Nach dem Debakel bei der WM in Budapest prognostiziert der frühere Olympia-Zweite Frank Busemann der deutschen Leichtathletik eine düstere Zukunft.
Busemann malt finsteres Bild
„Die Zeiten, dass wir zweistellige Medaillenzahlen erringen, sind vorbei. Und die werden wir auch nicht mehr erleben – außer wir werden 180 Jahre alt“, sagte der ehemalige Zehnkämpfer der Münchner Abendzeitung. „Realistisch“ seien „zwei bis vier Medaillen“ bei künftigen Weltmeisterschaften, befand Busemann, bei der WM als TV-Experte für die ARD im Einsatz.
Die internationale Konkurrenz sei enteilt, das Prädikat „Made in Germany“ habe nicht nur in der Leichtathletik „seinen Glanz sehr verloren“, sagte der 48-Jährige zwei Tage nach dem Ende der WM, bei der Deutschland erstmals ohne Medaille geblieben war.
Busemann: „Man kann nicht wirklich überrascht sein“
Hoffnung auf schnelle Besserung hat Busemann nicht. Die Probleme seien „strukturell“ und „über viele Jahre gewachsen“, sagte der 48-Jährige: „Wer sich die Entwicklung der letzten 30 Jahre ansieht, kann nicht wirklich überrascht sein.“ Nach der Wiedervereinigung „haben wir von den ehemaligen DDR-Athleten gelebt, dann noch von ein paar alten Recken – und jetzt ist eben nicht mehr viel da.“
Das habe nicht mit mangelndem Talent bei der heutigen Generation zu tun, sondern mit den Rahmenbedingungen. „In Zukunft müssen wir in der deutschen Leichtathletik wohl nicht mehr Medaillen als Maßstab nehmen, ob die Leistung gestimmt hat, sondern ob ein Athlet an seine persönliche Bestmarke herangekommen ist“, so Busemann.
Änderungen erfordern viel Zeit, die es im internationalen Vergleich nicht gibt. „Jetzt“ müsse man „die Zwölf-, Dreizehnjährigen finden, die das Potenzial haben“, um bei den Olympischen Spielen „2032, 2036 für Furore“ zu sorgen.
ARD-Experte vermisst Leistungskultur in Deutschland
Für die Unterlegenheit der Deutschen machte Busemann vielfältige Gründe aus. Die finanzielle Unterstützung des Sports und damit einhergehend die Rahmenbedingungen seien nicht auf gutem Niveau.
Zudem würden Kinder und Jugendliche in Deutschland nicht an Wettkämpfe gewöhnt: „Wie soll man lernen, dass sich Leistung lohnt, wenn Leistung nicht anerkannt wird? Es ist nicht schlimm, wenn jeder versteht, dass außergewöhnliche Leistungen auch außergewöhnlich honoriert werden.“
Es sei "nicht schlimm, wenn ein Kind mal weint, weil es nicht bei den Besten ist", sagte Busemann. Mit diesem aus seiner Sicht laschen Umgang "schafft man keine Siegertypen." Im Vergleich seien die US-Amerikaner "knüppelhart, wenn der Weltrekordler bei der internen Meisterschaft nicht performt, ist er bei der WM nicht dabei. Da lernst du Härte."
Es sei falsch, wenn es in Deutschland keine Beurteilung für Sport bei Kindern gebe: „Wenn du in Mathe alles falsch gerechnet hast, wirst du auch nicht gestreichelt und dir gesagt, du hast aber ganz toll Zahlen reingeschrieben, das war wirklich großartig. Nein, falsch ist falsch – und scheiße ist scheiße. In der Mathematik genauso wie im Sport.“