Sowohl Charles Leclerc als auch Carlos Sainz war die pure Frustration nach dem Großen Preis von Australien deutlich anzumerken. Ferrari erlebte in Melbourne einen neuerlichen Tiefpunkt, sodass in Maranello nach drei Rennwochenenden alle Alarmglocken schrillen.
Ferrari klagt über „schlimmsten Saisonstart“
Allen voran Leclerc nahm kein Blatt vor den Mund. „Das ist der schlimmste Saisonstart“, sagte der bedröppelte Monegasse und offenbarte: „Ich habe nach drei Rennen nur sechs oder acht Punkte. Das ist frustrierend. Ich kenne nicht mal die genaue Punktzahl.“ Weil sein Arbeitstag schon nach wenigen Augenblicken endete, war der 25-Jährige dementsprechend bedient.
In der dritten Kurve kollidierte Leclerc mit Aston Martin-Fahrer Lance Stroll, rutschte rückwärts ins Kiesbett und fuhr sich fest – der Worst-Case. Trotzdem suchte der WM-Dritte des Vorjahres die Schuld nicht bei der Konkurrenz. Stattdessen sei der Unfall eine unglückliche Kettenreaktion gewesen.
„Lance musste dann früh bremsen oder musste verzögern, weil Fernando bremste, weil Fernando seinerseits Autos vor sich hatte. Ich hatte ihn nicht gesehen, er befand sich in meinem toten Winkel. Und dann kam es zur Berührung“, analysierte der Ferrari-Pilot. Besonders bitter: Für Leclerc war es schon der zweite Ausfall in der jungen Saison.
Auch beim Auftaktrennen in Bahrain musste der Monegasse seinen Wagen frühzeitig abstellen. Dort führten technische Probleme zu einem vorzeitigen Rennende.
Sainz wütet nach „schlimmster Strafe“ und Rückstufung
Ebenso miserabel war die Laune beim Teamkollegen Carlos Sainz. Dass ihm die Rennleitung einen Podestplatz klaute, traf den Spanier hart.
„Ich bin schwer enttäuscht. Das ist die schlimmste Strafe, die ich in meinem Leben gesehen habe“, betonte Sainz gegenüber Sky. Vor dem letzten Restart lag der 28-Jährige noch auf einem aussichtsreichen Rang vier. Beim Neustart drehte er allerdings seinen Landsmann Fernando Alonso um, was ihm eine Fünf-Sekunden-Strafe einbrockte.
Als Sainz von Ferrari am Boxenfunk über die Entscheidung informiert wurde, ließ er seinen Unmut freien Lauf und stellte klar, dass er eine völlig andere Sicht auf die Dinge hatte: „Nein, das kann nicht sein. Nein, das ist inakzeptabel!“
Der Ferrari-Pilot flehte vehement: „Sie müssen bis zum Ende des Rennens warten und mich anhören. Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte – sie sollen erst mit mir diskutieren.“ Alle Versuche halfen nichts. Sainz purzelte in der Endabrechnung von Platz drei bis auf die zwölfte Position zurück.
Unfallopfer Alonso kritisiert Sainz-Strafe
Dass Sainz nicht einmal angehört wurde, prangerte auch Ferrari-Teamchef Fred Vasseur an: „Die Strafe ist sehr hart und die Tatsache, dass man sich nicht einmal fünf Minuten Zeit gelassen hat, um das mit Carlos zu diskutieren, ist hart zu akzeptieren.“
Und selbst der betroffene Alonso fand die Strafe gegen seinen Landsmann ungerechtfertigt. Grund sei in erster Linie die Safety-Car-Phase am Rennende, sodass alle Boliden in engen Abständen ins Ziel fuhren.
„Die Fünf-Sekunden-Strafe für Sainz war zu hart, denn als das Feld in so dichter Folge über die Ziellinie kam, wurde er dadurch gnadenlos zurückgereicht. Es ist für uns Fahrer oft nicht leicht, den Haftungsgrad von Piste und Reifen richtig einzuschätzen, und ich kenne keinen Piloten, der absichtlich einen Gegner anschubst. Denn dabei kann ja immer auch der eigene Wagen beschädigt werden“, erklärte Alonso.
Hinsichtlich eines Protests gegen die Entscheidung gab sich Vasseur zurückhaltend: „Im Paddock gibt es 50 Prozent der Leute, die sagen es ist eine harte Entscheidung, die anderen sagen, es ist ok. Dennoch wäre es gut, sich fünf Minuten Zeit zu nehmen und das alles zu besprechen.“
Ferrari-Teamchef Vasseur ringt um positive Signale
So oder so steht Ferrari nach drei Rennen vor einem Scherbenhaufen. Vasseur bemühte sich noch um positive Aspekte. „Wir sind nach Dschidda gut zurückgekommen. Die Pace war da, die Konstanz war da und darauf müssen wir aufbauen“, sagte der 54-Jährige.
Nach einer vierwöchigen Pause geht es erst Ende April beim Großen Preis von Aserbaidschan in Baku weiter. So lange dürften in Maranello einige Köpfe rauchen. Einiges an Arbeit ist notwendig, um die Stimmung wieder aufzuhellen. Neben dem fehlenden Rennglück lässt die Leistung des SF-23 weiterhin zu wünschen übrig.
In der Gesamtwertung liegt Sainz nur auf dem fünften Rang und hat bereits 49 Punkte Rückstand auf WM-Leader Max Verstappen. Leclerc ist als Zehnter noch deutlich weiter abgeschlagen.