Ist sein Boss Günther Steiner zu hart? Oder ist Mick Schumacher nicht hart genug?
Ist Micks Boss wirklich der Böse?
Es ist die große Frage, die über dem in dieser Saison weiter punkt- und glücklosen Sohn von Rekordweltmeister Michael Schumacher schwebt - und auch die Experten-Welt der Formel 1 spaltet. (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)
Vor dem Rennen in Baku stellten Mick Schumachers Onkel Ralf, aber auch Timo Glock im SPORT1-Interview und recht unverhohlen auch Mercedes-Teamchef Toto Wolff infrage, ob Haas-Boss Steiner richtig mit seinem 23 Jahre jungen Schützling umgeht. (Wolffs Aussagen über Mick Schumacher: Pikant auf mehreren Ebenen)
Steiner hat sich in einem TV-Interview kurz vor Rennbeginn offensiv verteidigt, nun springt ihm auch SPORT1-Experte Christian Danner zur Seite. Er findet: Der Südtiroler macht‘s genau richtig!
Danner: Schumacher wäre früher „sofort gefeuert“ worden
„Die Ansage an ihn war höchste Zeit“, sagte der frühere F1-Pilot im AvD Motor & Sport Magazin auf SPORT1. Er findet nicht, dass der öffentliche Druck, den Steiner auf Schumacher gemacht hat, übertrieben und kontraproduktiv war.
Er findet: „Der Chef, dem der Fahrer zwei Totalschaden abliefert, der wird doch mal sagen dürfen: Mein lieber Bursche, jetzt lass das mal mit dem Crashen. Und er hat ja permanent gecrasht.“
Aus Sicht Danners muss Schumacher im Gegenteil froh sein, dass Steiner keine härteren Konsequenzen gezogen hat: Jackie Oliver, sein früherer F1-Teamchef 1986 bei Arrows, hätte ihn „sofort gefeuert“, glaubt der 64-Jährige. „Wir wären weg gewesen“, meinte Danner an den zugeschalteten Marc Surer gewandt, der damals sein Teamkollege war.
Surer: „Der Günther Steiner ist halt ehrlich“
Der Schweizer Surer ist bei dem Thema zwiegespalten. Er fürchtet, dass Steiners Ansagen sehr wohl Spuren hinterlassen bei Schumacher - in Verbindung mit den mentalen Folgen der Unfälle: „Jetzt kommt dazu, dass Mick durch die Crashs verunsichert wurde. Das Team sagt ihm, du darfst nichts mehr kaputt machen. Du kannst in Baku nur schnell fahren, wenn du frei von der Leber Gas geben darfst. Das hat ihn verunsichert.“
Schumacher verpasste am Sonntag in Baku als 14. erneut die Punkte, im Qualifying am Samstag lief es sogar noch schlechter als im Rennen. Der 23-Jährige belegte den undankbaren 20. und somit letzten Platz, zeigte sich danach auch im Interview gereizt und angespannt. (DATEN: Die Fahrerwertung der Formel 1)
Auch Steiner, der deswegen nun auch selbst unter Rechtfertigungsdruck steht, wirkt angefasst, wehrt sich in seinem denkwürdigen Sky-Interview gegen den Vorwurf „unhuman“ mit Schumacher umzuspringen und ihn nicht ausreichend zu schützen - tätigte im selben Zug aber neue Aussagen, die als öffentliche Demontage Schumachers verstanden werden können („Wenn ich nach einem Rennen lese, was wir alles falsch gemacht haben. Ich habe für jede dieser Dinge zehn Sachen, wo Mick schlecht ist“).
Surer bekundet trotzdem Sympathie für Steiner: „Der Günther Steiner ist halt ehrlich. Der sagt was und hinterher fällt es auf ihn zurück. Und mit den heutigen Medien kommt das Meiste in hundertfacher Form zurück. Ich mag den Günther Steiner, weil er eine ehrliche Haut ist. Wenn er etwas sagt, dann meint er es auch so.“
Es ist ein Kontrapunkt zu der kritischeren Bewertung von Ralf Schumacher, der Steiners Führungsstil vor Baku als „autoritär“ und „nicht mehr zeitgemäß“ bewertete und die These aufstellte, „dass Mick unter einem Teamchef wie Franz Tost oder Andreas Seidl schon Punkte auf dem Konto hätte“.
Braucht Mick Schumacher mehr Nestwärme, als Steiner geben kann? Richtet seine direkte Art mehr an, als dass sie Schumacher hilft? Oder kann Schumacher die von Steiner verursachte Reibung im Gegenteil sehr gut brauchen, um an ihr zu wachsen?
Sind die neuen Formel-1-Autos Teil des Problems?
Wie auch immer man es bewertet: Die akute Lage für Schumacher wird immer verfahrener, auch durch den neuen und anders als Vorgänger Nikita Mazepin grundsoliden Teamkollegen Kevin Magnussen - der regelmäßig beweist, dass es mit dem Auto möglich ist, Punkte zu ergattern und so zusätzlich den Druck auf das Nachwuchstalent erhöht. (DATEN: Die Teamwertung der Formel 1)
Surer verweist aber auch darauf, dass die Regel-Revolution vor der Saison für Schumacher verhängnisvoll gewesen zu sein scheint: „Die bisherigen Autos sind schwerer zu fahren, das merkt der Mick. Man hat das auch bei anderen Piloten gesehen“, etwa bei Williams-Pilot Nicholas Latifi: „Der kommt ja überhaupt nicht klar mit dem bisherigen Auto und fuhr letztes Jahr teilweise auf dem Niveau von Russell. Er hat schon gute Rennen gezeigt, im letzten Jahr. Und jetzt ist er nirgendwo mit diesem Auto.“
Schon am kommenden Wochenende steht das nächste Rennen in der Formel 1 an. Beim Großen Preis von Kanada in Montreal wird Mick Schumacher die nächste Chance bekommen, die ersten WM-Punkte zu holen - und endlich auch Pluspunkte zu sammeln, was seine eigene Zukunft angeht, auch bei den Entscheidern seines Vertragspartners Ferrari. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)
Surer glaubt, dass ein gutes Ergebnis bei Schumacher viele Blockaden lösen und ihm aus den sich selbst verstärkenden Teufelskreis ausbrechen lassen könnte: „Der Mick braucht dringend ein Erfolgserlebnis. Er braucht ein Wochenende, wo er einfach Glück hat und es läuft. Er braucht unbedingt mal Punkte.“
Am besten schon am Sonntag.