wert jedes einzelnen Teams fällt. Das will natürlich niemand.“
F1-Insider: „Es wird einen Machtkampf geben“
Dazu kommt: Laut Marko könnten auch organisatorische Probleme auftreten. „Die meisten Rennstrecken sind platztechnisch ausgereizt. Wo soll man ein zusätzliches Team in den jetzt schon sehr engen Boxengassen unterbringen? Im Fahrerlager müssten man wahrscheinlich die Hospitalities (Teamräumlichkeiten; Anm. d. Red.) verkleinern. Daran haben die Teams aber kein Interesse.“
Eine Lösung scheint nicht in Sicht. Lediglich Renault mit seiner Formel-1-Filiale Alpine zeigt sich offen für Andrettis Pläne. Grund: Die Franzosen könnten den Renault-Motor an die Amerikaner verkaufen, bis Andrettis Antriebspartner Cadillac selbst in der Lage ist, ein eigenes Triebwerk für das neue Motorreglement zu entwickeln, das 2026 in Kraft tritt.
Fest steht: Die Teams wollen die Garantie, dass sie keine Verluste hinnehmen müssen, wenn Andretti kommt. Liberty will sich dagegen nicht von der FIA diktieren lassen, wer mit in der Manege auftreten darf im größten Rennzirkus der Welt, und spricht einem elften Team seinen Mehrwert für die Formel 1 ab.
Ein Insider vermutet deshalb: „Es wird einen Machtkampf geben. Es könnte auch in einem langjährigen Gerichtsstreit enden. Verlierer wird der Sport sein.“