Sein Olympiasieg in Paris war eine Machtdemonstration, die anschließende Gold-Party im Deutschen Haus gilt als legendär. Bei der Wahl zum Sportler des Jahres und Gala im edlen Kurhaus von Baden-Baden ließ es der 28-Jährige gemeinsam mit seiner Freundin Sofia Meakin vergleichsweise ruhig angehen.
Deutschlands Bester mit Breitseite
Die Schweizer Nationalruderin hat einen Anteil, dass Zeidler nach seinem krachenden Halbfinal-Aus vor drei Jahren in Tokio so fulminant zurückfand. „Zu verkopft“ sei er vorher gewesen, es sei „nur um Gewinnen oder Enttäuschung“ gegangen. Nun habe er immer etwas, worauf er sich bei den Regatten freuen könne – „egal ob Sieg oder Niederlage.“
Trotz des Olympiasieges in Paris und einer gewissen Seelenruhe, eines ist Zeidler nach wie vor: streitbar – im positiven Sinn. Deutschlands bester Einzelsportler 2024 ist ein Vorkämpfer, wenn es um die Interessen aller Sportler in diesem Land geht. Im SPORT1-Interview legt er den Finger in die Wunde, spricht schonungslos die Mängel der Sportförderung an, benennt Wünsche und Forderungen – und zeigt sogar auf, was seine Sportart – das Rudern – von einem Hype wie dem Darts lernen könne.
SPORT1: Herr Zeidler, Sie sind Deutschlands „Sportler des Jahres“. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Oliver Zeidler: Das ist ein weiterer historischer Erfolg. Ich glaube, das ist erst das zweite Mal überhaupt, dass ein Ruderer Sportler des Jahres wurde. Das ist natürlich eine riesengroße Ehre. Wenn man mal bis 2001 zurückschaut, was der Einer-Sport für Talente hervorgebracht hat, wir waren bei den Medaillen ja eigentlich eine gesetzte Nummer, bis eben diese Krise kam. Und dass ich jetzt diesen Sport ein bisschen aus der Krise herausgeführt habe, ist nochmal ein Leuchtturm, ein Stern, den ich setzen konnte.
SPORT1: Ist dieser Abend eine Belohnung für Sie?
Zeidler: Auf jeden Fall. Es ist natürlich schön, auf solche Veranstaltungen eingeladen zu werden und ich freue mich immer, wenn ich mich mit meiner Freundin zusammen schick machen kann und mit anderen Sportlern zusammen feiern kan
n.
SPORT1: Sie sind jemand, der immer wieder lautstark die Probleme im Sport anspricht. Wie stehen Sie zur Athletenförderung und Olympischen Spielen in Deutschland?
Zeidler: Olympische Spiele in Deutschland würden das ganze Thema nochmal mehr voranbringen. Wir haben aktuell in diesem Land ganz, ganz andere Probleme - das muss man einfach sagen. Viele kämpfen um ihre Jobs, die Wirtschaft schwächelt und viele haben Angst, ob sie ihrer Tätigkeit nächstes Jahr überhaupt noch nachgehen können. Von daher gibt es andere Themen als den Sport. Aber meiner Meinung nach ist der Sport auch immer ein kleines bisschen ein Zeichen, wie es dem Land geht und wenn es dem Sport schlecht geht, dann ist das auch ein Indikator dafür, dass es dem Land nicht ganz so gut geht. Und leider, leider, leider stecken wir im Sport seit vielen Jahren in einer tiefen Krise, besonders im Sommersport. Wir sind eben nicht mehr top beim Medaillenspiegel. Da wird sich um Olympia herum immer beschwert, danach ist es für vier Jahre eigentlich immer egal und dann merkt man wieder: Oh, wir sind ja noch schlechter geworden. Aber es tut sich auch nichts in der Sportförderung. Es wird nichts besser. Viele Beamte und Politiker lassen sich in Sachen Inflation absichern, dass sie auch weiter ihr Gehalt bekommen, das ist bei uns Sportlern überhaupt kein Thema. Es wird überhaupt nicht thematisiert, dass wir auch mit der Inflation leben müssen. Und da geht die Sportförderung die Schritte nicht mit.
SPORT1: Welche drei Punkte würden Sie sich bei der Sportförderung wünschen?
Zeidler: Einerseits würde ich die Bürokratie für den Sport deutlich abbauen. Ich glaube, ich habe in den letzten Jahren ein System abseits des ganzen Verbandschaos geschaffen und deswegen konnte ich so agieren, wie ich es getan habe. Deswegen bin ich so erfolgreich geworden. Dann würde ich den Athleten die Förderung, die für die Weiterentwicklung ihrer sportlichen Performance erforderlich ist, zur Verfügung stellen. Die Förderung macht viel aus und ich glaube nicht, dass sie zu wenig ist. Da sind wir dann wieder ein bisschen bei der Bürokratie, weil viel Geld einfach für Selbstverwaltung der Verbände draufgeht. Und dann wünsche ich mir so ein bisschen mehr Wertschätzung, dass solche historischen Leistungen wie wir sie bei Olympia erbracht haben - Lukas Märtens zum Beispiel, der 400 Meter (Freistil bei den Olympischen Spielen; Anm. d. Red.) gewonnen hat - mehr genutzt werden, um der Bevölkerung und der Wirtschaft zu zeigen, dass es geht, dass individuelle Top-Leistungen in Deutschland noch möglich sind. Und das passiert leider nicht, weil wir einfach viel zu wenig mediale Präsenz haben. Das sind, glaube ich, die drei Punkte, die ich anbringen würde.
SPORT1: Derzeit läuft die Darts-WM auf SPORT1. Verfolgen Sie das Geschehen?
Zeidler: Ich schaue das mit meinen Freunden zusammen und feiere die ganze Atmosphäre. Rudern könnte sich vom Darts viel abschauen, so eigenartig es klingen mag. Ich glaube, dass man bei diesen ganzen Sportereignissen mehr diesen Event-Charakter reinbringen muss, um es auch attraktiv für die Leute zu machen. Und Darts, als Kneipensport eigentlich, ist da ein großes Vorbild.