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Das tragische Ende eines vergessenen 100-Meter-Giganten

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Tragisches Ende eines Vergessenen

Eddie Tolan, der 100-Meter-Olympiasieger von 1932, war ein Vorbild der Ikone Jesse Owens. Rassismus und Wirtschaftskrise machten ihm das Leben schwer, vor 58 Jahren starb er tragisch früh.
Ein Markenzeichen von Eddie Tolan war seine runde Brille, die er mit Klebeband am Kopf befestigte
Ein Markenzeichen von Eddie Tolan war seine runde Brille, die er mit Klebeband am Kopf befestigte
© IMAGO/TT
Johannes Fischer
Eddie Tolan, der 100-Meter-Olympiasieger von 1932, war ein Vorbild der Ikone Jesse Owens. Rassismus und Wirtschaftskrise machten ihm das Leben schwer, vor 58 Jahren starb er tragisch früh.

Als Eddie Tolans Zug am 6. September 1932 in der Michigan Central Station in Detroit einfuhr und von seinem Gold-Triumph nach Hause zurückkehrte, wurde er empfangen mit dem, was man heute „Großer Bahnhof“ nennt.

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Der 100- und 200-Meter-Olympiasieger von Los Angeles wurde von einem Willkommenskomitee begrüßt, das vom Bürgermeister seiner Wahlheimat organisiert worden war. Als „Eddie Tolan Day“ rief der damalige Gouverneur des Bundesstaats den Tag aus - der Stolz auf den Sprint-Champion war groß. Es war eine Anerkennung seiner Leistungen, die Toland sonst in seinem Leben kaum erfuhr - und die ihn trotzdem mit zwiespältigen Gefühlen zurückließ.

Ganz in der Nähe der Festivitäten ging Tolans Halbbruder seiner Arbeit nach, als Müllsammler. Und Tolan fand damals - wie er später sagte, dass der Bruder „mehr Glück“ gehabt hätte als er. Der Müll sammelnde Bruder hätte einen Job gehabt, er nicht.

Zweimaliger Olympiasieger, der schnellste Mann der Welt zu sein: Es war in den damaligen Zeiten nichts, was ein Auskommen sicherte. Und die Geschichte des ersten schwarzen Sprint-Siegers bei den Spielen ist deswegen auch eine eher traurige.

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Eddie Tolan bereitete Jesse Owens den Weg

Zusammen mit dem ebenfalls schwarzen Sprinter Ralph Metcalfe, der in L.A. Silber (100 Meter) und Bronze (200 Meter) gewann, war Tolan einer der Stars der Spiele - und sie ebneten 1932 gewissermaßen den Weg für Jesse Owens, dem afroamerikanischen Superstar der Spiele 1936 im Berlin der NS-Zeit.

Tolan hatte bei den Olympiaausscheidungen noch über beide Strecken gegen Metcalfe verloren, doch als es darauf ankam, drehte er den Spieß um. Nachdem er im Vorlauf über 100 Meter bereits mit 10,53 Sekunden Weltrekord gelaufen war, lieferte er sich im Finale mit Metcalfe ein enges Rennen in der neuen Weltrekordzeit von 10,38 Sekunden, anhand des Zielfotos wurde Tolan zum Sieger erklärt.

Eddie Tolans knapper Sieg über 100 Meter bei den Spielen in Los Angeles
Eddie Tolans knapper Sieg über 100 Meter bei den Spielen in Los Angeles

„Als ich in der High School war, waren Eddie und Ralph meine Vorbilder“, sagte Owens später. „Eddie und ich wurden später enge Freunde. Ich lebte in Detroit, und jedes Mal, wenn ich dorthin zurückkehrte, war Eddie einer der ersten, zu denen ich aufschaute.“

Ein Sprint-Ass mit angeklebter Brille

Dabei schien Tolan ungeeignet für den Sprint zu sein, denn dafür hatte er eine scheinbar hinderliche Konstitution. Er war kräftig gebaut und mit etwa 1,70 Meter von kleiner Statur. Seine runde Brille war mit Klebeband am Kopf befestigt, damit sie beim Sprinten nicht herunterfiel. Tolan sah eher aus wie ein junger Uni-Dozent als ein Athlet.

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Einer seiner Markenzeichen war zudem das Kauen eines Kaugummis, während er sprintete. Ursprünglich tat er dies, um Stress abzubauen, er stellte aber bald fest, dass diese Angewohnheit ihm half, seine Schrittlänge zu messen und folglich seine Geschwindigkeit zu erhöhen.

Ursprünglich hatte Tolan eine Karriere im American Football geplant. An der Universität von Michigan tat er sich als Quarterback hervor, bis ihn eine Knieverletzung stoppte. Er ließ sich jedoch nicht entmutigen und wandte sich stattdessen dem Sprint zu.

Nachdem er bereits 1929 mit 9,50 Sekunden einen Weltrekord im 100-Yards-Lauf (ca. 91 Meter) aufstellte, bekam er den Spitznamen „Midnight Express“. Dieser begleitete ihn durch seine gesamte Karriere, in der er bei 300 Siegen nur sieben Mal geschlagen wurde.

„Er war dort vielleicht der Größte von allen“

Wenige Monate nach seinem Olympiasieg wurde die US-Presse nochmal auf Tolan aufmerksam - weil er in Geldnot war.

Tolan erhielt keine lukrativen Werbeeinnahmen, schlimmer noch: Der damals 24-Jährige, der eigentlich Arzt hätte werden wollen, konnte keine Arbeit finden, was zum Teil an der „Great Depression“ lag, der gewaltigen Wirtschaftskrise in den USA, hauptsächlich aber an seiner Hautfarbe.

Eddy Tolan nach seinem Olympiasieg über 100 Meter in Los Angeles
Eddy Tolan nach seinem Olympiasieg über 100 Meter in Los Angeles

„Schon zu seiner Sportlerzeit wurde er nicht sehr gut behandelt“, sagt Louis Jones, Historiker und Archivar des Detroit African American History Project: „In vielen Fällen durfte er nicht mit seinen Mannschaftskameraden essen, wenn sie auf Reisen gingen. Und sein Trainer sagte ihm klipp und klar, er solle sich nicht beschweren, weil er der letzte schwarze Mensch in der Leichtathletikmannschaft sein würde.“ Auch die positiven Schlagzeilen über Tolan nach seinem Olympiasieg waren voller rassistischer Stereotype - wie sie damals noch allgemein üblich waren.

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1934 setzte sich Tolans Unglückssträhne nach dem Olympiasieg fort: Er verursachte einen Autounfall, bei dem ein 80 Jahre alter Mann schwer verletzt wurde.

Ein tragisches Ende

Weil Tolan auch seine Familie materiell unterstützen musste, nahm er nach seiner Karriere eine Vielzahl von Jobs an. Für kurze Zeit war er sogar als Varieté-Darsteller tätig (weswegen ihm der Amateur-Status aberkannt wurde), anschließend arbeitete er bei der Registerbehörde von Wayne County, als Trainer an der Murray Wright High School und schließlich als Schullehrer.

Trotz all seiner Mühen beklagte sich Tolan nicht, und er blieb bescheiden. „Er war nie verbittert“, sagt Historiker Jones. „In einem der Artikel, die ich über die Olympischen Spiele 1932 gelesen habe, hieß es, dass er damit beschäftigt war, Autogramme von anderen Leuten zu bekommen, weil er diese Sportler so liebte. Aber er war dort vielleicht der Größte von allen.“

Tolans Ehrungen wurden fast alle posthum verliehen. Das Repräsentantenhaus und der Senat von Michigan gedachten ihm in einer Resolution, einen Monat nachdem er am 31. Januar 1967 nach einem Herzinfarkt gestorben war. Nach einem Nierenversagen 1965 war Tolan Dialysepatient, starb am 31. Januar 1967 bei seiner wöchentlichen Behandlung an einem Herzinfarkt. Er wurde nur 58 Jahre alt.