Schnell hatten die Formel-1-Protagonisten des inneren Zirkels vom Fahrerlager der automobilen Königsklasse zynische Sprüche bereit. „Das Reglement entspricht nicht dem Alpine-Renault, deshalb muss man es anpassen.“
Pikante Extrawurst: F1 brodelt
Der ironische Spruch entsprang noch aus Zeiten, als Ferrari als heilige Kuh der Formel 1 galt und die Automobilbehörde FIA oft ein Auge zudrückte, wenn die Scuderia das Reglement so ausdehnte, dass die Mitbewerber ratlos mit den Schultern zuckten, weil für Ferrari Regel galten, die für die anderen tabu waren. Diesmal geht es aber nicht um das Traditionsteam aus Maranello, sondern um Renault.
Hintergrund: Der französische Automobilkonzern, zum Teil in staatlichem Besitz, hat einen Antrag bei der FIA gestellt, den eigentlich bis zum neuen Motorreglement 2026 eingefrorenen Hybridmotor überarbeiten zu dürfen. Grund: Bis zu 30 PS soll die französische Antriebseinheit weniger haben als die drei Konkurrenten von Mercedes, Ferrari und Red Bull Powertrain. Dadurch hätte das Alpine-Team einen nicht aufzuholenden Rückstand zur Konkurrenz.
Die FIA war durchaus bereit, sich der Sache anzunehmen. Einmal, um die Königsklasse spannender zu machen. Zweitens: Man hat Sorgen, dass das für den Ruf und die Geschäfte der Königsklasse wertvolle Unternehmen Renault die Lust auf die Formel 1 verliert, wenn es mit Sportwagentochter Alpine weiter hinterherfährt.
Dafür wäre die Formel 1 überwachende Behörde sogar bereit, das selbst geschaffene Reglement außer Kraft zu setzen. Denn da heißt es, dass man zwar an den Motoren schrauben kann, wenn es nachweisbar Probleme mit der Zuverlässigkeit gibt, doch nicht wegen fehlender Leistung.
Ferrari und Mercedes wehren sich
Allein: Die FIA braucht für ihren Brückenbau zum Wohle von Alpine - wo gerade gleich mehrere Verantwortliche ihre Jobs verloren haben - die Zustimmung der drei anderen Hersteller. Und da liegt das Problem. Bisher scheitert der Kompromiss an der Bereitschaft der drei anderen Motorlieferanten. Die sehen nämlich nicht ein, ihren mühsamen erarbeiteten Vorsprung durch Technik aufgeben zu müssen, nur weil Renault versäumt hat, gleich gute Arbeit abzuliefern.
Besonders Mercedes und Ferrari stellen sich dabei vehement auf die Hinterbeine. Die Formel 1 riskiere eine „Katastrophe“, wenn die Maßnahmen zur Angleichung der Motoren in einer Balance of Performance (BoP) enden sollten, warnt beispielsweise Mercedes-F1-Chef Toto Wolff.
Jegliche Maßnahmen, die sich auf die Leistung aller auswirken würden, könnten die Leistungsgesellschaft der Formel 1 „in den Ruin treiben“, wütet der Wiener Wolff. „Unterhaltung folgt dem Sport, und der Sport ist deshalb so glaubwürdig, weil man einfach hart arbeiten muss, um erfolgreich zu sein.“
Red-Bull-Chefberater Helmut Marko erklärt bei SPORT1 die Hintergründe: „Wir waren zumindest nicht dagegen, was die Causa Renault betrifft. Aber es muss klar bewiesen werden, dass der Leistungsrückstand erheblich ist. Und es muss sichergestellt werden, dass Maßnahmen ergriffen werden, die uns andere nicht schwächen. Im Moment ist deshalb der Antrag auf Eis gelegt.“
Marko erklärt weiter: „Ich kann die Probleme von Alpine verstehen. Es geht ja nicht nur um die Motorleistung. Wenn du einen zu großen Leistungsrückstand hast, musst du mit der Fahrzeugabstimmung Kompromisse eingehen, um den fehlenden Speed auf der Geraden, der bis zu drei Zehntel Verlust betragen kann, auszugleichen. Und das geht zu Lasten der Fahreigenschaften des Autos.“
Ist Ryan Reynolds ein Teil der Renault-Lösung?
Was Marko meint: Alpine muss mit extrem kleinen Flügel fahren, um bei der Höchstgeschwindigkeit mithalten zu können. Mit wenig Abtrieb rutscht das Auto aber mehr in Kurven. Dabei werden die Reifen mehr belastet, überhitzen und bauen schneller ab.
Marko sieht nur eine Lösung. „Andretti sollte das Alpine-Team kaufen. So wäre allen am besten gedient. Die Formel 1 behielte seine zehn Teams, Andretti könnte endlich einsteigen und Renault wäre immer noch von der Partie.“ Unter diesen Umständen könne sich der Jurist aus Graz vorstellen, dass Ferrari und Mercedes dann kompromissbereit wären.
Der Vorschlag Markos ergibt Sinn. Hintergrund: Der Einstieg der drei Investoren-Gruppen Otro Capital, RedBird Capital Partners und Maximum Effort Investments mit Vorzeige-Hollywood-Actor Ryan Reynolds als publicityträchtiges Sprachrohr bei Renaults Sportwagensparte Alpine ist schon vollzogen. Für 200 Millionen Dollar hat das Konsortium um den Hollywood-Star bereits 24 Prozent Anteile am Renault-Werksteam erworben. Ein Erwerb ähnlicher Anteile von der amerikanischen Rennfahrer-Dynastie Andretti würde da passen. Die US-Legenden um Ex-Weltmeister Mario Andretti haben längst ihre Absicht bekundet, in die Formel 1 einzusteigen.
Dass es am Ende eine Einigung im Sinne der Serie geben wird, davon ist Sky-Experte Ralf Schumacher überzeugt. Der sechsmalige GP-Sieger zu SPORT1: „Es wird einen Kompromiss geben. Am Ende ist das Wohle des Sports wichtiger als die Sorgen einzelner Teams.“