Die Eau Rouge in Spa-Francorchamps – sie ist wohl eine der legendärsten Passagen im Rennkalender der Formel 1.
Spa-Tragödie: F1-Stars fordern Folgen
Spätestens nach dem Todesfall des 18-jährigen Dilano van ´t Hoff im Rahmen einer Nachwuchs-Rennserie am Samstag wird man sich aber erneut die Frage stellen müssen: Kann es so mit diesem prestigeträchtigen Abschnitt weitergehen? Bereits 2019 war der Franzose Anthoine Hubert an ähnlicher Stelle verunglückt.
So brachte es Formel-1-Pilot Lance Stroll am Rande des Großen Preises von Österreich am Sky-Mikrofon auf den Punkt: „Diese Kurve muss geändert werden, sie ist zu gefährlich!“ Doch ist die Streckenführung das einzige Problem – oder bedarf es bei der Rennleitung eines „genaueren Hinsehens“, wie es Stroll forderte?
Ähnlich wie im Radsport nach dem Tod von Gino Mäder bei der Tour de Suisse gibt es unterscheidliche Meinungen, welcher Aspekt der Sicherheitsdebatte der zentrale ist.
Denn die Tragik schien sich knapp vier Jahre nach dem tödlichen Unglück nahezu deckungsgleich zu wiederholen. In der Raidillon, der Kurve nach der berühmten Senke, bei der die Schwierigkeit in der Ausrichtung des Wagens in Folge der Kompression liegt, war der Franzose damals erst mit der Begrenzungsmauer kollidiert und dann wieder zurück auf die Strecke geschleudert worden.
Nachfolgend erfasste ihn ein anderer Wagen bei hoher Geschwindigkeit. Auch ´t Hoff stand quer auf der Fahrbahn, auch er kollidierte mit einem anderen Boliden und musste sein Leben schließlich auf der Rennstrecke lassen.
Stroll: „Tragischer Tag für den Motorsport“
Stroll bezeichnete den Unfall als einen „tragischen Tag für den Motorsport, wir haben heute einen Fahrer verloren“ – und konnte sich doch einen umgehenden Appell an die Verantwortlichen der Motorsport-Szene und des immer wieder umgebauten Circuits nicht verkneifen.
„Ich möchte, dass jeder darüber nachdenkt. Meine Gedanken sind heute bei ihm. Es bricht mir das Herz, was passiert ist. Eau Rouge und Spa brauchen ein genaueres Hinsehen! Wir haben nun zwei Fahrer verloren in einer Zeitspanne von vier oder fünf Jahren“, so der Kanadier.
Die Geschichte der Strecke in Spa-Francorchamps war auch schon in der weiter zurückliegenden Vergangenheit mit mehreren Tragödien verbunden: 1958 verunglückte der frühere Formel-1-Pilot Archie Scott-Brown tödlich, beim F1-Grand-Prix 1960 die beiden Briten Chris Bristow und Alan Stacey, 1985 kam der deutsche Sportwagen-Weltmeister Stefon Bellof zu Tode.
Doch Stroll beließ es nicht bei seinen Worten: „Es ist eine gefährliche Kurve! Wir sagen das jedes Jahr. Es ist nicht fair, was passiert ist. Jedes Mal, wenn du da durchfährst, wartet ein Unfall quasi nur darauf stattzufinden. Heute ist es wieder passiert. Ich wollte das nur sagen, weil ich das heute im Hinterkopf hatte.“
Doch ist das Streckenlayout des belgischen Kurses das einzige Risiko, wodurch solch tragische Szenen ermöglicht werden?
Ginge es nach Formel-1-Legende Fernando Alonso, solle das Hauptaugenmerk eher auf einen anderen Aspekt gelegt werden. „Die Sicht ist auf bestimmten Strecken bei hohen Geschwindigkeiten und nassen Bedingungen sehr schlecht, und wir können es uns nicht leisten, dass so etwas noch einmal passiert“, meinte der Spanier.
Alonso und Verstappen erkennen anderes Problem
„Ich weiß aber nicht, ob Spa das Problem ist. Zuschauer zuhause verstehen das nicht. Wir können unser Auto kontrollieren, aber besonders mit dem aufspritzenden Wasser bei Nässe sehen wir nichts. Wenn da ein Auto in der Mitte der Strecke steht, sehen wir es nicht. In Monza ist es das Gleiche! Wenn dort ein Auto auf der Strecke quer steht, sieht man es auch nicht“, fuhr Alonso fort.
Dem pflichtete auch Weltmeister Max Verstappen bei. Zwar sei die Passage nach der Senke risikobehaftet, allerdings sei es zu „einfach, die Schuld allein auf die Strecke zu schieben. Wir sollten auch betrachten, wie nass es war und derartige Dinge.“
Jedenfalls scheint eines klar: Mit dem 1. Juli 2023 hat sich die Risiko-Diskussion auch in der Formel 1 neu entfacht. Ob es das Streckenlayout ist, der Umgang mit dem aufspritzenden Wasser – oder gar die Diskussion, die auf Social Media angestoßen wurde, weshalb das Rennen bei derart widrigen Wetterbedingungen überhaupt gestartet wurde, eines bleibt: Es muss sich wohl etwas ändern.
Am letzten Juli-Wochenende fährt nämlich auch die Formel 1 wieder in Spa-Francorchamps. Und mit ihr die Gedanken an den Tod der niederländischen und französischen Renntalente.