Die vergangene Saison war schwierig, der Start der aktuellen vom Wirbel um das Aus für Nikita Mazepin überschattet - aktuell aber läuft es für den Haas-Rennstall mit Mick Schumacher.
Mazepin-Klarstellung lässt aufhorchen
Mit Kevin Magnussen, der für den suspendierten Mazepin im Cockpit sitzt, hat sich das Team verbessert und bereits zwölf Punkte eingefahren - im Qualifying für Imola hat Magnussen mit Platz 4 am Freitag erneut ein Ausrufezeichen gesetzt. (DATEN: Die Teamwertung der Formel 1)
Im SPORT1-Interview vor dem Sprintrennen in Imola spricht Teamchef Günther Steiner über die Fortschritte, welche zentrale Rolle Magnussen dabei spielt und die Unterschiede im persönlichen Verhältnis zu ihm und untereinander.
In Bezug auf Mazepin und die teaminterne von dessen schwerreichem Vater Dmitri äußert der 57-Jährige auch eine Klarstellung, die manch einen überraschen wird. (Mazepins Aus bei Haas: Das lief hinter den Kulissen)
Steiner: Mick Schumacher „hat jetzt eine Referenz“
SPORT1: Herr Steiner, wie fällt Ihr Fazit nach den ersten drei Rennen mit der neuen Fahrerpaarung aus dem erfahrenen Kevin Magnussen und dem jungen Mick Schumacher aus?
Günther Steiner: Gut! Ich bin sehr zufrieden. Auch wie die beiden Jungs zusammenarbeiten. Es ist für Mick gut, Kevin im Team zu haben. Er hat jetzt eine Referenz, er kann an den Daten ablesen, was der andere macht. Es hilft Mick sehr. Man muss mit ihm ein wenig Geduld haben. Das Auto ist nun gut, jetzt muss man sehen, wo seine Reise hingeht.
SPORT1: Wie genau kann ein Fahrer von seinem Teamkollegen lernen?
Steiner: Durchs Studieren der Telemetriedaten. Du siehst quasi alles. Wo er bremst, wo er Gas gibt usw. Bei der Fahrzeugabstimmung ebenfalls. Wenn du deinem Kollegen vertraust, hörst du ihm zu: Wie stimmt er das Auto ab, wie geht er mit dem Auto um? Das alles hilft bei der Entwicklung eines jungen Fahrers weiter. Wenn du keine Referenz hast, kannst du dir das auch irgendwann selbst beibringen. Aber es dauert. Wenn du neben dir einen erfahrenen Professor sitzen hast, ist es einfacher und geht auch viel schneller. Das hat er, glaube ich, in der letzten Saison vermisst.
SPORT1: Wie bereit ist Kevin Magnussen denn dazu, den Fahrlehrer zu spielen?
Steiner: Er ist sehr offen. Es ist bemerkenswert. Er hat keinerlei Probleme damit, dass wird auch Mick bestätigen. Kevin ist ja mit seinen 29 Jahren auch noch relativ jung, aber er hat ein erstaunliches Selbstbewusstsein. Er sagt sich: Wenn Mick besser wird, ist das ja auch gut für für das Team. (So sieht Kevin Magnussen selbst die Arbeit mit Mick Schumacher)
SPORT1: Kommt seine Lockerheit auch daher, dass er ein Jahr Pause von der Formel 1 gemacht hat?
Steiner: Absolut! Weil man ja Dinge oft dann erst richtig vermisst und zu schätzen weiß, wenn man sie mal nicht mehr hat. Du vermisst die Sonne erst, wenn es mal länger regnet. Für Kevin ist die Formel 1 wie die Sonne, die nach einem Jahr Regenzeit jetzt noch heller scheint als zuvor. Man genießt sie plötzlich noch mehr. Vielleicht wird es anders, wenn Mick mit ihm um Punkte kämpft. Aber auch das ist kein Problem, solange man sich respektiert und alles im fairen Rahmen bleibt.
SPORT1: In welchen Bereichen kann den Mick vom Teamkollegen noch am meisten lernen?
Steiner: Er muss sich daran gewöhnen, dass er jetzt im Mittelfeld kämpfen kann und nicht mehr nur mit seinem Teamkollegen darum, wer Letzter wird. Jetzt kämpft er um Punkte nicht nur mit Leuten, die das gleiche Material haben wie er, sondern auch mit denen, die andere Autos fahren. Diese Situation ist neu für ihn. Und das dauert ein wenig, weil er letztes Jahr nie die Gelegenheit hatte dazu.
SPORT1: Aber bei seinem heftigen Unfall beim Qualifying in Saudi-Arabien fuhr er alleine, befand sich in keinem Duell. (DATEN: Der Rennkalender der Formel 1)
Steiner: Auch das gehört zum Lernprozess. Dass, wenn mal zu viel will, am Ende weniger dabei herauskommt. So einen heftigen Unfall willst du nicht noch mal haben. Das Auto war total kaputt, aber wichtiger war, dass er unverletzt blieb. Aber wird das auch ein zweites Mal so sein? Die Kunst in der Formel 1 ist ja, das Limit zu finden. Nicht drunter zu bleiben aber auch nicht drüber. Das ist ein anderer wichtiger Lernprozess. Aber das weiß er jetzt auch.
„Ich spüre genau, ob mir jemand richtig zuhört“
SPORT1: Sind die Autos mit weniger Abtrieb in dieser Saison auch schwerer zu fahren?
Steiner: Klar, sie haben weniger Abtrieb, also brauchst du noch mehr Talent. Aber das ist Teil des Geschäfts. Wären die Autos einfach zu bewegen, könnte jeder damit um die Strecken fahren. Aber dann wäre die Formel 1 auch nicht mehr interessant.
SPORT1: Kommen wir zu dem guten Verhältnis in diesem Jahr zwischen Lehrer Magnussen und Schüler Schumacher zurück: Heißt das auch, dass Sie weniger ernsthafte Gespräche mit den beiden führen müssen als im letzten Jahr? Da wirkten Schumacher und Nikita Mazepin teils wie Hund und Katz.
Steiner: Ja. Wenn ich Kevin in die Augen schaue, weiß ich, was er denkt. Wenn ich Mick in die Augen schaue, weiß ich was er denkt. Ich spüre genau, ob mir jemand richtig zuhört und es versteht oder einfach nur „Ja“ sagt, in Wirklichkeit aber etwas völlig anderes denkt. Ich kann nur sagen: Nachdem ich ihnen letztes Jahr endgültig gesagt habe, dass ich keine Lust mehr habe, an der Boxenmauer die Arschbacken zusammenkneifen zu müssen, nur weil ich Angst habe, dass sie schon wieder in die Kiste fahren, haben sie es endgültig verstanden. Gegen Ende der letzten Saison war dann der notwendige Respekt vorhanden. Und wie gesagt, den haben Kevin und Mick dieses Jahr von Anfang an gehabt.
Mazepin? „Den Hauptanteil hat jemand anders bezahlt“
SPORT1: War das Problem mit Mazepin vielleicht auch, dass sein Vater der Hauptsponsor war?
Steiner: Wahrscheinlich. Aber das ganze Thema wurde von außen zu heiß gekocht. Mazepins Vater hatte als Vater zwar ein Recht auf Information, aber er hatte kein Mitspracherecht. Und seien wir mal ehrlich: Sind wir Väter nicht alle gleich? Wenn es bei meiner Tochter mal nicht läuft, sind alle anderen schuld, aber bestimmt nicht meine Tochter. Trotzdem: Ich muss es in dieser Deutlichkeit mal sagen. Das Sponsoring von Mazepin hat geholfen, aber den Hauptanteil hat jemand anders bezahlt: nämlich der Besitzer, Gene Haas.
SPORT1: Kommen wir zurück ins Jahr 2022: Weil Haas so erfolgreich in die Saison gestartet ist, zeigen die Konkurrenten mit dem Finger auf Ihre enge Zusammenarbeit mit Ferrari. Angeblich hat auch die FIA das Konstrukt im Visier. Was sagen sie dazu? (NEWS: Alle aktuellen Infos zur Formel 1)
Steiner: Davon weiß ich nichts. Das kommt wieder nur von außen. Ich habe auch kein Schreiben von der FIA bekommen. Wir machen alles, was wir dürfen. Wir machen nichts Illegales, das steht fest.
SPORT1: Letzte Frage: Wann geben Sie eigentlich den neuen Zwei-Jahres-Vertrag von Mick Schumacher bekannt? Müsste doch logisch sein, dass er als Ferrari-Junior noch zwei Jahre Haas fährt, da Carlos Sainz nun ja zwei Jahre mit Ferrari verlängert hat.
Steiner: (schmunzelt) Da müssen wir noch etwas Geduld haben. Wir haben gerade mal vier Rennen absolviert. Ich habe es, wie jeder weiß, damit nicht sehr eilig. Mick ist ein Ferrari-Pilot. Mit ihnen hat er zuerst einen Vertrag. Und danach erst mit mir. Es liegt bei Ferrari. Es ist ja kein Geheimnis, dass Ferrari einen unserer zwei Piloten bestimmen kann.