Mit dem Großen Preis von Australien legt die Formel 1 wieder los - und AlphaTauri hat sich Down under einiges vorgenommen, nachdem sowohl beim Saison-Auftakt in Bahrain als auch beim Grand Prix in Saudi-Arabien kein einziger Punkt eingefahren werden konnte.
„Ich will nicht Micks Umfeld kritisieren, aber ...“
Im SPORT1-Interview erklärt Teamchef Franz Tost, wie er über die aktuellen Leistungen seines und anderer Teams vor dem Qualifying in Melbourne (Sa. ab 7 Uhr im Liveticker) denkt.
Der 67-Jährige, der einst auch die ersten F1-Fahrversuche von Weltmeister Max Verstappen (Red Bull) miterlebt hat, bezieht zudem Stellung zu den Supertalenten in der Königsklasse des Motorsports – und spricht über Mick Schumacher nach dessen Aus beim Team Haas.
SPORT1: Franz Tost, wie sehen Sie die Zukunft von Mick Schumacher?
Franz Tost: Es ist schade, dass er im entscheidenden dritten Jahr nicht dabei ist. Ich hätte gerne mit ihm gearbeitet, aber er war immer ein Ferrari-Academy-Fahrer und ist dadurch bei uns nicht ins Blickfeld gerückt. Er hat einen Platz in der Formel 1 verdient. Ich bin übrigens derselben Meinung wie sein Onkel Ralf: Wäre sein Vater an seiner Seite gewesen, dann wäre Mick hundertprozentig noch in der Formel 1.
SPORT1: Wie meinen Sie das?
Tost: Allein wegen Michaels Persönlichkeit wäre das alles anders gelaufen. Ich will damit nicht Micks Umfeld kritisieren, aber wenn ein Michael Schumacher mit einem Teamchef spricht, dann ist das eine andere Hausnummer. Zum Glück ist er jetzt dritter Fahrer bei Mercedes. Er muss einfach hart weiterarbeiten und hoffen, dass sich eine Chance ergibt – und die dann nutzen. Ich bin überzeugt, er wird das auch tun.
SPORT1: Kommen wir zu AlphaTauri. Warum sind Sie nicht zufrieden mit der bisherigen Saison?
Tost: Unser Ziel war es, im Qualifying ins Q3 zu kommen und um Punkte zu fahren. Das ist bisher nicht gelungen. Das Auto ist zu langsam. Das Problem ist die Aerodynamik. Besonders auf den Geraden fehlt uns der Speed. Wir müssen jetzt Wege finden, um aus dem Dilemma herauszufinden. Wir sind da auf einem guten Weg. Dazu gehört auch, den Red Bull-Windkanal in England besser zu nutzen. Dafür war ich vergangene Woche in Milton Keynes. Wir haben die Schwachstellen des Autos ausgemacht und müssen jetzt so schnell wie möglich neue Teile produzieren.
SPORT1: Sie haben ihre Ingenieure hart kritisiert. Von Vertrauensverlust war da die Rede. Gibt es personelle Veränderungen?
Tost: Ja. Das Aero-Departement wurde umorganisiert. Wir haben uns von Mitarbeitern getrennt. Ich erwarte jetzt von den neuen Leuten eine Leistungssteigerung. Ich will aber noch keine Namen nennen. Nur soviel: Die Verantwortung ist jetzt auf drei Leute verteilt.
SPORT1: Aston Martin hat den Red Bull quasi kopiert und ist deshalb jetzt konkurrenzfähig. Warum kann AlphaTauri das als Schwesterteam von Red Bull nicht?
Tost: Weil wir nicht einfach fähige Leute von Red Bull Racing abwerben können, wie Aston Martin das gemacht hat. Diese Neuzugänge haben frühzeitig das neue Auto entwickeln können. Das Ergebnis sehen wir jetzt. Aber auch bei uns gilt: Die Zusammenarbeit mit Red Bull wird jetzt verstärkt. Das Reglement ist allerdings ganz genau. Man darf nicht einfach Teile kopieren. Wir dürfte nur Red Bull-Teile übernehmen, die offiziell erlaubt sind. Die sind aber nicht Performance-relevant. Den Rest müssen wir selbst entwickeln. Da schaut die FIA genau hin.
SPORT1: Es gab Gerüchte, AlphaTauri stehe zum Verkauf. Wie sehr nervt Sie das?
Tost: Die Gerüchte gab es schon immer. Früher habe ich Didi Mateschitz angerufen, der davon nichts wusste. Heute regle ich das mit den neuen Verantwortlichen. Die haben mir jetzt erneut bestätigt: AlphaTauri steht nicht zum Verkauf. Ich hatte gute Gespräche mit Oliver Mintzlaff. AlphaTauri wird weiterhin das Team sein, das junge Fahrer ausbildet. Aber wir sind beide der Meinung, dass unsere Leistung besser werden muss.
SPORT1: Wie zufrieden sind Sie mit Yuki Tsunoda und Nick de Vries?
Tost: Yuki fuhr zwei extrem starke Rennen. Ich bin sehr zufrieden mit ihm. An ihm lag es nicht, dass wir noch nicht konkurrenzfähig sind. Nick ist Neuling und braucht noch Zeit. Aber das habe ich erwartet.
„Fahrerfeld das beste, das es jemals gab“
SPORT1: Wäre Yuki 2024 schon bereit, Teamkollege von Max Verstappen bei Red Bull zu sein?
Tost: Soweit ich weiß, hat Sergio Perez für nächstes Jahr noch einen Vertrag. Ich kann nur sagen: Yuki ist auf einem sehr guten Weg. Er hat sich in jeder Beziehung verbessert. Auch technisch und in der Arbeit mit den Ingenieuren. Aber ich denke, 2024 sollte er noch einmal bei AlphaTauri fahren. 2025 sehe ich ihn dann endgültig bereit für Red Bull. Grundsätzlich muss ich sagen: Das Fahrerfeld in der Formel 1 ist das beste, das es jemals gab. Es gibt niemanden in der Formel 1, der seinen Platz nicht verdient hat.
SPORT1: Ist Max Verstappen überhaupt von einem Teamkollegen zu schlagen?
Tost: Neben Max wird jeder die Nummer zwei sein. Er ist im Moment der schnellste und beste Fahrer. Wenn du dann Zweiter wirst, hast du schon gewonnen. Zumindest an Erfahrung (lacht).
Verstappen? „Den Egoismus sich durchzusetzen“
SPORT1: Was macht Verstappen so stark?
Tost: Er hat eine sensationelle Ausbildung genossen – angefangen bei seinen Eltern, die beide auch Rennen gefahren sind und Max früh ins Kart gesetzt haben. Sein Vater Jos hat jedes Detail für Max vorbereitet, aber Max hat auch umgesetzt. Dazu kommt: Er hat bei all seinem Talent und extrem hohen fahrerischen Niveau auch die notwendige mentale Stärke. Er hat alles, was ein Champion braucht. So wie Fangio, Senna, Prost, Michael Schumacher, Sebastian Vettel oder Lewis Hamilton. Die sind alle gleich gestrickt: Neben dem Supertalent und dem Gefühl für die Kurvengeschwindigkeit haben sie noch eins gemein: Die totale Fokussiertheit auf ihren Sport und den Egoismus sich durchzusetzen. Dazu gehört auch, ein Team zu nerven. Einen Fahrer, der nie aufmuckt, kann man vergessen.
SPORT1: Kann man Red Bull in diesem Jahr noch stoppen?
Tost: Ich bezweifle das.