Er war die ärmste Sau der Formel 1: Neben Rekordweltmeister Michael Schumacher musste Rubens Barrichello bei Ferrari sechs Jahre lang die zweite Geige spielen.
Ex-Schumi-Kollege enthüllt Details
Legendär die öffentliche Degradierung des Gehilfen per Funk beim Großen Preis von Österreich 2002: „Rubens, let Michael pass for the championship (zu deutsch: Rubens, lass Michael für die Weltmeisterschaft vorbei)“, funkte Ferrari-Rennleiter Jean Todt dem Führenden Barrichello ins Cockpit, der daraufhin vor der Ziellinie brav Platz machte und Schumi den Sieg überließ - ein Sinnbild für den ewigen Zweiten und Wasserträger aus Brasilien, das er nie wieder los wurde.
Allein: So groß die Kritik an der unsportlichen Teamentscheidung damals war, so sehr gilt die Ferrari-Paarung Anfang der 2000er Jahre bis heute als Modell für ein auf maximalen Erfolg ausgerichtetes Formel-1-Team, mit einer klaren Hierarchie und vor allem einer klaren Nummer 1.
Barrichello: Kein Status als Nummer 2 bei Ferrari
Red Bull orientierte sich daran mit Sebastian Vettel und Mark Webber von 2010 bis 2013 sowie mit Max Verstappen und Sergio Pérez seit 2021 - genauso wie Mercedes in den Jahren nach dem vergifteten Duell der Silberfeinde Lewis Hamilton und Nico Rosberg, als Valtteri Bottas für mehr Frieden im Team Hamiltons Helfer spielen musste.
Das Barrichello-Prinzip machte über die Jahre quasi Schule in der Formel 1. Umso überraschender ist deshalb, dass der Brasilianer nun selbst enthüllt, dass ihm zumindest offiziell nie ein Nummer-2-Status bei den Roten zugeteilt war.
„Ich habe Ferrari gesagt: Wenn in meinen Vertrag geschrieben wird, dass ich Michael vorbeilassen muss, dann will ich ihn nicht unterschreiben. In meinem Vertrag stand deshalb darüber nichts drin“, verrät Barrichello in der Serie „Lights To Flag“ der offiziellen F1-Website.
Darum nahm Barrichello seine Rolle an
Dass er Schumi auf der Strecke an den meisten Tagen nicht das Wasser reichen konnte, darüber macht sich Barrichello keine Illusionen: „Ich habe immer gesagt, dass er besser als ich war, kein Zweifel“, räumt der heute 51-Jährige ein, „aber er war auch schon ab 1996 da (bei Ferrari; Anm. d. Red.), er war schon vier Jahre dort, hatte seine Verletzung durchgemacht (Beinbruch in Silverstone 1999; Anm. d. Red.) und Jean hat ihn wie einen Sohn behandelt. Für jemand Neues war es also hart reinzukommen und zu sagen: ‚Okay, gebt mir alle Freiheiten‘.“
Dass Barrichello die unausgesprochene Rolle als Nummer 2 trotzdem so annahm, begründet er heutzutage wie folgt: „Ich habe für mein Wohl sehr viele Dinge akzeptiert. Es gab auch viele Dinge, die ich abgelehnt habe, aber einiges habe ich gemacht, weil ich gesehen habe, dass ich dort wachse. Sechs Jahre lang ging es für mich vorwärts und meine Zeit sollte kommen.“
Flucht zu Honda - beste Zeit bei Ferrari
Doch dazu kam es bei den Roten aus Maranello und an Schumachers Seite nicht mehr: Barrichellos junger Landsmann Felipe Massa wurde im Hintergrund sukzessive als Schumi-Nachfolger aufgebaut und übernahm 2006 das zweite Scuderia-Cockpit, während „Rubinho“ zu Honda flüchtete. Mit dem Team, dann schon unter dem Namen Brawn GP, fügte er seinen neun Ferrari-Siegen in der Saison 2009 noch zwei weitere Grand-Prix-Erfolge hinzu.
Seine erfolgreichste Zeit blieb aber immer die in Rot, mit zwei Titeln als Vizeweltmeister 2002 und 2004, an die Barrichello trotz seiner Nummer-2-Rolle auch heute noch gerne zurückdenkt: „Das Auto war super, das Team hat gut funktioniert, alle hatten eine wirklich gute Beziehung miteinander und es herrschte viel Harmonie bei der Performance“, erinnert sich Barrichello und sagt: „Wir konnten rausgehen und die Welt erobern.“
Schumi am Ende halt nur ein bisschen mehr als er.