Dieser Mann hat nichts Geringeres vor, als die deutsche Leichtathletik zu revolutionieren: Claus Dethloff gründete 2021 „Germany Athletics“ - ein Projekt zur Förderung der deutschen Leichtathletik, das nun immer mehr mit Leben befüllt wird. Langfristig soll es dafür sorgen, dass die DLV-Athletinnen und Athleten im internationalen Maßstab wieder konkurrenzfähig werden.
Ein revolutionärer Plan
Der 56-Jährige hat unter der Dachmarke von „Germany Athletics“ bereits vier Vereine vereint: Cologne, Düsseldorf, Ostwestfalen-Lippe und Frankfurt Athletics. Mit München und Leipzig Athletics werden zwei weitere Klubs 2026 folgen, Berlin und Hamburg sollen sich langfristig ebenfalls dem Franchise anschließen.
Schon jetzt konnte Dethloff, zweimaliger Olympiateilnehmer im Hammerwurf, Top-Athleten wie der 10,06-Sekunden-Sprinter Yannik Wolf, die Hochsprung-Asse Tobias Potye und Imke Onnen und den derzeit besten deutschen Langstreckenläufer Mohamed Abdilaahi für sein Projekt begeistern.
Im SPORT1-Interview gibt der Unternehmer Einblicke hinter die Kulissen des Projektes und verrät, was er vorhat, um das Blatt der deutschen Leichtathletik zu wenden.
SPORT1: Herr Dethloff, was war der Auslöser für die Idee von Germany Athletics?
Claus Dethloff: Die Ursprungsidee war einfach nur „Cologne Athletics“ zu gründen, weil ich gesehen habe, dass eine Millionenstadt wie Köln in der deutschen Leichtathletik nicht entsprechend vertreten ist, vor allem im Nachwuchsbereich. Da dachte ich mir, es müsse sich etwas ändern. Viele waren damals unzufrieden mit der Ist-Situation in Köln und so gründete ich den Club.
SPORT1: Was haben Sie sich davon versprochen?
Dethloff: Das Konzept ist nachhaltig: Wir beginnen schon im Schulsport, wo Leichtathletik kaum noch systematisch gelehrt wird, das ist Basis-Arbeit. Dann kam die Idee, das Konzept von Cologne Athletics auch in anderen Großstädten in Deutschland umzusetzen. Es folgten Düsseldorf, Frankfurt und weitere. Für diese „Club-Family“ brauchten wir dann auch eine Dachmarke, und so entstand „Germany Athletics“.
Ist-Zustand der deutschen Leichtathletik? „Noch schlimmer als gedacht
SPORT1: Was ist das Ziel von „Germany Athletics“?
Dethloff: Wir sind leistungsorientiert und wollen für Topathleten und Toptrainer bessere Rahmenbedingungen schaffen und dafür sorgen, dass wir auch zukünftig Topathleten haben. Um 2028 in Los Angeles und vor allem 2032 in Brisbane konkurrenzfähig zu sein, müssen wir mehr Talente von außerhalb gewinnen und entwickeln. Deshalb sollten wir dezentral und flächendeckend an Vereins- und auch an Schulstandorten Talent-Sichtung betreiben. Das Ziel muss also sein, in acht bis zehn Jahren Athleten international dabei zu haben, die heute noch gar nicht an Leichtathletik denken.
SPORT1: Wie sind Sie bis jetzt mit Ihrem Franchise Projekt zufrieden?
Dethloff: Sehr! Die Medaille hat aber zwei Seiten: Auf der einen Seite bin ich sehr zufrieden mit dem, was sich in den letzten drei Jahren entwickelt hat. Das ist ein sehr erfolgreiches athleten- und trainerzentriertes Modell. Auf der anderen Seite haben wir wohl auch den Nerv der deutschen Leichtathletik getroffen: Der ganze Zuspruch, auch oder gerade von den Top-Athleten, ist auch ein Armutszeugnis für die Ist-Situation der deutschen Leichtathletik. Das scheint noch schlimmer zu sein, als ich ursprünglich gedacht habe.
SPORT1: Wie wird das Projekt genau finanziert?
Dethloff: Durch Investoren, am Anfang auch durch mich persönlich. Es haben sich aber früh Weggefährten aus der Wirtschaft gefunden, die das Ganze als unterstützungswürdig befinden. Wir haben von Jahr zu Jahr mehr Unterstützer.
Neue nationale Leichtathletik-Liga geplant
SPORT1: Sie sprechen von der Einführung einer nationalen Leichtathletik-Liga. Wie stellen Sie sich diese Liga vor?
Dethloff: Die Liga muss dazu dienen, mehr Gelder in die Leichtathletik hereinzuholen. Um nicht in der Vorbereitung auf die Saisonhöhepunkte gestört zu werden, müssen Athleten nur zwei bi viermal antreten und nicht an allen 12 bis 16 Spieltagen. Teilnehmen werden Top-Athleten in Mix-Teams. Es gibt eine bestimmte Anzahl von Teams, ohne Auf- und Absteiger, die als Städte-Club gegeneinander antreten und eine fortlaufende Tabelle über die Spieltage.
SPORT1: Wie soll das genau aussehen?
Dethloff: Pro Spieltag gibt es eine Disziplin aus unterschiedlichen Disziplinen-Blöcken, wie zum Beispiel Wurf, Sprung, Hürden oder Staffel, also etwa sechs, sieben Disziplinen. Ein Spiel- bzw. Wettkampftag sollte nur etwa zweieinhalb Stunden dauern, zur Steigerung der Attraktivität bei den Zuschauern. Es gibt auch eine gewisse Anpassung der Wettkampfregeln - zum Beispiel im Hochsprung-, damit der einzelne Spieltag nicht zu lange dauert.
„Nicht zu viel träumen“
SPORT1: Was muss weiter passieren, um in der deutschen Leichtathletik für Aufschwung zu sorgen?
Dethloff: Die Sportart darf sich nicht zurücklehnen, sondern muss sich beweisen: Die Topathleten und Toptrainer müssen besser unterstützt werden, nicht nur finanziell. Der Trainerberuf beispielsweise muss als Beruf auch wahrgenommen werden können. Die Attraktivität der Leichtathletik für den Schulsport muss gesteigert werden. Außerdem sollten altersklassenübergreifende Talent-Teams an möglichst vielen Standorten geschmiedet werden. Es gibt also viele verschiedene Hebel, die es zu bewegen gilt.
SPORT1: Wann wird die deutsche Leichtathletik ihren Rückstand auf die besten Nationen aufholen?
Dethloff: Man darf nicht zu viel träumen und erwarten, dass wir, wenn wir alles richtig machen, in fünf Jahren wieder eine Top-Leichtathletiknation und im Medaillenspiegel einer WM unter den Top-Drei sind. Die Zeiten kommen nicht so schnell wieder. Dafür ist die Konkurrenz welt- und europaweit in der Qualität und auch in der Quantität bereits zu stark. Auch sollten wir nicht glauben, dass der Erfolgsmaßstab, eines Tages wieder 30 Medaillen zu holen, sein wird, sondern eher, überall eine Chance auf eine Medaille zu haben. Für diese Chance muss aber auch die Disziplinen-Vielfalt wieder zurückkehren: sowohl im Athleten-, als auch im Trainerbereich.