Lange Zeit war sie die erfolgreichste Leichtathletin der Olympia-Geschichte – und war nicht nur deswegen eine der am meisten bewunderten Sportlerinnen ihrer Heimat.
Das Drama einer Olympia-Sensation
„Betty ist ein leuchtendes Vorbild. Ihre Geschichte wird australische Sportler noch über Generationen inspirieren“, sagte einmal Cathy Freeman, eine Frau, die mit Fug und Recht dasselbe über sich behaupten kann.
In ähnlicher Weise wie die australische Ureinwohnerin Freeman mit ihrem unvergessenen 400-Meter-Gold bei Olympia in Melbourne 2000 nicht nur das Sportpublikum bewegte, tat es einige Jahrzehnte vor ihr Betty Cuthbert.
Mit drei Goldmedaillen bei den Spielen in Melbourne 1956 (100 Meter, 200 Meter, 4x 100 Meter Staffel) stieg das damals 18 Jahre junge Wunderkind zur Volksheldin auf. Heute vor 60 Jahren vollendete sie ihr sportliches Vermächtnis, als sie in Tokio auch ihren Wechsel auf die 400 Meter mit einem Olympiasieg krönte.
In mindestens gleichem Maß hinterließ Cuthbert noch Jahre nach ihrer Athletinnenkarriere Eindruck: durch die Art und Weise, wie sie mit einem persönlichen Schicksalsschlag umging, der sie bis ans Ende ihres Lebens verfolgte.
Mit 18 wurde Cuthbert bei Olympia zur Volksheldin
Cuthbert wurde am 20. April 1938 geboren und wuchs mit drei Geschwistern in behüteten Verhältnissen nahe Sydney auf - besonders zu ihrer zweieiigen Zwillingsschwester Marie, genannt „Midge“, hatte sie zeit ihres Lebens ein inniges Verhältnis.
Auf der Strecke fiel Betty Cuthbert früh durch beeindruckende Leistungen und auch durch ihren einprägsamen Laufstil auf: Die Knie immer wieder weit nach oben ziehend, den Mund ständig weit offen.
Ihr großer Triumphzug in Melbourne begann mit dem Sieg über 100 Meter, begünstigt vom völlig unerwarteten Vorlauf-Aus der favorisierten Weltrekordhalterin und Landsfrau Shirley Strickland. Der Sieg über die 200 Meter - die als Cuthberts eigentliche Spezialdisziplin galten - folgte, plus Staffel-Gold mit Strickland, Norma Croker und Fleur Mellor.
Nur zwei Superstars übertrumpften sie
Nachdem eine Verletzung die Titelverteidigungen in Rom 1960 verhindert hatte, beendete Cuthbert eigentlich schon frühzeitig ihre Karriere. Bald aber folgte der Rücktritt vom Rücktritt, bei dem sich Cuthbert mit dem Schwenk auf die 400 Meter eine neue Herausforderung suchte.
Am 17. Oktober 1964 meisterte sie in Tokio mit ihrer vierten Goldmedaille und zog damals mit Fanny Blankers-Koen aus den Niederlanden als bis dahin erfolgreichste Leichtathletin der Olympia-Geschichte gleich. Übertroffen ist sie bis heute nur von Allyson Felix (7x Gold) und Elaine Thompson-Herah.
Fünf Jahre nach ihrem Karriere-Ende wurde bei der damals 31-jährigen Cuthbert Multiple Sklerose diagnostiziert.
Langer Kampf mit unheilbarer Krankheit
Cuthbert lebte fast 48 Jahre mit der unheilbaren Krankheit, war schließlich über Jahrzehnte auf einen Rollstuhl und häusliche Pflege angewiesen.
Die Olympia-Heldin nahm ihre Erkrankung als neue Lebensaufgabe an, kämpfte für Aufklärung, medizinische Hilfe und Bewusstsein für MS-Patientinnen und -Patienten. Der Wert ihres Engagements wird im australischen MS-Stiftungswesen als unschätzbar angesehen.
„Ich habe nie gedacht: Warum ich?“, sagte die gläubige Christin Cuthbert einmal: „Ich habe gewusst, dass Gott wollte, dass ich es nutzen sollte, um anderen Menschen zu helfen.“
Auch 2000 in Sydney war sie präsent, war bei der Eröffnungsfeier eine der Fackelträgerinnen, die Freeman das olympische Feuer reichten.
Ab 2002 war Cuthbert durch eine schwere Hirnblutung noch weiter beeinträchtigt, litt in ihren letzten Lebensjahren auch an Demenz. Am 26. August 2017 starb sie mit 79 Jahren.
Bei der Beerdigung in Mandurah verabschiedeten sich zahlreiche athletische Größen Australiens von einer der beeindruckendsten Frauen der Sportgeschichte.