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"Das ist der Preis, wenn man jeden Tag am Limit trainiert"

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Wilde Achterbahnfahrt mit Happy End

Alexandra Burghardt erlebt 2024 eine Achterbahn der Gefühle - vor allem bei den Olympischen Spielen in Paris. Im SPORT1-Interview verrät die Sprinterin, dass vor dem Staffel-Finale sogar Tränen flossen.
Alexandra Burghardt nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Paris
Alexandra Burghardt nach dem Gewinn der Bronzemedaille in Paris
© IMAGO/Beautiful Sports
Alexandra Burghardt erlebt 2024 eine Achterbahn der Gefühle - vor allem bei den Olympischen Spielen in Paris. Im SPORT1-Interview verrät die Sprinterin, dass vor dem Staffel-Finale sogar Tränen flossen.

Das ablaufende Jahr 2024 hätte für Alexandra Burghardt kaum emotionaler sein können. Die deutsche Sprinterin verpasste zunächst wegen Fußproblemen die EM in Rom und rutschte dann noch als Ersatzläuferin ins Staffelteam für die Olympischen Spiele.

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In Paris erlebte sie dann eine echte Achterbahn der Gefühle: Weil ihre Teamkollegin Sophia Junk sich vor nach dem Vorlauf über 4x100 Meter in Paris verletzt abmeldete, musste Burghardt im Finale ran - und lieferte ab. Am Ende jubelte sie zusammen mit Lisa Mayer, Gina Lückenkemper und Rebekka Haase über die Bronzemedaille.

Burghardts Paris-Erfolg hat aber auch eine historische Dimension: Weil sie bei den Winterspielen 2022 in Peking bereits Silber im Zweierbob gewonnen hatte, ist sie nach Christa Luding-Rothenburger (Eisschnelllauf und Bahnrad) die erst zweite deutsche Sportlerin, die bei Sommer- und Winterspielen Edelmetall gewann.

Nun bereitet sich die 30-Jährige auf die neue Saison vor, für die sie sich ein ganz besonderes Ziel steckt. Wie sie im SPORT1-Interview erklärt, will Burghardt bei der WM in Tokio ins Finale einziehen.

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„Es wurde sich gegen mich entschieden und das musste ich akzeptieren“

SPORT1: Frau Burghardt, Sie waren zuletzt im Trainingslager in Dubai. Wie läuft die Vorbereitung auf die kommende Saison?

Alexandra Burghardt: Ich glaube, dass ich noch nie ein Trainingslager hatte, wo ich so viele Meter in Spikes gelaufen bin. Bisher läuft alles super. Ich bin total im Soll und gerade mit der läuferischen Leistung recht zufrieden. Ich hoffe, dass es jetzt einfach beschwerdefrei weitergeht. Jetzt braucht es ein paar ruhigere Tage, und die kann ich gerne daheim haben.

SPORT1: Werden wir Sie im Winter in der Halle sehen?

Burghardt: Ja, ich würde sogar gerne eine ganze Hallensaison bestreiten, am liebsten mit EM und WM. Durch die coronabedingte Verschiebung steht immer noch die Weltmeisterschaft in China (21. bis 23. März in Nanjing, d. R.) aus. Die wird 2025 endlich nachgeholt. Deswegen gibt es beides und das ist ziemlich cool.

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SPORT1: Blicken wir erst mal auf die vergangene Saison zurück, die für Sie mit Problemen startete.

Burghardt: Ich hatte diese Fußthematik auf Grund von neuen Schuheinlagen. Im Nachhinein betrachtet war das ein total unnötiges Problem, ist aber leider so passiert. Darum war alles immer so stressig. Noch schnell eine Norm zu laufen, um mich für ein Team zu empfehlen, war sehr herausfordernd. Letzte Saison gab es sehr viel Zeitdruck. Das hätte ich mir im Vorfeld schon anders erhofft, da es nach der Hallensaison ganz gut aussah. Ich habe mich schlussendlich dann gar nicht für die EM qualifiziert.

SPORT1: Im August ging es dann aber für Sie nach Paris, wenn auch „nur“ als Ersatzläuferin. War das eine Entscheidung, die Sie akzeptieren konnten im Nachhinein oder wären Sie schon gerne im Vorlauf gelaufen?

Burghardt: Ja, klar. Ich habe bis zum letzten Tag alles gegeben, um mich für die Staffel zu empfehlen. Ich habe auch immer sehr gut performt in den Staffeltrainings und speziell in den Wettkämpfen, die wir davor hatten. Aber das war dann am Ende nicht meine Entscheidung. Es wurde sich gegen mich entschieden und das musste ich akzeptieren. Das habe ich auch akzeptiert, auch wenn ich es gerne anders gehabt hätte. Ich glaube, dass ich das Team während des Vorlaufs trotzdem gut unterstützen konnte. Wir machen uns da immer alle gemeinsam warm und sind auch für das Team da. Es kann bis zur letzten Minute etwas passieren.

„Sie war traurig und dabei sind auch einige Tränen geflossen“

SPORT1: So kam es dann ja auch, weil sich Sophia Junk verletzt abgemeldet hat. Wissen Sie noch, wie das war? Trauert man da mit der Kollegin oder überwiegt die Freude über den eigenen Start?

Burghardt: Das alles war sehr emotional. Am Abend hatten wir ein offizielles Teammeeting und dabei wurde uns vor versammelter Mannschaft mitgeteilt, wie es um Sophia steht. Sie hat auch selbst darüber gesprochen und gesagt, sie würde sich nicht trauen zu laufen. Sie war traurig und dabei sind auch einige Tränen geflossen. Im selben Atemzug wurde auch mein Einsatz verkündet. Ich wusste nichts davon, und dann war es für mich auch sehr emotional. Am Ende hat uns das alles noch mehr zusammengeschweißt. Es war ein schwieriger Moment, bei dem man sich nicht freuen kann. Im Nachhinein war es einer der emotionalsten Momente dieser Spiele. Dann geht‘s los im Kopf. Über Nacht musst du dann in den Wettkampfmodus.

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SPORT1: Konnten Sie in dieser Nacht überhaupt schlafen?

Burghardt: Es ging. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich gut geschlafen habe. Es waren generell äußerst emotionale Tage. Am Mittwoch erfuhr ich, dass ich nicht laufe. Am Donnerstag heißt es dann, ich muss laufen. Das war ein Auf und Ab der Gefühle. Das kann ich, Gott sei Dank, gut verarbeiten. Mit Hilfe der Familie und Mentaltrainer konnte alles eingeordnet werden. Ich bin ins Bett und konnte mich nicht freuen, da ich mit Sophia gelitten habe. Am nächsten Tag konnte ich mich dann das erste Mal freuen und mich zu 100 Prozent auf den Wettkampf fokussieren.

SPORT1: Bekam Sophia Junk auch eine Medaille, oder nur die vier Finalistinnen?

Burghardt: Sobald du im Vorlauf im Einsatz bist, bekommst du eine Medaille. Wenn du nur Ersatz bist, wie Lisa-Marie Kwayie, bekommst du leider keine. Das ist immer schade. In der Leichtathletik ist es anders als im Fußball, da bekommt jeder eine. Da könnte sich die Leichtathletik mal eine Scheibe abschneiden.

SPORT1: Welche Erinnerungen haben Sie an den Endlauf? Wie erging es Ihnen durch den einsetzenden Regen und wie nahmen Sie die Stimmung wahr?

Burghardt: Der Regen spielte eine große Rolle. Wir sind bei strahlendem Sonnenschein in die Katakomben gegangen. Dort vergehen etwa 45 Minuten, in denen du kein Tageslicht siehst. Beim ersten Blick ins Stadion habe ich gemerkt, dass es wie aus Strömen regnet und ich dachte kurz: ‚Das ist eine andere Welt.‘ Das war total komisch, aber irgendwie auch voll geil mit dieser Atmosphäre im Stadion. Ich bekam sofort Gänsehaut, und das pusht mich dann noch mehr. Da war uns dann klar, dass wir heute eine Medaille holen. Das war ein unausgesprochenes Gefühl. Wir waren alle gut drauf und wussten genau, was wir zu tun haben und dass wir das draufhaben. Es war klar, dass wir nicht zaubern müssten, sondern uns nur auf unser Ding konzentrieren müssen. Spätestens im Regen haben wir zu uns gesagt: ‚Jetzt holen wir uns die Medaille‘. Das ist dann zum Glück auch so eingetreten.

„Ich habe das Holz nicht mit der 100-prozentigen Konsequenz da hineingedroschen“

SPORT1: Der Wechsel von Ihnen auf Lisa Mayer war ein wenig wackelig. Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Burghardt: Ich habe am Start die ganze Zeit versucht, den Staffelstab irgendwie trocken zu halten. Das hat aber nicht richtig funktioniert. Mir war schon bewusst, dass das ein Thema sein kann. Tatsächlich habe ich das Holz nicht mit der 100-prozentigen Konsequenz da hineingedroschen, wie ich es sonst mache. Ich habe auf den Greifreflex der annehmenden Athletin gehofft, aber der kam nicht. Dann bin ich aus dieser Hand wieder herausgerutscht und dann fing Lisa (Mayer; Anm. d. Red.) an zu greifen. Das macht die Sache noch schwieriger, die Hand zu treffen.

SPORT1: Schlussendlich hat es dann ja doch noch geklappt...

Burghardt: Ja, und wir wussten sofort, dass die Übergabe noch innerhalb der Wechselzone war. Die Wechselprobleme von Rebekka Haase, die die Bahn verlassen hat, habe ich nicht mitbekommen. Das wurde uns auch erst nach der Siegerehrung zugetragen, dass da Diskussionsbedarf bestand. Die Freude war dann riesig. In diesem Stadion eine Ehrenrunde zu laufen, ist traumhaft. Es sind zwar 80.000 Leute im Stadion, aber man sieht trotzdem die Leute, die man sehen muss. Meine Eltern waren im Oberrang und ich habe sie tatsächlich gefunden. Ich habe sie dann heruntergewinkt und wir konnten uns umarmen. Das war wahnsinnig cool.

SPORT1: Sie hatten in den letzten Jahren immer wieder mit Verletzungspech zu kämpfen. Ist eine Olympia-Medaille auch eine Art Kompensation dafür?

Burghardt: Ja, zu 100 Prozent. Mir geht es da nicht anders als den anderen. Auf unserem Niveau gibt es niemanden, der nicht von Verletzungspech geplagt ist. Das gehört einfach dazu. Nur die wenigsten kommen da ein paar Jahre verletzungsfrei durch. Das ist der Preis, den man zahlt, wenn man jeden Tag am Limit trainiert. Für nächstes Jahr erhoffe ich mir, dass ich ohne größere Probleme durchkomme. Das war 2021 das letzte Mal der Fall. Genau jetzt sind die Jahre, in denen du merkst, dass etwas weiter geht und du richtig Spaß hast.

SPORT1: Bedeutet es Ihnen etwas, dass Sie sowohl bei Olympischen Spielen im Winter als auch im Sommer eine Medaille gewonnen haben, und Sie sich somit in einem erlauchten Kreis befinden? Oder ist das eher ein Nebenprodukt?

Burghardt: Mittlerweile finde ich das ziemlich cool, aber in Paris habe ich an das überhaupt nicht gedacht. Das war auch nicht das Ziel, das so zu schaffen. Mein Ziel war es, irgendwann mit der Staffel eine Medaille zu holen. Dann kam aber die Winter-Medaille und dann hieß es plötzlich von den Bobfahrern: ‚So Alex, jetzt holst du dir in Paris noch eine Medaille, dann hast du etwas ganz Cooles geschafft.‘ Jetzt ist es cool, aber nicht das Entscheidende. Das war für mich immer die persönliche Leistung. Ich bin gespannt, wer das als nächstes schafft. Ich kann mir vorstellen, dass das wieder jemand wird aus der Sprint- und Bobkombination.

„Das WM-Finale in Tokio ist das Ziel“

SPORT1: Gibt es für Sie eine persönliche Rangliste, welche olympische Medaille wichtiger ist?

Burghardt: Das kann ich nicht sagen, aber ich werde manchmal gefragt, welche Olympischen Spiele für mich cooler waren. Das waren die ohne Medaille – die in Tokio. Die waren für mich persönlich die Erfüllung eines Kindheitstraums mit dem Einzelstart über 100 Meter. Ich bin 11,07 gelaufen und das war für mich ein Hammer-Wettkampf. Da konnte ich mir selbst zeigen, dass ich in der Weltspitze etwas zum Mitreden habe und dass es nicht unrealistisch ist, auch einmal ein Finale zu erreichen. Das waren sicher die emotionalsten Spiele für mich. Die Medaillen sind beide gleich schön.

SPORT1: Hängen die bei Ihnen im Zimmer?

Burghardt: Ich hatte mal ein Gewächshaus, wo ich Zimmerpflanzen gezüchtet habe. Das war ein Trend während der Coronazeit. Mittlerweile sind die Pflanzen alle kaputt, weil ich so viel unterwegs war. Da sind jetzt die ganzen Awards und Auszeichnungen drinnen – auch das silberne Lorbeerblatt. Bald wird der Platz zu wenig, da muss ich mir noch etwas überlegen.

SPORT1: Wie lautet ihr sportliches Ziel für 2025?

Burghardt: Das WM-Finale in Tokio ist das Ziel. Allerdings ist das nur möglich, wenn ich gesund durchkomme und am Tag X 11,0 Sekunden renne. Mein PB ist 11,01 Sekunden. Jetzt wird aber erstmal so weitertrainiert wie bisher. Bisher befinde ich gut im Plan und ich hoffe nur, dass es so weitergeht. Grundsätzlich will ich einfach Spaß haben, das Ganze genießen und meine Erfahrung zunutze machen. Ich habe richtig Freude am Sport.