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Die irre Harakiri-Taktik eines Deutschen, die zum Triumph führte

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Die irre Harakiri-Taktik eines Deutschen, die zum Triumph führte

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Außenseiter düpierte Europas Elite

In der Geschichte der deutschen Leichtathletik darf der Name Damian Kallabis nicht fehlen. Der Hindernis-Spezialist stürmte 1998 mit einer besonderen Taktik sensationell zu EM-Gold. Bei SPORT1 spricht Kallabis über seinen EM-Coup, damals kursierende Dopinggerüchte und seine Tochter Jolanda, die bereits in jungen Jahren von sich reden macht.
Damian Kallabis bei den Olympischen Spielen in Sydney
Damian Kallabis bei den Olympischen Spielen in Sydney
© IMAGO/Camera 4
In der Geschichte der deutschen Leichtathletik darf der Name Damian Kallabis nicht fehlen. Der Hindernis-Spezialist stürmte 1998 mit einer besonderen Taktik sensationell zu EM-Gold. Bei SPORT1 spricht Kallabis über seinen EM-Coup, damals kursierende Dopinggerüchte und seine Tochter Jolanda, die bereits in jungen Jahren von sich reden macht.

Der Name Kallabis hat in der deutschen Leichtathletik seit jeher einen guten Klang. Lange Zeit bevor die heute 19 Jahre alte Jolanda Kallabis auf sich aufmerksam machte, schnürte ihr Vater Damian die Laufschuhe und war Ende der 1990er Jahre in Deutschland über die 3000 Meter Hindernis das Maß der Dinge.

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Neben seinem spektakulären Sieg bei der EM 1998 in Budapest, als er als Außenseiter mit einer „Harakiri-Taktik“ zu Gold stürmte, bleibt vor allem auch sein Deutscher Rekord in Erinnerung, der bis zum heutigen Tage Bestand hat.

Abseits der sportlichen Meriten gab es auch einige Dopinggerüchte, denen sich Kallabis ausgesetzt sah - vor allem, als er den Trainer wechselte und zu Stéphane Franke (der tragischerweise 2011 im Alter von 47 starb) ging. Zeitweise geriet Kallabis bei der legendär gewordenen „Zahnpasta-Affäre“ unter Verdacht, er habe die Zahnpastatube von Dieter Baumann manipuliert.

Der spektakuläre Fall begann am heutigen 19. November vor 25 Jahren mit einer positiven Dopingprobe des 5000-Meter-Olympiasiegers von 1992.

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Im SPORT1-Interview spricht Damian Kallabis über die damaligen Dopinggerüchte, seine Erfolge und Tochter Jolanda.

„Jeder hat gedacht: Den holen wir uns auch wieder“

SPORT1: Herr Kallabis, am 23. August 1998 sind Sie in Budapest sensationell Europameister über 3000 Meter Hindernis geworden. Welche Erinnerungen haben Sie an das Rennen?

Damian Kallabis: Wir hatten einen Plan festgelegt, dass ich nach einem Kilometer, also fünf Runden vor Schluss, loslaufe – einfach, um einen Überraschungseffekt zu haben. Das Witzige war, dass bereits in der ersten Runde mein Teamkollege Andre Green vorgestürmt war. Er war schon 15 Meter vor dem Feld, was mich nicht gestört hatte, weil ich wusste, dass er kränklich war und nicht wirklich wegrennen würde. Für mich war das taktisch gesehen sehr gut, weil man ihn schnell wieder eingeholt hat. Als ich dann losgestürmt bin, hat jeder im Feld gedacht: Das ist der nächste Deutsche, den holen wir uns früher oder später auch wieder.

SPORT1: Dazu kam es aber nicht...

Kallabis: Ich hatte maximal 30 Meter Vorsprung, bevor das Feld etwa 500 Meter vor Schluss ein bisschen näherkam. Zu Beginn der letzten Runde waren die Verfolger noch etwa zehn Meter hinter mir. Damit hatte ich gerechnet und mir deshalb noch etwas aufgehoben. Dann habe ich noch einmal beschleunigt und meinen Vorsprung bis ins Ziel gehalten.

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SPORT1: Am letzten Wassergraben wären Sie fast gestürzt…

Kallabis: Das stimmt. Über den letzten Wassergraben bin ich in meiner Euphorie drüber gesprungen, ohne ihn zu berühren, was mich fast stürzen ließ. Ich konnte mich aber noch auf den Beinen halten und es hat mich vielleicht eine halbe Sekunde gekostet.

„Das Rennen hatte einen faden Beigeschmack“

SPORT1: Mit 8:09,48 Minuten halten Sie seit 1999 den Deutschen Rekord. Hätten Sie damals vermutet, dass der Rekord 25 Jahre lang Bestand hat?

Kallabis: Natürlich nicht. Zunächst hatte ich gehofft, dass ich selbst noch einmal schneller laufe. Bei dem Rennen in Zürich, bei dem ich den Rekord aufgestellt habe, war ich nach einem Kilometer Letzter. Danach habe ich nur noch Leute überholt und bin am Ende Vierter geworden. Auf der letzten Gegengeraden habe ich sogar noch Moses Kiptanui überholt, den ehemaligen Weltrekordler und Superstar. Das war etwas ganz Besonderes. Das Rennen hatte allerdings auch einen faden Beigeschmack, weil ein Kenianer dem anderen beim Zieleinlauf den Vortritt ließ, damit er im Kampf um den Jackpot der Golden League (Vorgänger der heutigen Diamond League, Anm. d. Red.) bleibt. Nachher wurde viel darüber gemunkelt, ich weiß gar nicht mehr, ob es sogar eine Strafe gab.

SPORT1: Zuletzt gab es im deutschen Lager etwas Aufwind über die Strecke. Mit Frederik Ruppert und Karl Bebendorf liefen zwei Deutsche zumindest in die Nähe Ihres Rekordes…

Kallabis: Bebendorf hat kürzlich in einem Podcast gesagt, dass es sein großes Ziel ist, den Rekord zu knacken. Es fehlt zwar noch ein bisschen, aber es scheint durchaus machbar. Wenn einer von den beiden ein optimales Rennen erwischt, dann fällt der Rekord. Das muss ich ganz realistisch sehen.

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Das sagt Kallabis über die Zahnpasta-Affäre

SPORT1: Ihre Karriere war auch geprägt durch einige Dopinggerüchte – auch in Zusammenhang mit Dieter Baumanns Zahnpasta-Affäre. Sie wurden beschuldigt, die Zahnpastatube manipuliert zu haben. Wie denken Sie 25 Jahre später darüber?

Kallabis: Mit der Zahnpasta-Affäre hatte ich überhaupt nichts zu tun. Da bin ich sozusagen mit reingezogen worden. Das war meiner Karriere sicherlich nicht förderlich, dass ich damals verdächtigt wurde. Ich komme mit Dieter gut klar, ich kam immer gut mit ihm klar. Das Problem, dass ich damals verdächtigt wurde, war meine Zusammenarbeit mit Stéphane Franke. Davor war Isabelle Baumann, Dieters Frau, meine Trainerin – und auch die von Franke zur damaligen Zeit. Als ich nach Amerika ging, habe ich mich im Guten von Isabelle getrennt, da gab‘s überhaupt keinen Stress.

SPORT1: Was ist dann passiert?

Kallabis: Als ich nach meiner Rückkehr aus Amerika bei Stéphane trainiert habe, war ich auf einmal auf der anderen Seite, als Stéphane und Dieter nicht mehr Freunde waren. Ich habe mit Dieter nie ein Problem gehabt, wir haben einfach nicht mehr zusammen trainiert. Ich habe mich vor zehn, 15 Jahren mal in Freiburg mit Dieter zum Kaffee getroffen und mit ihm darüber gequatscht. Da ist aus meiner Sicht alles bereinigt. Und wenn ich heutzutage Isabelle treffe – Dieter ist sehr selten bei Wettkämpfen zu sehen – dann reden wir ganz normal miteinander.

SPORT1: 1998 gab es im Zusammenhang mit der Einnahme des Blutverdünners HES einen Dopingverdacht gegen Sie und Ihren Trainer Franke. Ein Ermittlungsverfahren kam aber nie zustande. Was hatte es damals auf sich?

Kallabis: HES war zum damaligen Zeitpunkt nicht auf der Dopingliste. Daher habe ich nichts Unerlaubtes gemacht. Es gibt hier nur schwarz oder weiß - und ich war auf der weißen Seite. Es gibt und wird immer Neider geben.

„Ich will Jolanda nicht nerven“

SPORT1: Ihre Tochter Jolanda tritt seit einiger Zeit in Ihre Fußstapfen und hat in ihren jungen Jahren schon beachtliche Erfolge erzielt. Wie sehen Sie Ihre Entwicklung?

Kallabis: Ihre Entwicklung sehe ich sehr positiv. Sie wäre noch positiver gewesen, wenn sie nicht einige Verletzungen und Krankheiten gehabt hätte. Sie ist viel weiter, als ich es in ihrem Alter war. Sie hat das Potenzial, noch deutlich schneller zu laufen. Die Grundvoraussetzung ist aber natürlich, dass sie gesund bleibt.

SPORT1: Sehen Sie sie häufiger und geben Sie ihr auch den ein oder anderen Tipp?

Kallabis: Zuletzt habe ich sie häufiger gesehen, aber ansonsten ist sie meistens im Trainingslager in Sankt Moritz oder in Südafrika. Wir sprechen dann über alles Mögliche, nicht nur über das Training. Ich will ihr da aber nicht reinreden und sie nerven. Wenn ich anderer Meinung über irgendwelche Trainingsinhalte wäre, dann würde ich eher mit ihrem Trainer Thomas Dreißigacker darüber sprechen.

SPORT1: Haben Sie Verständnis, dass sie erst mal von der Hindernisstrecke abgerückt ist und sich auf die kürzeren, flachen Strecken über 800 und 1500 Meter begibt?

Kallabis: Ja, dafür habe ich volles Verständnis. Um 3000 Meter Hindernis zu laufen, müsste sie die Trainingsumfänge deutlich steigern, was automatisch das Verletzungsrisiko erhöht. Ich kann mir aber vorstellen, dass sie in ein paar Jahren doch wieder die Hindernisstrecke läuft, weil sie das irgendwann reizen wird.