Am Pfingstmontag war es endlich so weit.
Paukenschlag nach dem Martyrium
Robert Farken tat etwas, worauf er sich schon das ganze Jahr freute: Er packte den Grill aus und ließ es sich mit seiner Freundin gut gehen.
„In St. Moritz war es noch zu kalt, um zu grillen. Wir haben dort zwar einen großartigen Grill, der steht noch in der Garage und wir haben ihn noch nicht auf die Terrasse gehievt“, erzählt der 25-Jährige im Gespräch mit SPORT1.
Fünf Wochen war Farken zuvor im Höhentrainingslager des Schweizer Nobelortes gewesen, um sich auf die neue Saison vorzubereiten.
„Das war extrem kräfte- und nervenraubend“
Dass er endlich den Frühsommer unbeschwert auskosten kann, liegt aber nur zu einem kleinen Teil an Würstchen, Nackensteak und Kartoffelsalat – sondern viel mehr an seiner wiedererlangten Gesundheit.
Farken hat ein echtes Martyrium hinter sich, das sich über ein Jahr durchzog. Vor 14 Monaten hatte der derzeit beste deutsche Mittelstreckenathlet seinen letzten Wettkampf bestritten, bevor ihm sein Körper einen dicken Strich durch die Rechnung machte.
Eine langwierige Hüftverletzung am Oberschenkelhals zwang ihn dazu, die Laufschuhe in die Ecke zu legen. Warum seine Knochen auf einmal die Trainingsbelastung nicht mehr tolerierten, darüber rätselten die Ärzte monatelang.
„Es war schon eine schwierige Zeit“, erinnert sich Farken. „Das Problem musste erst noch ein zweites Mal auftauchen, bis man ihm auf die Spur kam. Das war extrem kräfte- und nervenraubend.“
„Dann saß ich auf dem Sofa und habe mit den Tränen gekämpft“
Vor allem das Verpassen der Heim-EM in München habe ihn belastet. „Der letzte Sommer war brutal. Als das Finale über 1500 Meter anstand, waren es 20 Grad und Regen – genau mein Wetter“, erinnert er sich. „Ich habe mir nur gedacht, das kann doch nicht wahr sein. Dann saß ich auf dem Sofa und habe mit den Tränen gekämpft.“
Erst als er an einen Spezialisten in Hamburg gelangte, kam die erlösende Diagnose: Vitamin-D-Mangel. „Dort wurde noch einmal ein ausführliches Blutbild gemacht und weitere Analysen des Knochens vorgenommen, dann hat man es herausgefunden.“
Farken supplementiert das Vitamin nun deutlich höher als andere Sportler – und hat seitdem keinerlei Probleme mehr. „Es ist einfach genetisch bedingt, dass ich da mehr nachhelfen muss. Und seitdem wir das rausgefunden haben, kann ich in meine normalen Umfänge trainieren“, schildert der gebürtige Leipziger.
Dabei stieg Farken erst Ende März wieder ins Lauftraining ein und hatte somit nur sechs Wochen Zeit für den ersten Härtetest. In Karlsruhe feierte er sein Comeback mit dem ersten Paukenschlag, als er über 800 Meter eine 1:45,65 Minuten auf die Tartanbahn hinlegte.
Am Pfingstsonntag folgte der zweite Streich – und dieses Mal hätte sich Farken um ein Haar den ältesten deutschen Rekord in olympischen Laufdisziplinen geschnappt. In Rehlingen gewann er die 1500 Meter in 3:32,10 Minuten und blieb nur 52 Hundertstelsekunden hinter der fast 43 Jahre alten Bestmarke von Thomas Wessinghage.
„Ich bin einfach auf Sieg gelaufen und habe eigentlich gar nicht so richtig an die Zeit gedacht“, schildert der Athlet der SC DHFK Leipzig, der Wessinghages Uraltrekord bald knacken will. „Im Prinzip bin ich jetzt so nah an dem Rekord dran, dass es nicht wegzureden ist, dass ich ihn brechen möchte.“
Farken will auch Ingebrigdsen bezwingen
Bis zur Bestzeit von Jakob Ingebrigdsen, dem derzeitigen Dominator auf der Mittelstrecke, fehlen Farken noch etwa vier Sekunden – doch auch davon lässt sich der DLV-Athlet nicht unterkriegen.
„Wenn ich nicht dran glauben würde, ihn zu besiegen, dann wird es auch nie passieren. Wenn ich es als Sportler nicht wollen würde, dann hätte ich als Sportler versagt“, lautet Farkens Credo. „Wenn ich gegen die Besten verliere, dann kann ich das auch einordnen. Trotzdem gehe ich in jedes Rennen rein, um es zu gewinnen. Ausschließlich so kann man das Maximale aus sich heraushole.“
Farken hat gelernt, mit Rückschritten umzugehen, das betrifft nicht nur seine lange Zwangspause. Vor vier Jahren war er in einen schweren Unfall verwickelt, als er mit einem Kumpel aus dem Trainingslager ausbüxte.
„Ich habe eine große Narbe am Bauch, die mich teilweise einschränkt“, sagt er. Und dennoch: „Rückblickend hat es mir gutgetan und es war sicherlich wichtig für meine Entwicklung.“
Eine Entwicklung, die ihn möglicherweise bald in die Weltspitze führen wird. Bis es so weit ist, wird sich Robert Farken mit Sicherheit noch das ein oder andere Würstchen auf den Grill legen – und einfach nur den Moment genießen.