Einen besseren Ort für sein Comeback im Cockpit in der Formel 1 hätte es wohl kaum gegeben: Zu Austin pflegt Daniel Ricciardo schon länger eine besondere Beziehung. Mal ritt er als Cowboy verkleidet auf einem Pferd ins Fahrerlager, auch mit einem texanischen Bart oder einem kompletten Interview in texanischem Akzent verlieh der 34-Jährige seiner Liebe zum „Lone Star State“ in der Vergangenheit schon Ausdruck.
Comeback mit Signalwirkung
Die Mentalität in Texas kommt der in seiner australischen Heimat besonders nahe. Grund genug für Ricciardo, vor dem USA GP nicht nur eine neue Kollektion seiner eigenen Modelinie Enchanté im Texas-Style zu launchen - in Downtown Austin hat er dafür am Wochenende auch noch extra einen Pop-up-Store eröffnet, vor dem sich die Fans in langen Schlagen die Füße in den Bauch stehen, um eines der begehrten Teile zu ergattern.
In den USA genießt Ricciardo ob seiner lockeren Art und seines sonnigen Gemüts spätestens seit der erfolgreichen Netflix-Dokureihe „Drive to Survive“ absoluten Kultstatus. Das Timing für seine Rückkehr nach fünf Rennen Verletzungspause scheint daher nicht ganz zufällig gewählt: Beim Training in Zandvoort hatte sich Ricciardo Ende August einen komplizierten Bruch der linken Hand zugezogen, wurde bei AlphaTauri anschließend von Rookie Liam Lawson vertreten.
Formel 1: Ricciardo kehrt fröhlich zurück
Zwei Monate später ist der Aussie zurück im Cockpit und zeigt sich nach den ersten erfolgreich absolvierten Rennkilometern im Sprint am Samstag erleichtert: „Es fühlt sich gut an. Denn das war eben die große Frage: Sich genug Zeit zu nehmen, um zurückzukommen und nicht sagen zu müssen: ‚Ich hatte ein schlechtes Resultat, weil meine Hand weh tut.‘ Damit hätte ich nur jedermanns Zeit verschwendet.“
Ricciardo ist happy, dass es anders kam: „Ich habe das Gefühl, dass ich der Hand die nötige Zeit gegeben habe, um jetzt auch wieder das Vertrauen damit zu spüren. Die Hand hat mich dieses Wochenende bisher nicht beeinträchtigt, das ist also schon mal sehr gut.“ Im Sprint-Shootout landet Ricciardo auf einem starken elften Platz, verpasst nur um drei Hundertstel die Top-10. Im Sprint fährt er schließlich den zwölften Platz ein.
„Ich hasse es, das zuzugeben, denn ich bin sehr erfahren, nur eben nicht dieses Jahr (erst zwei GP-Einsätze 2023; Anm. d. Red.). Aber ein bisschen Rost war vielleicht schon noch da, ein paar kleine Entscheidungen auf der Strecke, von denen ich mir im Nachhinein denke, dass ich es hätte besser machen können“, zeigt sich Ricciardo selbstkritisch und ärgert sich beispielsweise über seine Positionierung am Start oder auch über den Beginn eines Duells mit Lance Stroll: „Er ist in Kurve zwölf an mir vorbei. Das war eine dieser Szenen, für die ich mich ein bisschen trete und über die ich frustriert war.“
Immerhin: „Ein paar Runden später habe ich ihn wieder geschnappt, außen herum in Kurve eins. Das Manöver hat mir wirklich gefallen, denn dadurch hab ich mich gleich wieder ein bisschen besser gefühlt“, lacht Ricciardo, dessen Leistung am Samstag trotz aller Selbstkritik auch reicht, um das teaminterne Duell mit Stallkollege Yuki Tsunoda für sich zu entscheiden.
Muss Pérez wegen Ricciardo um seinen Sitz fürchten?
Klar ist: Ein fitter Ricciardo setzt nicht nur den Japaner, sondern vor allem auch Red Bulls Sergio Pérez unter Druck, der sich weiter in der Abwärtsspirale befindet und bei Red Bull wegen seines klaren Leistungsabfalls im Vergleich zu Weltmeister Max Verstappen stark in der Kritik steht.
In Austin musste der Mexikaner sogar Rücktrittsgerüchte dementieren, viele F1-Experten sehen Pérez‘ Zeit im Top-Team trotzdem abgelaufen: „Red Bull kann keinen Passagier mit ins Jahr 2024 nehmen, wenn er nicht in Form ist. Und ehrlich gesagt kann ich mir auch nicht vorstellen, dass Sergio das mitmachen möchte“, erklärt Ex-F1-Pilot Martin Brundle bei Sky Sports.
Der Brite glaubt: „Die nächsten Rennen sind entscheidend für Checos Kopf und dafür, dass er Red Bull davon überzeugt, dass er nicht vom Weg abgekommen ist und es schaffen kann.“
Andernfalls steht der wiedergenesene Ricciardo schon bereit als passender Red-Bull-Kandidat. Eine Lösung, die gleich noch ein Luxusproblem des Rennstalls lösen würde, müsste man Megatalent Lawson nach seinem starken F1-Einstand doch nicht ein Jahr auf der Ersatzbank versauern lassen, sondern könnte ihn schon 2024 zum Stammfahrer bei AlphaTauri befördern.