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"Habe so übertrieben" - Für Olympia riskierte er seine Gesundheit

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"Habe so übertrieben" - Für Olympia riskierte er seine Gesundheit

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Für Olympia ging er ins Risiko

Obwohl jahrelang Deutschlands bester Speerwerfer, verpasste Johannes Vetter jüngst die Olympischen Spiele in Paris. Bei SPORT1 erklärt der 31-Jährige, wie er seine Gesundheit riskierte, wie sein Comeback-Plan aussieht - und was ihn bei Zehnkämpfer Leo Neugebauer wundert.
Die Silhouette von Speerwerfer Johannes Vetter bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig
Die Silhouette von Speerwerfer Johannes Vetter bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Braunschweig
© IMAGO/Beautiful Sports
Obwohl jahrelang Deutschlands bester Speerwerfer, verpasste Johannes Vetter jüngst die Olympischen Spiele in Paris. Bei SPORT1 erklärt der 31-Jährige, wie er seine Gesundheit riskierte, wie sein Comeback-Plan aussieht - und was ihn bei Zehnkämpfer Leo Neugebauer wundert.

Olympische Spiele und Johannes Vetter - das scheint nicht zusammenzupassen. Jahrelang war der deutsche Speerwerfer der große Dominator der Szene und doch gelang es ihm bislang nicht, eine olympische Medaille zu gewinnen.

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Bei den Spielen in Rio 2016 fehlten ihm vier Zentimeter zu Bronze, in Tokio 2021 verzweifelte er als großer Favorit an einer zu weichen Anlaufbahn - und in Paris musste Vetter verletzungsbedingt passen.

Dabei hatte der 31-Jährige alles auf eine Karte gesetzt, um sich auf den letzten Drücker doch noch zu qualifizieren, war aber bei den Deutschen Meisterschaften deutlich an der geforderten Weite gescheitert.

Vetter: „Das erste Mal schmerzfrei“

Im SPORT1-Interview erklärt Vetter, wie er seine Gesundheit riskierte, um sich das Last-Minute-Ticket zu schnappen, wie er es schafft, sich weiter zu motivieren - und was ihn bei Zehnkämpfer Leo Neugebauer wundert.

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SPORT1: Herr Vetter, Ihr Martyrium dauert nun schon über zwei Jahre. Dabei klangen Sie im vergangenen Herbst noch optimistisch, die gesundheitlichen Probleme in den Griff zu bekommen ...

Johannes Vetter: Nachdem ich im August des vergangenen Jahres meine Schulterprobleme hinbekommen habe, waren wir sehr positiv gestimmt. Schon im Oktober haben wir Würfe eingebaut, bei denen ich gemerkt habe, dass es der Schulter gut ging. Da war ich das erste Mal seit eineinhalb Jahren schmerzfrei. Im Dezember war ich in Südafrika wieder im Trainingslager, da habe ich auf der Wiese schon ca. 83 Meter weit geworfen. Es gab zwar einige technische Stellschrauben, an denen wir drehen mussten, wir waren zu dem Zeitpunkt aber super zuversichtlich.

SPORT1: Sie sind dann auch gut über den Winter gekommen, oder?

Vetter: Kurz nach dem Jahreswechsel habe ich mir einen kleinen Muskelfaserriss in der Wade zugezogen, aber als der behoben war, habe ich im Training 85 Meter aus dem kurzen Anlauf geworfen. Mit so einem Grundniveau hätte es im Sommer wieder weit gehen können.

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Ellenbogenverletzung warf Vetter zurück

SPORT1: Was ist dann passiert?

Vetter: Dann ging es schon mit dem Ellenbogen los, wo wir zunächst dachten, es sei nur eine Reizung. Das hat sich dann aber so aufgebaut, dass in der ersten Einheit nach dem Trainingslager im März ein stechender Schmerz reinkam. Im MRT konnte man noch nicht ganz klar sehen, was es genau war, allerdings sagte der Ellenbogenspezialist und Chirurg, dass es nicht gut aussehe und man es operieren müsse.

SPORT1: Dafür war es aber zu spät, oder?

Vetter: Wenn ich mich zu diesem Zeitpunkt hätte operieren lassen, dann wäre Paris schon damals utopisch gewesen. Deshalb haben wir versucht, es konservativ zu behandeln – aber so richtig auf den Dampfer sind wir erst drei, vier Wochen vor den Deutschen Meisterschaften gekommen. Wir haben gehofft, mit Schmerzmittel und einem komplett zugetapten Arm bekommen wir es einigermaßen schmerzfrei hin. In den Wochen bis zur DM haben wir dann brutal intensiv trainiert, weil es der einzige Zeitraum war, in dem wir überhaupt etwas machen konnten. Dann kamen durch die hohe Belastung aber wieder andere Baustellen dazu wie die Schulter – einfach, weil es komplett überreizt war.

Vetter: „... das hat der Körper nicht mitgemacht“

SPORT1: Bei der Deutschen Meisterschaft sind Sie dann mit 73,16 Metern unter Wert geschlagen worden ...

Vetter: Es war nicht absehbar, dass es in Braunschweig nicht klappen würde. Ich habe in der letzten Einheit davor nochmal super geworfen, bis es mir bei einem Wurf so stark in die Schulter fuhr, dass ich mir ein Knochenödem zugezogen habe. Ich habe so übertrieben, aber um die letzte Chance am Schopfe zu packen, musste ich das tun.

SPORT1: Ihr Motto war also „Alles oder nichts“?

Vetter: Ich habe alles auf eine Karte gesetzt und das hat der Körper dann nicht mitgemacht. Wenn die Deutsche Meisterschaft eine halbe Woche vorher gewesen wäre, hätte es vielleicht noch geklappt. Klar, im Nachhinein kann man immer viel sagen, aber wenn man das Ergebnis der DM sieht – die 73 Meter –, das spricht dann halt nicht für mich und das spricht auch nicht für die Ehrlichkeit des Trainers (Boris Obergföll; Anm. d. R.). Aber so war es einfach. Wir haben uns das trotzdem voll zugetraut, aber es hat nicht geklappt. Ich war körperlich unter enormem Druck, auch mit all den Schmerzmitteln, die ich genommen habe. Das war schon extrem. Hätte man im Hinblick auf Paris noch mal vier Wochen Zeit gehabt, hätte vielleicht noch einiges passieren können. Wofür es dann gereicht hätte, kann man natürlich nicht prognostizieren.

SPORT1: Sind Sie trotz aller Rückschläge zuversichtlich, es zurück in die Weltspitze zu schaffen?

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Vetter: Klar kommen jetzt Leute und fragen sich, ob ich jemals wieder auf Weltklasseniveau werfen kann. Aber im Speerwurf, besonders mit meinem Leistungspotenzial, ist es für mich immer noch möglich, ganz oben mitzuwerfen, vor allem in Anbetracht der Konkurrenzsituation weltweit. Ganz im Gegensatz zu anderen Disziplinen, wo wir deutlich weiter hinterherhinken.

SPORT1: Im Juli wurden Sie am Ellbogen operiert. Konnten Sie sich die Spiele in Paris ohne inneren Schmerz anschauen?

Vetter: Es ist schön, den Sommer zu genießen, ohne selbst unter Druck zu stehen. Ich habe die Olympia-Übertragungen wirklich sehr genossen. Es ist auch gut, mal einen Cut zu machen und sich mental neu zu sortieren, wenn man bis Los Angeles 2028 blicken will. Es ist wichtig zu überlegen, an welchen Stellschrauben man vielleicht noch drehen muss, besonders was die Trainingssteuerung in meinem Alter angeht, wo gewisse Sachen nicht mehr so intensiv betrieben werden müssen.

Neugebauer? „Beim Speerwerfen fehlt ihm die richtige Technik“

SPORT1: Was nehmen Sie sich für die nächste Zeit vor? Haben Sie ein Ziel vor Augen?

Vetter: Mein langfristiges Ziel ist jetzt erst mal, die Zeit nach meiner OP Monat für Monat zu betrachten. Es ist eine Herausforderung, aber man freut sich über jeden Fortschritt, den man abhaken kann. Einige Sachen gehen schneller als gedacht, wie die Mobilität oder die Tatsache, dass ich keine Schmerzmittel mehr brauche. Und dann kommt die nächste Herausforderung, um mit dem Arm wieder mehr machen zu können. Da werden auch wieder viel Blut, Schweiß und Tränen fließen. Mein Ziel für nächstes Jahr ist es, konstant über 85 Meter zu werfen und mich für einen Höhepunkt zu qualifizieren.

SPORT1: In Paris hat Zehnkämpfer Leo Neugebauer die Goldmedaille verpasst - unter anderem, weil er im Speerwurf Boden verlor ...

Vetter: Was mich wundert, ist, dass er so stark Diskus werfen kann, aber das Speerwerfen bei ihm so bescheiden ist, besonders bei seiner Körpergröße. Vielleicht sollte ich mal mit ihm darüber sprechen, wenn ich ihn mal persönlich treffe. Er hat so viel Kraft und Explosivität - beim Kugelstoßen stößt er über 17 Meter -, aber beim Speerwerfen fehlt ihm die richtige Technik. Aber es wäre ja schlimm, wenn die Zehnkämpfer besser wären als die Spezialisten (lacht).