Drei Monate vor den Olympischen Spielen 2024 trug sich Youngster Mika Sosna in die Geschichtsbücher ein: Dem 21 Jahre alten Diskuswerfer gelang bei einem Wettkampf im US-amerikanischen Ramona ein Wurf an die 69-Meter-Marke - die beste deutsche Weite in der Altersklasse U23.
Olympia? „Eine Vollkatastrophe“
Davon beflügelt ging Sosna bei den Sommerspielen in Paris an den Start - doch er erlebte eine herbe Enttäuschung. Um einen Meter verpasste der Hamburger die Qualifikation für das olympische Finale im Diskuswerfen.
Bei SPORT1 blickt Sosna auf den Wettkampf in Paris zurück und verrät, wie er die Enttäuschung verarbeitet hat. Zudem erklärt er, was er dennoch von Olympia mitnimmt und wie seine künftigen Ziele aussehen.
SPORT1: Herr Sosna, wann haben Sie die Saison beendet?
Mika Sosna: Ich habe sie direkt nach den Olympischen Spielen beendet. Ich wollte die Saison mit diesem Großereignis abschließen. Ich glaube, das war letztendlich auch die richtige Entscheidung.
Diskus-Youngster blickt auf die Olympia-Saison zurück
SPORT1: Waren Sie schon im Urlaub?
Sosna: Nein, Urlaub habe ich keinen gemacht. Ich bin danach auch direkt wieder ins Training eingestiegen. Nicht mit dem Pensum, das ich sonst so absolviere, aber ich kann einfach nicht ohne. Deshalb habe ich gesagt, ich mache wenigstens ein bisschen was.
SPORT1: Die abgelaufene Saison begann im April mit einem echten Knall. Damals haben Sie in den USA nah an die 69 Meter geworfen. Gab es Leute, die gesagt haben: ‚Ach das ist ja nur eine Segelwiese gewesen‘?
Sosna: Ja, die ganze Zeit. Das sind einfach Kommentare, die man sich anhören muss. Das hat mich aber relativ wenig interessiert, weil alle persönlichen Bestweiten auf guten Anlagen bei guten Konditionen geworfen werden. Es war ein offiziell eingetragener Wettkampf, die Bedingungen waren gut und ich habe die Bedingungen genutzt. Letztendlich bin ich bei den Olympischen Spielen gewesen.
SPORT1: Anfang Juni kam die EM, bei der Sie es ins Finale geschafft haben. Wie haben Sie die Titelkämpfe in Rom erlebt?
Sosna: Ich habe dort ziemlich viel Erfahrung tanken dürfen. Es war für mich der erste große internationale Wettkampf bei den Erwachsenen. Von daher war ich echt happy, dass ich das Finale erreichen konnte. Mich hat es aber total irritiert, dass die Qualifikation und der Wettkampf an einem Tag stattfanden. Und da habe ich mich bei der Regeneration brutal verschätzt. Letztendlich habe ich dann im Finale überhaupt nichts mehr hingekriegt. Darüber habe ich mich sehr geärgert.
Olympia: „Ganz anders als alles, was ich bisher erlebt habe“
SPORT1: Im August folgte Olympia. Wie haben Sie dieses Großereignis, abseits Ihres Wettkampfes, wahrgenommen?
Sosna: Es war unbeschreiblich. Von der medialen Präsenz, von den Sportlern, die im Dorf rumgelaufen sind, und den Zuschauern im Stadion, war das ganz anders als alles, was ich bisher erlebt habe. Das sind Sachen, die werde ich mein ganzes Leben nicht vergessen. Wir sind eineinhalb Tage vor dem Wettkampf angereist und bis zum Ende geblieben.
SPORT1: Wie war das Leben im Olympischen Dorf?
Sosna: Wir sind hinterher wie eine große Familie gewesen. Auch innerhalb des Team Deutschland war es cool zu sehen, wie entspannt die Athleten drauf sind. Man trifft verschiedene Charaktere und lernt Leute kennen, die man vorher nur im Fernsehen gesehen hat. Das ist schon etwas ganz Besonderes gewesen.
SPORT1: Ihr Wettkampf lief nicht ganz so gut. Woran hat das gelegen?
Sosna: Ich würde den Wettkampf tatsächlich als eine Vollkatastrophe abstempeln. Ich habe in den ersten beiden Versuchen übergetreten und dann fängst du natürlich an, zu denken. In der Vorbereitung lief es wirklich gut. Da habe ich konstant Weiten geworfen, die locker für das Finale gereicht hätten. Es ist vielleicht doch nochmal ein Unterschied in der Qualifikation vor 71.000 Zuschauern zu werfen. Aber ich war eigentlich relativ entspannt und wusste, was ich draufhabe. Nach den ersten beiden ungültigen Versuchen konnte ich es dann irgendwie nicht mehr abrufen.
Olympisches Finale um einen Meter verpasst
SPORT1: Im dritten Versuch haben Sie dann 61,81 Meter geworfen...
Sosna: Mir hat genau ein Meter zur Qualifikation für das Finale gefehlt. Der Wurf war technisch eine Vollkatastrophe. Ich fand es einfach nur extrem schade, nicht das abrufen zu können, was ich eigentlich draufhabe.
SPORT1: Wie sind Sie mit der Enttäuschung klargekommen?
Sosna: Wir hatten im Diskus-Team zwei Leute, die es nicht ins Finale geschafft haben und die sich mehr vorgenommen hatten. Henrik Janssen und ich. Wir haben schon unsere Zeit gebraucht. Man kam ins Dorf zurück und wusste, dass es das jetzt schon gewesen ist. Da hatten wir uns doch mehr erhofft. Im nächsten Moment habe ich zu Henrik gesagt: ‚Wir können nichts mehr an dem Wettkampf ändern. Jetzt geht es darum, das olympische Feeling einzusaugen‘.
„Jeder muss durch schlechte Ergebnisse Erfahrungen sammeln“
SPORT1: Was nehmen Sie aus dem Wettkampf mit - vielleicht auch für die nächsten Spiele?
Sosna: Erfahrungstechnisch bin ich innerhalb eines Tages um zehn Jahre gealtert Ich habe mir auch im Nachhinein die Wettkämpfe anderer Athleten angeschaut und gesehen, dass auch teilweise nervös sind, aber ganz genau wissen, wie die damit umgehen müssen. Ich nehme enorm viel Erfahrung, Spaß und Motivation für die nächsten Jahre mit. Unser Ziel ist es, die nächsten Jahre zur absoluten Weltspitze zu gehören. Und es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Jeder muss durch schlechte Ergebnisse Erfahrungen sammeln. Das ist, denke ich, Teil des Prozesses.
SPORT1: 2025 geht es mit der WM in Tokio weiter. Was nehmen Sie sich dafür vor?
Sosna: Erst mal nehme ich mir vor, es ins Team zu schaffen. Die Norm ist noch höher geworden als bei den Olympischen Spielen und beträgt 67,50 Meter. Das ist mit Abstand die höchste Norm, die es bei Weltmeisterschaften jemals gab. Das ist schon verdammt heftig.
SPORT1: Wann steigen Sie so richtig in die Vorbereitung ein?
Sosna: Wir sind jetzt schon so richtig in der Vorbereitung drin. Wir haben die ganze Planung wieder neu ausgerichtet. Nächstes Jahr steht die WM in Tokio und auch die U23-EM an. Das sind so die Planungsziele, die wir uns setzen.