Es gibt sie noch, die Hoffnungsschimmer in der deutschen Leichtathletik. Bei der Hallen-Weltmeisterschaft im schottischen Glasgow hat Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye überraschend die Silbermedaille geholt – Gold dabei nur um drei Zentimeter verpasst.
Heldenreise einer deutschen Hoffnung
Nach langen sechs Jahren ohne deutsche WM-Medaille unter dem Hallendach sorgte die 25-Jährige fünf Monate vor Beginn der Olympischen Spiele nicht nur für eben jenen Hoffnungsschimmer, sondern auch für einen Moment persönlicher Genugtuung.
Nach zwei Knie-Operationen hatte die Sportlerin bereits kurz vor dem Karriereende gestanden – doch es kam anders.
Karriereende stand kurz bevor
„Ich stand vor einem Berg von Zweifeln. Soll ich den Weg überhaupt weitergehen? Soll ich mich vielleicht nicht lieber auf mein Studium konzentrieren?“, erzählte sie im vergangenen Sommer bei der Leichtathletik-WM in Budapest im Rahmen einer Interviewrunde, an der auch SPORT1 teilnahm.
Und weiter: „Ich mache den Bachelor nebenbei, habe aber irgendwie das Gefühl gehabt, da schlummert noch so viel mehr in mir. Und ich hätte vielleicht in den nächsten Jahren zurückgeschaut und die Entscheidung vielleicht bereut, wenn ich aufgehört hätte.“
Einen entscheidenden Impuls gab seinerzeit – neben dem Vertrauen in ihre Trainer - auch die Aufnahme in die Förderschule der Bundeswehr, die eine „super Absicherung“ bot und eine entspanntere Fortführung des Studium ermöglichte.
Persönliche Bestmarke erneut übertroffen
Bei der WM im vergangenen August setzte Ogunleye mit einem Stoß auf 19,44 Meter in der Qualifikation ein Ausrufezeichen, wurde sie damit doch Dritte und steigerte ihre persönliche Bestmarke.
Nun, bei der Hallen-WM rund ein halbes Jahr später, ist die 25-Jährige in neue Sphären vorgedrungen. Erstmals übertraf sie die 20 Meter, brachte es sogar auf 20,19 Meter. Die kanadische Weltmeisterin Sarah Mitton erreichte ihren Titel mit nur drei Zentimetern mehr.
Verärgert war Ogunleye ob der nur knapp verpassten Goldmedaille aber keineswegs. „Den Zentimetern zu Gold trauere ich gar nicht hinterher. Ich bin unglaublich dankbar, hier mit der Silbermedaille rauszugehen. Das ist so surreal, was hier gerade passiert ist“, jubelte sie laut dpa nach dem Wettkampf.
Halt im Glauben
Im Jahr der Olympischen Spiele hat die Deutsche einen beeindruckenden Aufstieg fortgesetzt und sich zu einer der Hoffnungsträgerinnen für die deutsche Leichtathletik entwickelt. Ihre wohl größte Stütze dabei: ihr Glaube.
Schon bei der WM in Budapest wurde die Sportlerin vom Besuch ihres Pastors überrascht. Als ein Journalist ihr ein Bild des Geistlichen auf der Zuschauertribüne zeigte – neben ihm fieberten unter anderem auch die Mama, Oma und Tante der Sportlerin mit – zeigte sich Ogunleye begeistert.
„Ooooh wie schön. Mein Pastor! Unglaublich! Der kennt mich auch schon, seitdem ich klein bin. Er hat den Weg ein bisschen mitverfolgt und sieht mich jetzt auf der großen Bühne meines Lebens“, freute sie sich seinerzeit.
Ogunleye als Nachfolgerin von Schwanitz
Vor ihrem Silber-Coup bei der Hallen-WM in Schottland fand sie ebenfalls Halt im Glauben. „Ich bin heute Morgen aufgewacht, habe meine Bibel aufgeschlagen und einen Vers gelesen, der hieß: Sei mutig und stark, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir“, so Ogunleye.
„Und mit diesem Vers bin ich in diese Weltmeisterschaft gegangen: Du wirst mutig, stark und zuversichtlich sein. Du hast es verdient, hier zu sein, und du kannst mehr erreichen, als du dir vorstellen kannst.“
Ogunleye tritt mit ihren sportlichen Erfolgen derweil in große Fußstapfen. So ist sie die erste deutsche Kugelstoßerin seit Christina Schwanitz vor zehn Jahren, die sich über eine Medaille freuen kann. Schwanitz, 2015 Olympiasiegerin in Peking, war zudem im Jahr 2016 die letzte Deutsche, die die Kugel mehr als 20 Meter weit befördert hat.
Übrigens: Neben den Olympischen Spielen findet im kommenden Sommer auch die Europameisterschaft in Rom statt. Genügend Gelegenheiten für Ogunleye, um ihren Höhenflug fortzusetzen.