Ausgerechnet Red-Bull-Teamchef Christian Horner legt nach dem sechsten Sieg seines Rennstalls im sechsten Saisonrennen den Finger in die Wunde von Hauptkonkurrent Aston Martin.
Kostete das Alonso den Sieg?
„Ich glaube, wenn Fernando gleich die Intermediates aufgezogen hätte, dann wäre es deutlich enger geworden, und er hätte uns mal mindestens stark unter Druck gesetzt. Aber zum Glück hat er den Slick genommen, als der Regen losging“, bilanzierte der 49-Jährige erleichtert.
Dass die vom Briten angesprochene Szene in Runde 54 des Monaco Grand Prix wohl rennentscheidend war, belegen auch die nackten Zahlen: Vor Alonsos erstem Reifenwechsel auf Medium hatte der führende Verstappen zwar acht Sekunden Vorsprung auf den Spanier – diese verlor er im Vergleich zu anderen Piloten auf Intermediates aber im nassen zweiten Sektor, in dem er sich zusätzlich auch noch einen leichten Mauerkuss leistete.
Alonso, nach seinem Stopp ebenfalls auf Medium-Reifen, ereilte bei immer stärkerem Regen wenig später allerdings das gleiche Schicksal. Nachdem Verstappen sich an der Box Intermediates abgeholt hatte, musste auch der Spanier nur eine Runde nach seinem ersten Halt erneut zum Service kommen, um seine Reifenwahl zu korrigieren.
Mit den verlorenen knapp 20 Sekunden durch den Extra-Stopp konnte der Altmeister nicht mehr entscheidend im Kampf um den Sieg eingreifen - und wurde so zum Opfer der strategischen Ausrichtung der Reifenwahl.
Ex-Weltmeister Jenson Button zieht Fernando Alonso auf
Ex-Teamkollege Jenson Button zog Alonso nach dem Rennen deshalb im Fahrerlager auf: „Ihr habt so lange gewartet, um zu sehen, was das Wetter macht. Als es dann endlich angefangen hat zu regnen, habt ihr Slicks aufgezogen. Das habe ich jetzt nicht ganz verstanden.“
Alonso nahm den Seitenhieb mit Humor: „Wir können eben nicht so gut raten wie du, Jenson“, lacht der Spanier und erklärte damit gleichwohl die Bredouille seines Teams: „Es war zu diesem Zeitpunkt ziemlich verwirrend und schwierig vorherzusagen, veränderte sich auch von Minute zu Minute.“
Ein weiteres Hindernis sei die unterschiedliche Wahrnehmung gewesen: „Aus dem Cockpit heraus sah das Rennen sicher anders aus als von außen betrachtet. Für mich war klar, dass die Strecke in der Runde vor unserem Stopp bis auf Kurve sieben und acht komplett trocken war. Warum also sollten wir Intermediates aufziehen, wenn 99 Prozent der Strecke trocken sind?“, fragte Alonso rhetorisch.
Dann setzte allerdings zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt der plötzlich stärker werdende Regen ein: „Innerhalb von anderthalb Minuten hat es sich noch einmal komplett verändert, und meine Outlap auf den Trockenreifen war dann schon ziemlich nass“, so der 41-Jährige.
Teamchef Mike Krack erklärte, warum nicht nur sein Fahrer, sondern auch der Kommandostand nicht anders handeln konnte: „Wir dachten, dass es nur ein kurzer Schauer ist. Unsere Reifen hatten aber schon viele Runden drauf, wir mussten also wechseln, waren aber relativ sicher, dass es auch schnell abtrocknet, weil es so warm war.“
Timing von Aston Martin äußerst unglücklich
Das Timing des Stopps erwies sich für Aston Martin als äußerst unglücklich, wie der Luxemburger verriet: „Fernando ist rausgefahren, den Berg hoch, und erst da haben wir gesehen, dass es stärker regnet. Das war aber vorher auf keinem Radar zu sehen.“
Auch Ex-F1-Pilot und TV-Experte Anthony Davidson nahm allen voran Alonso in Schutz: „Fernando denkt im Cockpit sowieso immer darüber nach, was die beste Entscheidung ist und bleibt dabei stets ganz ruhig. Heute hat er sich zusammen mit dem Team für Slicks entschieden, das war zu dem Zeitpunkt auch kein Fehler. Aber so wie es dann lief, war es im Nachhinein natürlich nicht die beste Entscheidung.“
Bitter ist das vor allem, weil Aston Martin mit der eigenen Strategiewahl bereits vor dem Rennen den Grundstein für eine aussichtsreiche Attacke auf Red Bull gelegt hatte: Nach Alonsos Start auf harten Reifen geriet Verstappen durch den drohenden Regen mehr und mehr unter Druck. Er musste seine Reifen möglichst lange am Leben halten und den Stint ausdehnen, um nicht einen Extra-Stopp einlegen zu müssen, sollte der Himmel seine Schleusen öffnen.
Alonso war mit der langlebigeren Reifenkomponente indes in einer komfortablen Situation und konnte sich die Entwicklung in aller Ruhe anschauen – weshalb er die ungewöhnliche Strategie seines Teams nach dem Rennen verteidigte. „Mit harten Reifen aus Reihe eins, das kommt nicht so oft vor: Damit hätten wir auch Fünfter oder Sechster werden können, aber wir haben heute Morgen besprochen, dass wir in diesem Jahr schon einige Podestplätze hatten und jetzt auf alles oder nichts gehen.“
„Wir wollen dieses Jahr ein Rennen gewinnen und dachten, Monaco könnte vielleicht diese eine Chance sein. Vielleicht ist Singapur nun die nächste, möglicherweise auch schon Ungarn oder Mexiko später im Jahr“, erklärte der Spanier hinsichtlich der jeweiligen Streckencharakteristik und der Stärken von Aston Martin. Hinterhertrauern will er dem Sieg im Fürstentum nicht: „Unterm Strich war Max heute einfach schneller als wir, deshalb hat er auch verdient gewonnen.“
Verstecken muss sich der Doppelweltmeister der Jahre 2005 und 2006 aber keineswegs, wie Mathias Lauda bei Servus TV lobte: „Fernando war dieses Jahr bei allen Rennen auf dem Podium, bis auf eines – und da war er auch immerhin Vierter. Er hat eine Konstanz, die ist unglaublich. Die hat sonst nur Max.“
Das offenbart auch der WM-Stand: Nach seinem zweiten Platz in Monaco liegt Alonso nur noch zwölf Punkte hinter dem WM-Zweiten Sergio Pérez im zweiten Red Bull.