Home>Leichtathletik>

Olympia: Der verrückteste Marathon der Geschichte

Leichtathletik>

Olympia: Der verrückteste Marathon der Geschichte

{}
{ "placement": "banner", "placementId": "banner" }
{ "placeholderType": "BANNER" }

Ein Rennen am Rande des Wahnsinns

Vor 120 Jahren fand in St. Louis der kurioseste Marathon der olympischen Geschichte statt. Betrug, Doping und wilde Hunde machten das Rennen zu einem absurden Spektakel.
Beim Marathon bei den Olympischen Spielen in St. Louis traten nur Männer an
Beim Marathon bei den Olympischen Spielen in St. Louis traten nur Männer an
© IMAGO/Colorsport
Anna Heuer
Anna Heuer
Vor 120 Jahren fand in St. Louis der kurioseste Marathon der olympischen Geschichte statt. Betrug, Doping und wilde Hunde machten das Rennen zu einem absurden Spektakel.

Der 30. August 1904 markiert eines der kuriosesten Kapitel in der Geschichte der Olympischen Spiele. An diesem Tag fand in St. Louis der Marathon statt, der mehr einem absurden Theaterstück als einem sportlichen Wettkampf glich.

{ "placeholderType": "MREC" }

Während die Welt mittlerweile an den geordneten, hochprofessionellen Ablauf der Olympischen Spiele gewöhnt ist, stand die Veranstaltung damals noch in ihren Kinderschuhen. Es war erst die dritte Austragung der modernen Spiele - und das in einem im Sommer sehr heißen und schwülen Staat wie Missouri.

Das Rennen der Extremen

Mitten im heißen Missouri-Sommer wagten sich 32 Läufer auf die Strecke. Diese führte nicht nur durch enge und staubige Straßen, sondern auch über sieben steile Hügel. Die unbefestigten Wege wirbelten so viel Staub auf, dass die Athleten Schwierigkeiten hatten, überhaupt zu atmen.

Dazu kam die fragwürdige Entscheidung der Organisatoren, nur eine einzige Trinkstation auf der gesamten knapp 40 Kilometer langen Strecke einzurichten. Die Läufer waren daher gezwungen, sich mit minimaler Flüssigkeitsaufnahme durch die brütende Hitze zu kämpfen. Von den 32 Startern erreichten nur 14 das Ziel.

{ "placeholderType": "MREC" }

Betrug, Doping und wilde Hunde

Doch damit nicht genug. Nicht nur die extremen Bedingungen machten diesen Marathon unvergesslich. Bereits wenige Kilometer nach dem Start begannen die ersten Dramen.

Der Amerikaner Fred Lorz, der das Rennen als Erster beendete, wurde kurz vor der Siegerehrung des Betrugs überführt. Nach nur 14 Kilometern hatte Lorz aufgrund von Krämpfen das Rennen aufgegeben und war in ein Auto gestiegen, das ihn 17 Kilometer Richtung Ziel brachte. Als das Auto dann eine Panne hatte, entschloss er sich, den Rest der Strecke wieder zu Fuß zurückzulegen.

Im sogenannten Olympiastadion - dem Francis Field - angekommen, genoss Lorz dann die Begeisterung des Publikums und ließ sich sogar von Alice Roosevelt, der Tochter des damaligen Präsidenten Theodore Roosevelt, feiern. Dann fiel sein Schwindel auf und er wurde disqualifiziert.

Währenddessen hatten andere Läufer mit ihren eigenen Hindernissen zu kämpfen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Der kubanische Briefträger Félix Carvajal, der sich seine Reise nach St. Louis durch Bettelrunden in Havanna finanziert hatte, musste fast 1.000 Kilometer zu Fuß zurücklegen, um überhaupt rechtzeitig zum Start anzukommen. Endlich angekommen, bestritt er das Rennen dann in Straßenkleidung - vorher hatte er sich wenigstens noch die Hosenbeine abgeschnitten.

Aber das war’s noch nicht. Er hatte verdorbene Früchte vom Straßenrand gegessen und daher während des Laufes mit Magenproblemen zu kämpfen. Der Kubaner ruhte sich also direkt an der Straße aus und machte ein Nickerchen. Und obwohl er noch nie zuvor einen Marathon gelaufen war, gelang Carvajal dann die kleine Sensation: Er wurde Olympia-Vierter.

Auch zwei afrikanische Läufer sorgten für Aufsehen. Als erste Schwarzafrikaner bei den Olympischen Spielen der Neuzeit beendeten Len Taunyane und Jan Mashiani den Marathon auf den Plätzen neun und zwölf.

Taunyane, der wohl eine bessere Platzierung hätte erreichen können, wurde während des Rennens von streunenden Hunden gejagt und musste einen unfreiwilligen Umweg durch ein Weizenfeld in Kauf nehmen.

Ein Sieger auf Rattengift

Den Sieg sicherte sich schließlich der Amerikaner Thomas Hicks. Doch auch sein Triumph war alles andere als sauber. Hicks‘ Trainer hatten ihm während des Rennens einen bedenklichen Cocktail aus Strychnin verabreicht - einem Aufputschmittel, was damals häufig als Rattengift genutzt wurde und heute auf der Dopingliste steht. Auch Brandy wurde dem Läufer gegeben.

Diese Kombination hielt Hicks zwar auf den Beinen, brachte ihn aber an den Rand eines Kollapses. Er musste die letzten Meter von seinen Betreuern quasi ins Ziel getragen werden. Denn: Er litt unter Halluzinationen. Sein Gesicht war bleich und seine Beine steif - und dennoch sicherte er sich nach 3:28:53 Stunden die Goldmedaille.

{ "placeholderType": "MREC" }

Ein Rennen, das die Spiele beinahe beendete

Abseits des Marathonlaufs waren die Olympischen Spiele 1904 insgesamt von einer bescheidenen Teilnehmerzahl geprägt - zumindest wenn man diese mit heute vergleicht. Mit nur 651 Athleten aus zwölf Nationen, von denen 526 Starter aus den USA kamen, erreichten diese Spiele nicht die internationale Beteiligung, die man sich damals erhofft hatte. Zum Vergleich: In Paris 2024 waren rund 11.400 Athletinnen und Athleten in 339 Wettbewerben in 32 Sportarten dabei.

Die parallele Ausrichtung zur Weltausstellung in St. Louis führte dazu, dass viele der Wettbewerbe über mehrere Monate hinweg gestreckt wurden, was die Spiele stark entzerrte und ihnen das Gefühl eines sportlichen Großereignisses nahm.

Der Marathon von St. Louis war so skandalös, dass er beinahe das Ende des Olympischen Marathons bedeutet hätte. James Sullivan, der damalige Direktor der Spiele, zog in Erwägung, das Rennen für zukünftige Olympische Sommerspiele zu streichen.

{ "placeholderType": "MREC" }

Und so bleibt das Rennen von St. Louis bis heute eines der außergewöhnlichsten und absurdesten Ereignisse der Sportgeschichte.