Eigentlich war die Meldung eher unspektakulär. Diskuswerfer Christoph Harting hat bei den deutschen Leichtathletik-Meisterschaften in Kassel Platz drei belegt. Was nach einer nüchternen Sportnews klingt, ist für den 33-Jährigen ein äußerst wichtiger Schritt. Ein Schritt zurück.
Harting: „Sucht euch Hilfe!“
Vor allem aber ist es ein sportlicher Schritt nach einem extrem wichtigen Interview. Wenige Tage zuvor hatte der Diskus-Olympiasieger von 2016 im Gespräch mit der Berliner Zeitung seine Depressionserkrankung öffentlich gemacht.
So habe er sich nach einem „psychischen Breakdown“ in einer Klinik „psychotherapeutisch und psychologisch“ behandeln lassen. Um das Ausmaß der dunklen Zeit zu verdeutlichen, beschrieb Harting seine Gefühle.
Inzwischen hat sich Harting aus seinem tiefen Loch befreit. Wie bedeutsam sein offener Umgang mit seiner Erkrankung für ihn war und ist, hat er im Rahmen der deutschen Meisterschaften verdeutlicht.
Sport als Therapie und Grund für die Therapie
„Es ist wichtig gewesen. Ich kann meine Leistung der letzten anderthalb Jahre nicht erklären, ohne es zu erzählen. Es bedingt eine gewisse Transparenz, es bedingt eine gewisse Nähe und Ehrlichkeit, um es verständlich zu machen. Von daher ist es aus der Notwendigkeit geboren und ich bin glücklich darüber, dass ich den Mut hatte, es auszusprechen“, erklärte er in einer Medienrunde, an der auch SPORT1 teilnahm.
„Und gemessen an dem Wettkampf kann man es, glaube ich, damit vergleichen: Es ist nicht der große Knall, das große Comeback. Genauso wie man nicht sagt, man ist wieder gesund, man ist wieder geheilt. Man weiß, wo die Probleme liegen. Man weiß, wie man sie angehen muss. Schritt für Schritt kommt man auch wieder da raus und das ist eins zu eins auf den Wettkampf übertragbar.“
Für Christoph Harting ist der Sport Therapie und Grund für die Therapie zugleich. „Er hat mir in der unfassbar schwersten Zeit Struktur und Alltag gegeben. Er hat mir einen kleinen roten Faden gelegt, an dem man sich irgendwie langhangeln konnte.“
Olympiasieger macht anderen Sportlern Mut
Für andere Sportler in einer ähnlichen Situation hat der Olympiasieger auf SPORT1-Nachfrage einen klaren Tipp. „Sucht euch Hilfe, sucht euch die richtigen Ansprechpartner! Im Verband gibt es viele kompetente Psychologen, die - wenn auch nicht immer die richtigen Ansprechpartner - zumindest ein gutes Netzwerk haben, an das man sich wenden kann.“
Viel wichtiger ist allerdings die Erkenntnis davor: „Ich glaube, es ist der schwerste Schritt von allen, einzusehen, dass man ohne Hilfe nicht weiterkommt. Wenn man das einmal begriffen hat, zu sagen ‚Okay, ich brauche Hilfe, ich nehme es in Anspruch‘, ist das der erste und wichtigste Schritt.“
Harting gesteht Depressionen ein
In dem Interview mit der Berliner Zeitung hatte Harting über seine Depressionen gesagt: „Stell dir vor, du wachst auf und liegst unter einer riesigen, großen, schweren, schwarzen Decke. Und du kriegst die nicht runter. Du kriegst noch nicht mal den Wecker ausgemacht. Du hörst immer wieder zu, und irgendwann hört er auf zu klingeln. Dann bleibst du einfach liegen.“
Auch Panikattacken haben ihm das Leben schwer gemacht. „Oh, war das furchtbar. Du hast das Gefühl zu sterben. Du musst dich rausziehen. Das ist ein unglaublicher Kampf, der einen unfassbar müde macht.“
Harting hat diesen Kampf angenommen und erste Erfolge verbucht.