Die Frage nach dem erfolgreichsten deutschen Leichtathletik-Trainer der vergangenen Jahrzehnte ist eigentlich leicht zu beantworten.
Eine deutsche Legende rechnet ab
Blickt man auf den Lebenslauf von Dieter Kollark, dann kann es nur der hochdekorierte Coach sein, der an diesem Mittwoch 80 Jahre alt wird. Umso verwunderlicher, dass der Deutsche Leichtathletik-Verband seinem Erfolgstrainer nie die entsprechenden Meriten verlieh - prinzipiell.
Als er vom Nordkurier anlässlich seines runden Jubiläums darauf angesprochen wurde, dass er nie zum Trainer des Jahres gewählt wurde, antwortete Kollark: „Ich hätte es fünfmal werden müssen. Und wenn niemand zur Auswahl stand, hat der DLV die Ehrung einfach ausfallen lassen.“
„Ich habe vieles richtig gemacht und vieles falsch“
Sportlich war er über jeden Zweifel erhaben, doch wegen seiner Vergangenheit als Inoffizieller Mitarbeiter der Stasi hatte der Verband möglicherweise Skrupel, ihn auszuzeichnen - auch, weil er ins staatliche Dopingsystem eingebunden war. Gleichwohl waren die DLV-Verantwortlichen froh, einen wie ihn in den eigenen Reihen zu haben.
„Ich bereue nichts, weil es damals der Situation geschuldet war“, sagte Kollark dem Nordkurier bereits vor fünf Jahren. „Manche Situationen waren einfach kompliziert. Ich wollte einfach als Trainer weiterarbeiten, habe dafür einen Spagat gemacht. Ich habe vieles richtig gemacht und vieles falsch. Und wahrscheinlich würde ich heute einiges anders machen.“
Kollarks erfolgreichste Athletinnen waren Kugelstoß-Olympiasiegerin Astrid Kumbernuss, mit der er lange ein Paar war, die dreifache Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch und Lijiao Gong. Die chinesische Kugelstoßerin führte er 2017 ebenfalls zum WM-Titel.
Bis auf Weitspringerin Malaika Mihambo, die unter anderem Olympiasiegerin und zweimal Weltmeisterin wurde, hat der DLV aktuell keine Seriensieger mehr. Kollark führt das auf den fehlenden Biss der Aktiven zurück.
„Ein wenig wie Leben auf dem Ponyhof“
So würden ihm italienische Kugelstoßer, in Person von Leonardo Fabbri mittlerweile auf Weltklasseniveau angekommen, erzählen, Deutschland habe Trainingsbedingungen „wie im Schlaraffenland, nicht vergleichbar mit denen in Italien“, sagt Kollark. „Aber die Italiener trainieren zweimal am Tag.“
Sein bitteres Fazit: Leichtathletik in Deutschland sei für einige Athleten „ein wenig wie Leben auf dem Ponyhof“ geworden.
Am liebsten würde Kollark das Rad zurückdrehen und sich wünschen, dass seine Nachfolger auf das Trainingssystem der 1990- bis 2000-Jahre zurückgreifen - mit dem, was heute ist, kann er in vielerlei Hinsicht hörbar wenig anfangen: „Das System war perfekt. Heute kommt aber das Argument, das könne man Kindern und Jugendlichen nicht mehr zumuten. Wichtiger als Training sind dann oft Sachen wie Metoo- und Rassismusdiskussionen oder, dass es zu viel Druck für die Sportler gibt.“
Claudine Vita bedankt sich bei Kollark
Bereits 2023 hatte er nach dem WM-Debakel von Budapest, als das DLV-Team komplett medaillenlos blieb, mit der deutschen Leichtathletik abgerechnet. „Wir müssen einfach feststellen, dass uns viele andere Nationen mittlerweile überlegen sind. Deutschland ist in der Leichtathletik nur noch drittklassig.“ Die Ergebnisse seien noch schlechter als bei der WM in Eugene, „aber niemand übernimmt Verantwortung“.
Bis vor kurzem war Kollark trotz seines gesetzteren Alters noch mittendrin im Trainerberuf und betreute die Diskuswerferin Claudine Vita - eine Sportlerin mit einer ganz anderen Nachwendegeschichte: Die 1996 geborene Vita - die auch von Kumbernuss gefördert und trainiert wurde - ist Tochter angolanischer Eltern, die 1989 als Asylbewerber nach Brandenburg kamen. Trotz der vielen Gegensätze war es eine fruchtbare Kooperation: „Ich bin Herrn Kollark sehr dankbar, dass er, gerade als Rentner, so viel Zeit und Energie investiert hat“, sagte Vita.
Kollark kam übrigens doch noch zu seinen Meriten: Nach dem WM-Gold von Lijiao Gong wurde er 2017 zum Leichtathletik-Trainer des Jahres gewählt - in China.