Lange Zeit war es eine kuriose Begebenheit, dass Daniil Kwjat zwar die Superlizenz, also den Führerschein für Formel-1-Fahrer besaß, aber keine Fahrerlaubnis in seiner russischen Heimat.
Das steckt hinter dem Kwjat-Desaster
Als der damals 21-Jährige dies Ende des vorigen Jahres nachholen wollte, nutze sein Team Red Bull Racing das zu einem lustigen Video von seiner angeblichen Führerscheinprüfung.
Nach dem jüngsten Abschuss von Sebastian Vettel in Sotschi fragen sich jedoch zahlreiche Menschen, ob Kwjat seinen Fahrlehrer damals tatsächlich in Angst und Schrecken versetzte.
Dass der bisher nicht als Crash-Kid bekannte Russe zum wiederholten Male mit dem viermaligen Weltmeister Sebastian Vettel aneckte, lässt manche an Kwjats fahrerischen Qualitäten zweifeln.
Diese sind aber durchaus vorhanden, wie ein Blick auf seine bisherige Karriere zeigt.
Red Bull: Lieber Kwjat als Alonso
Kwjats kometenhafter Aufstieg begann Ende 2009. Innerhalb von fünf Jahren gelang ihm über mehrere Rennklassen der Sprung vom Kart in ein Formel-1-Auto.
Als Sebastian Vettel dann seinen Wechsel zu Ferrari bekanntgab, zögerte Red Bull nicht lange. Obwohl erfahrene Fahrer wie Fernando Alonso, die in der Vergangenheit bereits häufig ihre Klasse bewiesen hatten, auf dem Markt waren, entschieden sich die Bullen für den jungen Kwjat aus dem Tochterteam Toro Rosso.
In der ersten Saison schien Kwjat das Vertrauen mit 95 Punkten und dem knappen Sieg im Teamduell mit Daniel Ricciardo zu rechtfertigen.
Verstappen wohl bald im Red Bull
Doch in dieser Saison hat sich die Situation für Kwjat drastisch verändert. Erstmals droht er seinen Job zu verlieren, wenn er nicht konstante Spitzenleistungen abliefert.
Es gilt als offenes Geheimnis, dass Max Verstappen 2017 zu Red Bull befördert werden soll, bevor sich Mercedes oder Ferrari das Supertalent schnappen.
Ricciardo und Kwjat kämpfen in dieser Saison um den einen verbliebenen Platz und aktuell kann Kwjat mit der neuen Drucksituation schlechter umgehen als sein Teamkollege. Bisher verlor er alle Qualifying-Duelle 2016 gegen Ricciardo klar – besonders gravierend ist dabei der durchschnittliche Zeitrückstand von 0,749 Sekunden.
Übermotiviert vor heimischer Kulisse
Umso motivierter ging Kwjat in Sotschi an den Start: Vor heimischer Kulisse durfte er nicht hinter Ricciardo landen. Womöglich ging er das Rennen deshalb wie ein gehetzter Bulle an und war so darauf fokussiert sich am Australier in Kurve eins vorbeizubremsen, dass er zu spät sah, dass Vettel auf der Innenbahn längst gebremst hatte.
Anders als in Schanghai war die Schuldfrage diesmal eindeutig, und selbst Red-Bull-Teamchef Christian Horner wollte seinen Schützling nicht mehr in Schutz nehmen.
"Alles, was ich tun konnte, war mich zu entschuldigen. Denn diese Woche war es leider ein Fehler von Kwjat. Aus Team-Sicht hat das unser Rennen komplett zerstört. Die Emotionen gehen mit den Jungs manchmal durch", sagte Horner.
Kritik aus dem eigenem Lager
Anschließend entschuldigte sich Kwjat zwar telefonisch bei Vettel, doch die Kritik prasselte dennoch auf ihn ein. Mercedes-Motorsportchef Niki Lauda würde ihn an Vettels Stelle sogar "umbringen" und forderte Konsequenzen durch die FIA.
Kwjat stört die Kritik aber nicht: "Jetzt ist es natürlich leicht, mich zu attackieren, und ich schätze mal, das werden auch alle tun. Aber ich halte das aus."
Die Kritik von Horner und Dr. Helmut Marko dürfte Kwjat aber weniger egal sein - schließlich entscheiden diese, ob er auch 2017 bei Red Bull bleiben darf. "Es ist einfach schade, weil er nicht nur Vettels und Ricciardos Rennen ruiniert hat, sondern auch sein eigenes. Es war ein Tag des Desasters für Red Bull", sagte Marko.
Der Red-Bull-Motorsportkonsulent gilt als großer Fan von Verstappen und führte an diesem Wochenende bereits ein langes Gespräch mit dem Niederländer. Ein ausführliches Gespräch will Marko in dieser Woche auch mit Kwjat führen – ob er ihm dann bereits mitteilt, dass sich sein Weg bei Red Bull dem Ende zuneigt?