Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat vor den letzten Entscheidungen in Budapest ein ernüchterndes WM-Fazit gezogen.
Das bittere deutsche WM-Fazit
„In vielen Disziplinen haben wir den Anschluss an die Weltspitze verloren“, räumte DLV-Sportdirektor Jörg Bügner ein. Mit dem allgemeinen Abschneiden könne man „nicht zufrieden“ sein: „Wir müssen schauen, wie wir in Zukunft die Distanz zur Weltspitze überwinden können.“
Das deutsche Team steht vor Ende der Wettkämpfe am Sonntagabend noch ohne Podestplatzierung da. Einzig Speerwurf-Europameister Julian Weber besitzt am Abend noch realistische Chancen, um die erste medaillenlose WM in der Geschichte DLV abzuwenden. "Vielleicht erlöst Julian uns ja noch", hoffte Bügner.
Man müsse feststellen, "dass die Weltspitze sich ein signifikantes Stück weiterentwickelt hat. Selbst ein deutscher Rekord reicht nicht zur Medaille. Das gehört auch zur Wahrheit", sagte Bügner und hielt zudem fest: "Die Medaillen werden auf immer mehr Nationen verteilt." Vor Sonntagabend hatten sich auf dem Medaillenspiegel bereits mehr als 40 verschiedene Länder eingetragen.
„Worst Case“ für den deutschen Sport
DLV-Präsident Jürgen Kessing bezeichnete eine WM ohne Medaille als "Worst Case", mit dem der Verband aber rechnen müsse: "Wir sind damit nicht zufrieden, das ist klar. Die Weltspitze ist deutlich breiter geworden."
Der DLV hatte nach der desolaten WM im Vorjahr mit nur zwei Medaillen (Gold und Bronze) eine umfassende Analyse betrieben, anschließend unter anderem die Stelle des Sportdirektors geschaffen und Bügner verpflichtet. Das erklärte Ziel des DLV ist es, bis zu Olympia 2028 in Los Angeles wieder zu den Top fünf der Nationenwertung zu gehören.
Daran hält der DLV vorerst weiter fest. „Ich werde jetzt überhaupt keine Zielstellung aufgeben“, bekräftigte Bügner, sagte aber auch, dass er aufgrund seiner noch kurzen Amtszeit „einen noch tiefergehenden Einblick“ in diesem „komplexen Verband“ benötige.
Kessing forderte derweil auch eine nationale und politische Kraftanstrengung; Man bräuchte „die ein oder andere Milliarde“ und Olympische Spiele, um die Krise des deutschen Sports zu beenden. Dies würde am Ende nicht nur zu mehr Medaillen führen, sondern hätte auch „soziologische“ und „gesundheitspolitische Effekte“, sagte der auch als SPD-Politiker aktive Funktionär. Um wieder konkurrenzfähig zu werden, müsste ein Ruck durch Sportdeutschland gehen.
Lückenkemper stellt sich vor ihr Team
Trotz der ernüchternden Bilanz hatten sich Teamkapitänin Gina Lückenkemper am Freitag schützend vor ihre Mannschaft gestellt: „Wir haben hier im deutschen Team wirklich schon sehr, sehr gute Leistungen gesehen, die aller Ehren wert sind. Und das würde ich auf keinen Fall unter den Tisch kehren.“
Auch ihr männliches Pendant, der Geher Christopher Linke, wollte nicht pauschal konstatieren, „dass wir aktuell zu schlecht sind. Vielleicht ist die internationale Konkurrenz einfach zu stark.“