Es war der berühmteste Feuerunfall der Rennsportgeschichte. Und er machte den 2019 verstorbenen Niki Lauda zur Legende, bereits zu Lebzeiten. Dabei konnte sich der Österreicher nicht mehr daran erinnern, wie er am 1. August 1976 am Nürburgring im lichterloh brennenden Ferrari saß.
Wie eine Legende dem Feuer entkam
"Ich wusste nur noch, wie ich nach dem Reifenwechsel aus der Box fuhr", erzählte Lauda einst. "Danach hatte ich einen Filmriss. Erst auf dem Weg in irgendein Krankenhaus wurde ich wieder klar im Kopf - mehr oder weniger."
Unvergessen ist Laudas Crash auch deshalb, weil er nur 42 Tage nach dem Crash auf dem Nürburgring wieder im Cockpit seines Rennwagens saß. Das folgende WM-Duell mit dem Briten James Hunt war 2013 im Film "Rush" im Kino zu sehen. Bei seinem ersten Rennen nach dem Unfall wurde Lauda in Monza Vierter.
"Die schnelle Rückkehr gehörte zu meiner Strategie, nicht lange daheim zu sitzen und darüber nachzugrübeln, warum und wieso mir das Ganze widerfahren ist", erklärte er später: "Ich bin nach sechs Monaten wieder so gefahren wie früher - oder sogar besser, und das kann man nur dann, wenn man ein Problem hundertprozentig gelöst hat."
Fahrerkollege rettete Niki Lauda nach Feuer-Unfall 1976
Im Gegensatz zu Lauda kann sich sein Fahrerkollege Arturo Merzario (77) noch ganz genau an den Unfall erinnern. Merzario rettete seinem Fahrerkollegen das Leben, hievte ihn aus dem brennenden Auto. "Niki schrie vor Schmerz und Angst", berichtet Merzario später: "Sein Körper war so angespannt, dass ich die Sicherheitsgurte nicht gleich lösen konnte. Die Hitze war so extrem, dass ich ein paar Mal einen Schritt zurück gehen musste. Beim dritten Versuch war er bewusstlos, und es gelang mir, das Gurtschloss zu öffnen."
Der Italiener führte aus: "Ich wog nur 60 Kilo. Es ist ein Wunder, dass ich es schaffte, Niki aus dem Cockpit und weg vom Auto zu ziehen. Ich dachte, er sei tot. Dann sah ich, dass er seine Zunge verschluckt hatte. Beim Militär hatte ich gelernt, wie man sie wieder herauszieht, und das tat ich. Zum Glück trug ich immer noch meine Rennhandschuhe, die geben einem einen besseren Halt, als man ihn mit bloßen Händen hat."
Es war eine andere Zeit und es waren andere Typen. Die Formel-1-Fahrer der Generation Lauda lebten schneller und intensiver. Feuer war ein ständiger Begleiter, hatte mehrfach auch tödliche Folgen (siehe die Auflistung der schlimmsten Unfälle unten). Lauda: "Wenn der kleine Bub am Nürburgring nicht auf der Böschung gestanden wäre und den Film gemacht hätte, wüsste ich gar nicht, was da passiert ist. Als ich die Bilder zum ersten Mal sah, dachte ich: Da hat einer einen irren Unfall. Wohlgemerkt irgendeiner, nicht ich. Es wäre viel schlimmer gewesen, wenn ich das alles live erlebt hätte."
Gerhard Berger überlebte 1989 schlimmen Crash
Auch Laudas Landsmann Gerhard Berger (61) überlebte 1989 einen schweren Flammenunfall. Zu Beginn der vierten Runde beim GP von San Marino war Bergers Ferrari in der superschnellen Tamburello-Kurve geradeaus in die Mauer gerast und fing sofort Feuer. Berger war in seinem Cockpit eingeklemmt, konnte aber dank der schnellen Reaktion der Streckenposten nach 20 Sekunden der Feuerhölle entrissen werden.
Anders als Lauda erinnert sich der Tiroler an den Unfall, den er mit 29 Jahren erlebte. Berger zu SPORT1: "Ich kam mit 280 km/h im sechsten Gang voll in die Tamburello. Ich lenkte ein, spürte aber, dass das Auto nicht reagierte, weil das rechte Vorderrad in der Luft war. Ich schaute sofort in den Spiegel, weil ich dachte, ich hätte einen Reifenschaden oder einen Aufhängungsdefekt, konnte aber nichts sehen."
Dann ging alles ganz schnell: "Man hat gar keine Zeit, in so einer Situation Angst zu haben", weiß Berger. "Als ich wieder nach vorn blickte, sah ich nur noch die Mauer. Ich dachte mir gleich: 'Scheiße, der Winkel ist nicht gut.' Dann nahm ich die Hände vom Lenkrad und verschränkte sie vor dem Brustkorb, was man im Fall eines unvermeidlichen Aufpralls tun soll. Und dann wartete ich auf den Einschlag."
Den erlebte Berger noch bei vollem Bewusstsein: "Ich spürte keine Schmerzen, war dann aber kurz bewusstlos. Ich bekam erst wieder etwas mit, als mir FIA-Rennarzt Sid Watkins die Beatmungsröhre in den Hals schob. Das Feuer hatte ich nicht wirklich bemerkt, die Brandwunden an den Händen zuerst nicht gespürt. Ich fragte Watkins, was los sei. Er sagte mir, ich hätte einen Unfall gehabt. Dann erst dämmerte es bei mir nach und nach."
Romain Grosjean? Berger: "Jeder reagiert anders"
Im Krankenwagen bekam er das erste Mal Schmerzen. Berger: "Die Streckenposten waren extrem schnell, doch danach verlief die weitere Bergung etwas chaotisch. Obwohl das Rennen abgebrochen war, fuhr der Krankenwagen mit mir die ganze Strecke in Fahrtrichtung ab statt umzudrehen und auf dem schnellsten Weg das Streckenhospital anzusteuern. Da begann ich dann auch die Verletzungen richtig zu spüren. Vor allem, weil mein Rennanzug durch den geborstenen Tank völlig von Benzin durchtränkt war. Das begann höllisch zu brennen, vor allem in sensiblen Bereichen."
Im Krankenhaus sei er vom Dreck befreit worden. Die Brandwunden an Händen und Rücken wurden erstversorgt, "und dann hat mich eine Schwester noch auf die falsche Seite gedreht, das war auch nicht angenehm". Besonders, da Berger auch einen Rippenbruch erlitten hatte.
Berger sagt heute: "Ich hatte großes Glück, das ist mir voll bewusst. Als ich das erste Mal wieder die Rennkleidung anzog, bekam ich Gänsehaut, als ich in die feuerfeste Unterwäsche schlüpfte." Der Unfall habe ihn definitiv langsamer gemacht, so der heutige DTM-Boss, "weil ich nicht mehr bereit war, alle Risiken einzugehen".
Ob das auch bei Romain Grosjean nach dessen Crash in Bahrain der Fall sein wird, weiß Berger nicht. "Jeder reagiert da anders", sagt er: "Aber ich denke, sein Unterbewusstsein wird ihn in Zukunft eher schützen und die Risikobereitschaft verringern."
Die schlimmsten Feuer-Unfälle der Formel 1:
1966:John Taylor kollidierte in der ersten Runde des Deutschland-GP mit Jacky Ickx. Sein von einem Privatteam eingesetzter Brabham-BRM hob ab, schlitterte in eine Böschung und fing Feuer. Ickx - stets ein Kämpfer für mehr Sicherheit im Rennsport - zog Taylor aus dem brennenden Wrack. Zunächst schien alles gut zu gehen. Mehr als vier Wochen nach dem Unfall zog sich der Brite aber eine Brandwundeninfektion zu und starb daran.
1967:Lorenzo Bandinis Feuerunfall in Monaco ist der Grund, warum die Renndistanz beim Grand Prix in Fürstentum heute unter 300 Kilometer beträgt - eine Ausnahme im Rennkalender. Sein Unfall war nämlich auch darauf zurückzuführen, dass er erschöpft und unkonzentriert gefahren ist. Bandini, ein vielversprechender italienischer Ferrari-Star, krachte ausgangs der Hafenschikane gegen die Streckenbegrenzung, die durch Strohballen gesichert war. Das auslaufende Benzin in Verbindung mit dem Stroh erzeugte ein riesiges Feuer, das erst nach drei Minuten gelöscht werden konnte. Drei Tage nach dem Rennen erlag Bandini seinen schweren Verbrennungen.
1968:Jo Schlesser verunglückte beim Frankreich-GP durch einen Feuerunfall. Das Chassis seines Honda-Rennwagens war damals noch aus Magnesium - ein Material, das als schwer löschbar und als brandbeschleunigend eingestuft wird. Der Franzose war sofort tot.
1970: Dramatische Szenen ereigneten sich beim Holland-GP um Piers Courage. Der für das Williams-Team fahrende Brite krachte gegen die Streckenbegrenzung, Courage wurde durch ein herumfliegendes Wrackteil am Kopf getroffen. Anschließend fing das Auto Feuer. Durch das Magnesium-Chassis war die Hitzeentwicklung so groß, dass die Feuerwehrleute den Brand erst nach einiger Zeit mit Sand löschen konnten. Courage starb, das Rennen ging weiter, während der Wagen mitsamt der Leiche am Streckenrand stand.
1970:Jacky Ickx überlebte beim Spanien-GP einen Feuerunfall in seinem Ferrari - auch, weil er schon nach 20 Sekunden aus dem Wrack befreit werden konnte. Ursache des Feuerunfalls war eine Kollision mit Jackie Oliver.
1971: Jo Siffert, einer der frühen Schweizer Rennhelden, starb beim nicht zur WM zählenden Formel-1-Rennen in Brands Hatch durch einen Feuerunfall. Todesursache: Sauerstoffmangel und Rauchgasvergiftung. Weil er sich bei dem Crash beide Beine brach, konnte er sich nicht aus dem brennenden Wrack befreien.
1973:Roger Williamsons tödlicher Feuerunfall beim Holland-GP war einer der dramatischsten überhaupt. Kopfüber lag er am Streckenrand, sein March-Ford Cosworth stand in Flammen. Teamkollege David Purley hielt sofort an und half den Streckenposten bei den Löscharbeiten. Doch er schaffte es nicht, das Auto umzudrehen. Das Rennen ging weiter, keiner der anderen Fahrer hielt an, um Williamson aus dem Wrack zu helfen. Wohl auch deshalb, weil sie annahmen, dass es sich um Purleys Auto handelte.
1976: Niki Laudas Crash am Nürburgring ist vielleicht der berühmteste Unfall der Formel-1-Geschichte, der nicht tödlich endete. Fünf Fahrer halfen Lauda aus dem brennenden Ferrari, danach lag er im Koma, erhielt die letzte Ölung. Doch noch im selben Jahr gab er mit vernarbtem Gesicht ein Comeback. Zwar wurde er nicht Weltmeister, doch das holte er 1977 (und 1984) nach.
1986: Elio de Angelis verstarb bei Testfahrten in Le Castellet, als sein Lotus nach einem Unfall Feuer fing und der Italiener sich nicht mehr rechtzeitig befreien konnte. Erst nach dem Crash wurden auch bei Tests die Sicherheitsvorkehrungen verbessert.
1989: Gerhard Berger überlebte einen schweren Unfall in der Tamburello-Kurve von Imola, bei dem sein Ferrari Feuer fing. Bis zum Crash von Romain Grosjean 2020 in Bahrain war es der letzte Feuerunfall.
1994: Jos Verstappens Benetton-Ford ging beim Tankstopp in Hockenheim in Flammen auf. Ausströmendes Benzin hat sich auf der heißen Motorabdeckung entzündet. Angeblich hatte Benetton den Benzindurchfluss in der Tankanlage regelwidrig erhöht. Der Vater von Max Verstappen kam mit leichten Verbrennungen davon.