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Aufstand gegen die Revolution

Aufruhr in der Leichtathletik

Beim ISTAF in Berlin wird zum zweiten Mal der Weitsprung ohne klassischen Absprungbalken getestet. Die revolutionäre Neuerung kommt bei einigen Athletinnen allerdings nicht gut an - kurzfristige Absagen inklusive.
Annik Kälin hält nichts von der Weitsprung-Revolution
Annik Kälin hält nichts von der Weitsprung-Revolution
© IMAGO/Beautiful Sports
Beim ISTAF in Berlin wird zum zweiten Mal der Weitsprung ohne klassischen Absprungbalken getestet. Die revolutionäre Neuerung kommt bei einigen Athletinnen allerdings nicht gut an - kurzfristige Absagen inklusive.

Die Weitsprung-Revolution ist derzeit in vollem Gange - doch immer mehr Athleten und Athletinnen wenden sich von ihr ab.

Beim ISTAF-Meeting Düsseldorf am vergangenen Sonntag wurde die sogenannte „Take-off-Zone“ erstmals getestet. Statt des klassischen 20-Zentimeter-Balkens standen Malaika Mihambo und Co. ein 40 Zentimeter langer Bereich für den Absprung zur Verfügung.

Der Weltverband World Atletics will durch die Reform die Anzahl ungültiger Sprünge reduzieren und die Disziplin attraktiver für den TV-Zuschauer machen.

Absage wegen Weitsprung-Reform

Am Freitag steht in Berlin nun der nächste Test-Wettkampf mit veränderten Bedingungen bevor. Auf eine Weltklasseathletin müssen die Fans aber verzichten: Die Schweizerin Annik Kälin sagte ihre Teilnahme ab, nachdem sie erfahren hatte, dass in Berlin mit der Take-off-Zone gesprungen wird.

„Als junge Athletin kann ich dieses Projekt nicht unterstützen, eine sinnvolle Innovation ist das nicht“, schreibt Kälin in einem Instagram-Post. „Es ist schade, dass es die Weitsprungfamilie teilt und sich die Athleten gegeneinander positionieren müssen.“

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„Auch für die Zuschauer sehe ich keinen Gewinn an Attraktivität“

Es gehöre zu den Fähigkeiten der Weitspringerinnen und Weitspringer, „mit hoher Geschwindigkeit anzulaufen und punktgenau abzuspringen. Auch für die Zuschauer sehe ich keinen Gewinn an Attraktivität, die Spannung ist beim bisherigen 20 cm Balken sogar höher.“

Dabei nimmt die Siebenkämpferin, die auch den Schweizer Rekord im Weitsprung hält, sogar finanzielle Einbußen ihres nahen Umfeldes in Kauf. „Es tut mir sehr leid für meine Freunde und Familie, welche die Reise mit dem Zug nach Berlin mit Hotels bereits gebucht haben.“

Bereits beim Meeting in Düsseldorf hatte die italienische Vize-Europameisterin Larissa Iapichino ihre Teilnahme aus ähnlichen Gründen kurzfristig abgesagt.

Zu den radikalen Gegnern gehört auch der derzeit weltbeste Weitspringer Miltos Tentoglou: „Ich betrachte Weitsprung als eines der schwersten Disziplinen, wegen des Balkens und der Genauigkeit, die du brauchst“, sagte der zweimalige griechische Olympiasieger. „Der Sprung selbst ist einfach. Sie wollen den schwierigen Teil entfernen - genau das, was den Weitsprung definiert. Wenn sie das tun, wird der Weitsprung zum einfachsten Ereignis.“

Drechsler: „Hoffe, die Regel setzt sich nicht durch“

Bereits als die Pläne vor knapp einem Jahr bekannt wurden, hatte Tentoglou sogar damit gedroht, sich vom Leistungssport zurückzuziehen, sollten das Vorhaben umgesetzt werden.

Für die deutsche Weitsprung-Legende Heike Drechsler „gehört der Weitsprungbalken zum Weitsprung dazu. Wir sind eine technische Disziplin“, sagte sie bei SPORT1. „Das Können ist es, vom Brett abzuspringen.“ Daraus ergebe sich auch die Spannung.

Drechsler kann verstehen, dass einige Athletinnen und Athleten die neue Regel nicht gut fänden. „Man braucht das Brett für die Orientierung beim Anlauf und Absprung. Ich hoffe, die Regel setzt sich nicht durch.“

Mihambo, die die Premiere in Düsseldorf gewonnen hatte, zeigte sich dagegen offen für Veränderungen. „Ich fand es auf jeden Fall interessant“, sagte die Olympiasiegerin von Tokio am Sportschau-Mikrofon: „Man hat gemerkt, dass es da noch die einen oder anderen Dinge gibt, die man vielleicht noch überarbeiten muss. An sich finde ich die Idee aber ganz schön, das volle Brett auch zu haben, um abspringen zu können.“

Am Mittwoch sagte auch die 31-Jährige ihren Start ab - allerdings nicht wegen der neuen Regel, sondern wegen eines Infektes.