Bei der Leichtathletik-WM in Budapest wird es für Tara Davis-Woodhall direkt am ersten Wettkampftag ernst. Am Samstagmorgen steht für die US-Amerikanerin die Qualifikation im Weitsprung an, ehe sie dann am Sonntag - in Abwesenheit der verletzten Titelverteidigerin Malaika Mihambo - nach Edelmetall greifen möchte.
Vom WM-Pechvogel zum Glücksbringer?
Ihr größter Fan ist dabei ihr Ehemann Hunter Woodhall, der seine Frau von der Tribüne aus anfeuern wird. Das Gefühl, bei einer großen Meisterschaft im Stadion zu stehen, kennt der 24-Jährige dabei selbst sehr gut.
Bei den Paralympics konnte der Mann aus Georgia, dessen Unterschenkel nach einem Geburtsfehler in jungen Jahren amputiert werden mussten, zwei Bronzemedaillen über 400m und eine Silbermedaille auf der 200m-Sprintstrecke erlaufen.
Woodhall erlebt „Katastrophe“ bei Para-WM
Zuletzt wollte er im Juli bei der Para-WM in Paris für Furore sorgen, erlebte dort aber den vielleicht bittersten Moment seiner Sportlerkarriere. Bereits vor dem 400m-Finale war sein Traum vom Titel ausgeträumt, da seine Prothese gebrochen war. „Als ich auf der Strecke ankam, machte ich einen kleinen Sprung und spürte, wie sich die Prothese bewegte“, beschrieb er in der französischen Sport-Tageszeitung L‘Equipe die Situation und fügte hinzu: „Ich wusste sofort, dass ich nicht starten kann.“
Selbst Konkurrent Johannes Floors litt nach seinem Titelgewinn mit dem US-Amerikaner, der sein vielleicht stärkster Widersacher gewesen wäre. „Das ist eine Katastrophe für ihn“, fühlte Floors mit dem 24-Jährigen.
Auch Tara Davis-Woodhall kam noch auf der Bahn zu ihrem Ehemann und stand ihm bei. „Er war wirklich am Boden zerstört. Ich sagte ihm, dass seine Zeit noch kommen würde.“
Für die 24-Jährige war dieser Moment eine Erinnerung, dass im Sport nicht immer alles nach Plan verlaufe. Zumal sie das Gefühl kennt, die Tiefen des Sports zu erleben. Erst im April verlor sie ihren US-Hallentitel im Weitsprung, da sie positiv auf THC, den psychoaktiven Wirkstoff in Cannabis, getestet wurde.
Doch auch von den Tiefpunkten im Sport lässt sich das Paar nicht aus dem Konzept bringen und hält zusammen, denn „gemeinsam sind wir stärker“, gab sie sich kämpferisch.
Ziel Olympia: „Zu 100 Prozent gemeinsam“
In Paris war sie daher trotz ihres eigenen Rückschlages natürlich mit auf der Tribüne, um Hunter anzufeuern - so wie sie es bei fast jedem seiner Wettkämpfe macht. „Ich schaue mir alle seine Rennen an“, erzählte Tara: „Wenn ich nicht kommen kann, sorge ich dafür, dass sie irgendwo gezeigt werden und dass wir uns danach dann gegenseitig Nachrichten schicken. Im Stadion sitze ich gerne in der Nähe der Strecke. Ich schreie sehr laut, damit er mich hört.“
Begonnen hatte diese besondere Liebesbeziehung bereits auf dem College. Nach mehreren Jahren Fernbeziehung gaben sie sich 2022 das Ja-Wort. In Fayettevile (Arkansas) haben sie sich ein gemeinsames Zuhause aufgebaut. Zudem haben sie beide denselben Trainer, um beisammen sein zu können.
In Budapest liegt die Unterstützer-Rolle nun wieder bei Ehemann Hunter. Diesmal muss er auf der Tribüne schreien, um seine Liebste zum Sieg zu treiben.
Dazu schwebt für beide über allem das große Ziel Olympia 2024 in Paris. In Tokio waren sie bereits zusammen am Start, konnten aber aufgrund der Corona-Maßnahmen nur wenig Zeit miteinander verbringen. In Paris wollen sie das besondere Erlebnis dann „zu 100 Prozent gemeinsam“ genießen.
Zunächst steht aber die Weltmeisterschaft auf dem Programm. Und da sollen diesmal im Hause Woodhall wenn überhaupt nur Freudentränen vergossen werden.