Über die Zukunft von Mick Schumacher wird derzeit viel spekuliert.
„Mick ist das kleinste Risiko“
Noch ist der 23-Jährige ohne Vertrag für die kommende Saison. In der Sommerpause, die mit dem Grand Prix in Spa-Francorchamps endet, habe es keine Vertragsgespräche mit seinem Haas-Rennstall gegeben, bestätigte Schumacher. Er habe den Verantwortlichen Zeit zur Erholung geben wollen: „In der Pause soll und darf nicht gearbeitet werden und das respektiere ich.“
Die Sommerpause ist nun aber vorbei. Am Sonntag startet die Formel 1 in die heiße Phase. Mit Spa, Zandvoort und Monza gibt es drei Rennen in Folge, in denen sich Schumacher beweisen kann. (Der Große Preis von Belgien, Sonntag, 15.00 Uhr im LIVETICKER).
SPORT1 hat vor dem Rennen in Spa mit Haas-Teamchef Günther Steiner über den aktuellen Stand bei Schumacher, worauf es jetzt für ihn ankommt, aber auch über mögliche Alternativkandidaten für das vakante Cockpit gesprochen.
SPORT1: Audi hat den Einstieg in die Formel 1 verkündet, allerdings das Team noch nicht benannt, das man kaufen will. Steht Haas zur Debatte?
Günther Steiner: Nein, Sie wissen ja auch, mit wem Audi kommt. (DATEN: Die Fahrerwertung der Formel 1)
SPORT1: Sauber.
Steiner: (lacht) Genau! Wir sind es jedenfalls nicht.
Steiner über Mick Schumacher: „Alles ist offen“
SPORT1: Das Hauptthema, um das es sich aktuell bei Ihnen dreht, sind die Fahrer. Mick Schumacher hat noch keinen Vertrag für 2023. Wovon hängt es ab, ob Sie ihn behalten wollen?
Steiner: Am Ende auch vom Gefühl. Gehen wir das Risiko ein mit einem neuen Fahrer wie Daniel Ricciardo, der bei McLaren aber eine schwierige Zeit hinter sich hat? Oder bleiben wir bei einer bekannten Größe? Wenn du beim Risiko gewinnst, stehst du als Held da. Sonst bist du der Volltrottel.
SPORT1: Oder Clown, wie Sie einst auf Netflix zu sagen pflegten. Aber wenn Sie sich bei anderen Piloten wie Ricciardo oder Antonio Giovinazzi gar nicht so sicher sind, warum ist eine Verlängerung mit Mick Schumacher dann trotzdem keine Selbstverständlichkeit?
Steiner: Wer sagt denn überhaupt, dass Mick gehen soll? Das sagen doch die Medien, nicht ich. Ich sage: Alles ist offen. Das heißt auch, dass Mick bleiben könnte. Jeder sagt, Mick geht und wir sollen Daniel nehmen. Wieso? Es geht darum, wer nächstes Jahr die beste Leistung für Haas bringen kann. Ganz simpel.
SPORT1: Was spricht für Mick? (DATEN: Die Teamwertung der Formel 1)
Steiner: Er muss Leistung bringen.
Das spricht für Mick Schumacher
SPORT1: Ok, aber was spricht bisher für Mick?
Steiner: Seine Leistungen in Kanada, Silverstone und Österreich. Die sprechen für ihn. Deswegen: Wir sind ja fair. Aber ich muss jetzt auch nicht schnell jemanden bekanntgeben, nur um die Öffentlichkeit zufrieden zu stellen.
SPORT1: Haben Sie keine Angst, dass Sie ihn an ein anderes Team verlieren könnten?
Steiner: Angst habe ich nie.
SPORT1: Und Sorgen?
Steiner: Nein. Wenn er gehen will, dann soll es so sein. Dann ist es unsere eigene Schuld und dann werden wir eine andere Lösung finden.
SPORT1: Nach welchen Kriterien beurteilen Sie einen Fahrer?
Steiner: Speed, Potential für die Zukunft. Wie arbeitet er mit dem Team zusammen, wie harmonisch läuft es? Der größte Faktor ist Leistung.
SPORT1: Wie schnell ist Mick Schumacher?
Steiner: Ich weiß es nicht.
SPORT1: Wie bitte?
Steiner: Ich weiß noch nicht, wie konstant schnell er ist. Ich glaube auch nicht, dass er es selbst weiß, denn sonst würde er ja konstant Leistung bringen. Ich glaube, er muss weiter Erfahrung sammeln. Erfahrung ist aber nicht wie Schokolade. Erfahrung schmeckt nicht immer süß.
„Wir müssen auch langsam von seinem Vater wegkommen: Mick ist eine eigene Persönlichkeit“
SPORT1: Wie gut ist er im Umgang mit dem Team? Man hört, er soll sich da vieles bei seinem Vater abgeschaut haben.
Steiner: Ich habe mit seinem Vater nie gearbeitet, kann dazu deshalb nichts sagen. Wir müssen auch langsam von seinem Vater wegkommen: Mick ist eine eigene Persönlichkeit. Ich respektiere seinen Vater, aber wir müssen jetzt Mick Schumacher aufbauen. Er kommt mit seinem Renningenieur sehr gut aus, mit dem Rest vom Team auch. Dahingehend macht er einen guten Job.
SPORT1: Können Sie verstehen, dass uns das aus deutscher Sicht interessiert? Die Formel 1 liegt in Deutschland schon auf der Intensivstation. Ohne Fahrer wäre sie tot...
Steiner: ...Natürlich. Ich verstehe das komplett. Ich bin ja nicht ganz doof.
SPORT1: Aber der deutsche Formel-1-Fan fragt sich natürlich: Wer ist denn aktuell auf dem Markt, der besser sein könnte?
Steiner: Wer besser ist, da muss ich nachdenken. Wenn ich es wüsste, würde ich ja die Entscheidung treffen. Das ist nicht so einfach. Ricciardo könnte besser sein, wenn er zurückfindet zu seiner alten Form. Wir wollen jedenfalls die besten verfügbaren Fahrer haben. Um Geld geht es nicht. Wir haben es letztes Jahr mit zwei Rookies probiert, als wir sowieso wussten, dass wir keine Punkte holen. Einer ist übrig geblieben. Das ist Mick. Und der muss jetzt halt beißen, um noch mal übrig zu bleiben. Meine Aufgabe ist herauszufinden: Wo liegt das größte Potential für HaasF1 mit dem kleinsten Risiko? Hülkenberg wäre ein Risiko, Ricciardo wäre ein Risiko. Alle sind Risiken außer Lewis Hamilton oder Max Verstappen. Aber die kommen nicht.
SPORT1: Aber umgedreht wäre Mick Schumacher dann ja das kleinste Risiko, weil seine Parameter bekannt sind.
Steiner: Da muss ich Ihnen diesmal Recht geben. Von den Fahrern, die auf dem Markt sind, ist er das kleinste Risiko. Das heißt aber noch lange nicht, dass wir das kleinste Risiko gehen wollen. Wenn Mick die nächsten drei Rennen fährt wie in Spielberg, ergibt sich die Entscheidung automatisch. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)
Domenicali? „Mischt sich nicht ein“
SPORT1: Wie viel Druck macht Ihr Freund Stefano Domenicali? Der Formel-1-Boss will Mick Schumacher doch bestimmt in der Formel 1 halten...
Steiner: Da mischt sich Stefano nicht ein. Das will und kann er auch nicht, denn dann wäre er ja Einflussnehmer. Da muss sich der Promoter raushalten. Er hat natürlich Wünsche, die hat er aber nie geäußert.
SPORT1: Inwiefern spielt der Name Schumacher für Sie im Team eine Rolle? Zum Beispiel bei der Sponsorenakquise?
Steiner: Wenn Mick schnell ist, ist es sicher schön, den Namen zu haben. Aber ich sage es gerne noch einmal: Mick braucht nicht mehr im Schatten seines Vaters zu leben. Er kann er selbst sein. Das ist ja eine positive Entwicklung. Ich habe vollen Respekt vor dem, was Michael geleistet hat. Und es ist sicher schwierig, aus dem Schatten von einem siebenmaligen Weltmeister zu springen. Aber irgendwann wird es sowieso passieren. Und das ist gut für Mick.
SPORT1: Welche Rolle spielen für Sie die Nebengeräusche, die der Name aktuell verursacht? Konkret beispielsweise die Kritik von Sky Deutschland.
Steiner: Das spielt keine Rolle. Das hat ja nichts mit Mick zu tun. Er hat das ja nicht gesagt. Wir haben auch drüber gesprochen. Und ich habe ihm gesagt: „Ich bin‘s langsam satt, dieses blöde Gerede. Ich habe aber kein Problem damit, was dein Onkel sagt.“ Am Ende muss ich ein Team leiten und mache das so, wie ich es will. Und ich muss auch nicht mit Sky sprechen. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)
SPORT1: Der Teambesitzer ist Gene Haas. Wer trifft am Ende die Entscheidung?
Steiner: Wir entscheiden es zusammen, wobei Gene mich logischerweise überstimmen kann. Wir sind uns aber immer einig geworden. Er hört schon auf meinen Rat. Wir reden in Ruhe, wenn er nach Zandvoort und Monza kommt. Wir sitzen dann stundenlang am Frühstückstisch und nehmen uns Zeit für die Entscheidung. Das ist keine Sache, die man am Telefon bespricht. Und sollten wir noch keine Lösung haben, kann ich nach Monza auch in die USA fliegen. Wir haben also keinen Zeitdruck.
SPORT1: Das heißt nach Adam Riese: Die Entscheidung fällt Mitte bis Ende September?
Steiner: Netter Versuch. Schauen wir mal.