Sie lieferten sich den letzten Reifen-Krieg der Formel 1: Zwischen 2001 und 2006 tobte der Kampf um die Vorherrschaft an der Gummifront zwischen Michelin und Bridgestone.
Michelin-Sportchef erteilt F1 Absage
Dann zogen sich erst die Franzosen zurück, vier Jahre später auch die Japaner. Seit 2011 rüstet Pirelli die Königsklasse als Monopolist mit Pneus aus.
Im Zuge der FIA-Ausschreibung für die Jahre nach 2025 machen im Fahrerlager nun Gerüchte die Runde, Bridgestone arbeite an einem Comeback und könne Pirelli ausstechen, obwohl die Italiener gerne weitermachen wollen. Bei Michelin verfolgt man das Geschehen rund um die Königsklasse ebenfalls mit offenen Augen, wie Michelins Motorsportdirektor Matthieu Bonardel im Gespräch mit SPORT1 versichert - an einer Rückkehr sind die Franzosen aktuell aber nicht interessiert.
Dabei ist sich der Sportchef der Strahlkraft der Formel 1 durchaus bewusst und stellt ihr in Sachen Marketing gute Noten aus: „Wenn es eine Ausschreibung seitens der F1 gibt, schauen wir uns das natürlich sehr genau an: Sie ist die Spitze des Motorsports und wächst, außerdem zieht sie gerade eine neue Fanbase an, wird jünger und diverser, und auch in einigen Schlüsselmärkten wie den USA endlich groß. Es ist eine Erfolgsgeschichte“, lobt Bonardel die Serie: „Die Formel 1 hat mehr globalen Werbewert als jeder andere Motorsport.“
Formel 1: Michelin-Boss erklärt Absage
Doch warum will Michelin dann selbst kein Teil davon sein? „Für uns gibt es einfach bestimmte Kriterien, die erfüllt sein müssen. Dazu gehört, dass wir innovativ sein können. Wir nutzen den Motorsport als Versuchslabor“, sagt der Michelin-Mann und rechnet vor: „Innovativ können wir dort sein und jedes Jahr neue Reifen bringen. Auch der Nutzen für die Straße ist wahrscheinlicher geworden, weil man von 13 zu 18 Zoll gewechselt ist.“
„Aber“, betont Bonardel, „wir wollen eine Geschichte erzählen, die zur Markenphilosophie von Michelin passt: Dass wir hochqualitative Reifen produzieren, die länger halten und nachhaltig sind.“ Hier biegt der aktuelle Weg der Formel 1 für den Franzosen in die falsche Richtung ab. „In der Ausschreibung der F1 gibt es zur Nachhaltigkeit gerade mal eine halbe Zeile. Es gibt diesbezüglich quasi null Erwartungshaltung und ist völlig egal: Wir könnten die Reifen nach dem Rennen auch verbrennen und niemand würde etwas sagen.“
Für Michelin das erste große No-Go. Das zweite ist die Rolle, die der Reifen in der Formel 1 momentan spielt: „Die Realität ist: Der Reifen wird benutzt, um eine schwierige Situation für den Fahrer zu schaffen. Er muss ihn managen und das gibt ein schlechtes Bild ab. Wir wollen aber nicht sehen, dass die besten Fahrer mit den besten Autos Probleme haben, das Auto auf Strecke zu halten und sich dann noch über die Reifen beschweren. Wir wollen, dass sie kämpfen können und happy sind mit ihrem Reifenpartner“, erklärt Bonardel.
Formel 1: „Das wäre doch toll für die Show“
Außerdem fügt der Reifenexperte hinzu: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Formel 1 wirklich daran interessiert ist einen anderen Reifenhersteller zu haben. Diese Ausschreibung ist nicht für einen Neueinsteiger geschrieben“, bemängelt Michelins Motorsportchef unter anderem das enge Timing für eine Einschreibung und die vielen vorzulegenden Daten und Informationen.
Zwar respektiere man, was die Promoter als Anforderungsprofil derzeit wollen, „aber wir sind nicht davon überzeugt, dass die Show besser wird, wenn das Produkt schlechter wird. Wenn das der Fall ist, warum sorgen sie dann nicht dafür, dass die Autos auseinanderfallen, je länger das Rennen dauert?“, lacht Bonardel: „Nach einer Runde verlierst du den Flügel, danach den Reifen und so weiter. Das wäre doch toll für die Show. Im Ernst: Warum soll nur der Reifen das sein, was als schwächste Komponente angesehen wird?“
Reifenexperte kritisiert Ausschreibung
Für den Franzosen ist klar: „Am Ende ist es Sport: Bei den French Open geben wir den Spielern auch keinen Schläger mit einem Loch drin, das ist einfach nicht das Spiel. Man kann mit Sport eine gute Show bieten und wir glauben, dass es tatsächlich Wege gibt, um das zu schaffen: Man kann die Dinge in der Balance halten, Kosten kontrollieren und trotzdem einen fairen Wettbewerb erlauben. Dann können wir uns eine Rückkehr gut vorstellen.“
Die Sportwagen-WM, wo Michelin seit Jahren im Einsatz ist und die Langlebigkeit des Produkts mehr im Fokus steht, trifft diese Voraussetzungen viel besser: „Wir sind sehr happy mit der WEC (Sportwagen-WM; Anm. d. Red.), nicht nur mit dem Reglement, sondern auch mit ihrer Ausrichtung in Bezug auf unsere eigenen Kriterien. Das passt ziemlich perfekt“, lobt Bonardel.
Dass sich die WEC mit den neuen Hypercars ebenfalls gerade im Aufwind befindet, hat nicht zuletzt der Ansturm auf die 24h von Le Mans gezeigt.